13.41

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Hammer: ... im Hintergrund, wie gestern!)

Herr Bundeskanzler! Sie haben jetzt sehr viel gesagt, aber Sie haben noch nicht ge­sagt, dass Ihre Bundesregierung gescheitert ist. Sie wissen, dass Sie als Bundeskanz­ler alleine verantwortlich dafür sind, was die Auswahl Ihrer Minister und Ihres Koali­tionspartners betrifft. (Abg. Haubner: Hervorragende Minister!) Es war trotz aller War­nungen der Fall, dass Sie diese Koalition eingegangen sind, und Sie tragen aus unse­rer Sicht somit auch die Verantwortung für das Scheitern Ihrer Koalitionsregierung und die Verantwortung für die derzeitige Situation. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordne­ten von JETZT.)

Ihre Politik stößt Österreich, stößt dieses Land jetzt zum zweiten Mal in Neuwahlen, weil Sie nicht bekommen haben, was Sie wollten. (Abg. Winzig: Blödsinn! – Zwischen­ruf des Abg. Hörl.) Sie hätten diese Koalition nämlich einfach weitergeführt (Abg. Wö­ginger: Ich weiß nicht ...!) – das haben Sie jetzt auch nicht gesagt –, wenn Sie ein Mi­nisterium mehr dafür bekommen hätten, nämlich das Innenministerium. (Abg. Winzig: Sie kennen sich ja wirklich nicht aus in der Politik! – Widerspruch bei der ÖVP. – Präsi­dent Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Jetzt, nachdem Ihr Scheitern, Herr Bundes­kanzler, offensichtlich geworden ist, fordern Sie von uns Abgeordneten des Nationalra­tes Stabilität ein. (Abg. Haubner: Sie sollten die Berater wechseln, glaube ich!) Ja, Sie wollen Zustimmung für eine Regierung, die keine parlamentarische Mehrheit hat. (Bei­fall bei SPÖ und JETZT.)

Nennen wir es beim Namen, Sie wollen Zustimmung und Vertrauen für eine ÖVP-Al­leinregierung, und zwar im Nachhinein (Abg. Haubner: Das ist ja voll daneben! – Zwi­schenrufe der Abgeordneten Nehammer und Zarits), denn Sie haben es selbst im Moment des Scheiterns Ihrer eigenen Bundesregierung nicht der Mühe wert gefunden, mit der Opposition dieses Hauses zur Bildung einer Übergangsregierung den Dialog zu suchen und um eine stabile Unterstützung zu werben. (Abg. Zarits: Sie sind ja nicht gekommen! – Abg. Strasser: Sie hätten ja in das Bundeskanzleramt gehen können!) Nein, Ihr Handeln hat nichts mit Verantwortung zu tun! (Beifall bei der SPÖ. – Wider­spruch bei der ÖVP.)

Ihre Vorgangsweise ist einzigartig in der Geschichte der Zweiten Republik. (Abg. Ne­hammer: Ihre Vorgehensweise! – Rufe bei der ÖVP: Ihre! Ihre! – Abg. Wöginger: Das ist ein Wahnsinn! Unglaublich! – Präsident Sobotka gibt erneut das Glockenzeichen.) Es ist ein schamloser, es ist ein zügelloser und verantwortungsloser Griff nach Macht, den wir hier sehen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Macht in unserem Land, Herr Bundeskanzler, geht aber vom Volk aus und von den Menschen und nicht von Ihnen. (Beifall bei SPÖ sowie demonstrativer Beifall bei der ÖVP. – Abg. Zarits: Das hast du eh gestern gesehen, wie sie ausgeht! – Abg. Ham­mer: Was war gestern? Gestern! – Zwischenruf der Abg. Schwarz.  Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt erneut das Glockenzeichen.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie – bei aller Emotion –, der Würde des Hauses zu entsprechen und zuzuhören.

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (fortsetzend): Ich verstehe, dass die ÖVP am heutigen Tag etwas nervös ist (Heiterkeit bei der ÖVP – Abg. Nehammer: Las­sen wir die Wähler entscheiden! – Abg. Winzig: Wer hat denn die Wahlen gewonnen gestern?), aber ich sage Ihnen: Es ist ungeheuerlich (Ruf bei der ÖVP: Also bitte!), in einer solchen Situation, die ein Präzedenzfall in der Geschichte der Zweiten Republik ist (Abg. Nehammer: Ja, genau! – Ja-Rufe bei der ÖVP), Zustimmung und Vertrauen für das einzufordern, was nur Ihren eigenen Wünschen entspricht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strasser: Und des Bundespräsidenten!) Wir Abgeordnete des Parla­ments sind den Menschen verpflichtet, die uns gewählt haben (Abg. Wöginger: Du redest aber nicht mit denen!), und nicht den persönlichen Interessen eines Einzelnen. (Ruf bei der ÖVP: Genau! Die sind ja ziemlich negativ!)

Die Situation, in der Sie sich als Bundeskanzler befinden, ist keine alltägliche, und man kann verstehen, dass es keine einfache ist. Gerade in solchen Situationen zeigt sich jedoch wahre Führungsstärke. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Genau! Die hast du!) Anstatt das Verbindende vor das Trennende zu stellen, die Unterstützung der Abgeordneten dieses Hauses zu suchen, haben Sie sich entschlossen, den Weg alleine zu gehen und somit den Weg der Stabilität, die unser Land, die die Menschen in Österreich so dringend bräuchte, zu verlassen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Das ist ja voll daneben!)

Ist es vollkommen gleichgültig, wer die Bundesregierung bildet? Ist es für Sie vollkom­men nebensächlich, vorher abzuklären, ob die von Ihnen vorgeschlagene Regierung eine Mehrheit im Nationalrat hat? (Abg. Strasser: Sie haben ... wieder nicht wahrge­nommen! – Ruf bei der ÖVP: Hat er ja!) Sie, Herr Bundeskanzler, gehen davon aus, dass es die Pflicht von uns Abgeordneten ist, Ihr Handeln im Nachhinein zu rechtfer­tigen. Das hat nichts mit demokratischer Haltung zu tun. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und JETZT.)

Die Österreicherinnen und Österreicher haben sich von Ihnen verantwortungsvolles Handeln gewünscht und erwartet, und diese Erwartung haben Sie nicht erfüllt. (Abg. Winzig: Das haben wir ja am Wahlergebnis gestern gesehen!) Es ist die Aufgabe des Bundeskanzlers, insbesondere in Krisenzeiten die Stabilität zu bewahren und zu för­dern (Ruf bei der ÖVP: Hat er ja! Hat er ja gemacht! Sie nicht!), und dieser Aufgabe sind Sie nicht gerecht geworden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wer Vertrauen will, muss Verantwortung leben, sehr geehrter Herr Bundeskanzler! (Ruf bei der ÖVP: Ja, genau!) Das gilt in jeder Lebenssituation und insbesondere gilt das für eine Bundesregierung und ein Staatsamt wie Ihres.

Was heißt Verantwortung? – Aus unserer Sicht heißt Verantwortung, die mit einem Staatsamt verbunden ist, ein würdiger Repräsentant dieses Staates zu sein, und es bedeutet, das Gemeinwohl, die Allgemeinheit im Blick zu haben. Es bedeutet auch, einen Weg einzuhalten, der von Respekt, der von Kooperation und Dialogbereitschaft getragen ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Nehmen Sie sich bei der Nase! – Abg. Himmelbauer: Als ob ihr in der SPÖ das machen würdet!)

Sie hingegen, Herr Bundeskanzler, appellieren an Verantwortung und meinen sich selbst. Sie stellen das Ich vor das Wir. Verantwortung heißt, nicht aus dem Staatsamt heraus Wahlkampf zu führen. Staatsämter sind keine Wahlkampfbüros! Verantwortung heißt, den vor ein paar Tagen bestellten Ministern Ihrer Regierung keine ÖVP-Aufpas­ser in die Kabinette zu setzen. Ja, Staatsämter verpflichten dazu, nicht den eigenen Vorteil in den Vordergrund zu stellen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hammer und Haubner.) Sie verpflichten auch dazu, das Gemeinwohl, die Res publica, das Interesse des Landes und der Menschen vor alles andere zu stellen. Das bedeutet, respektvoll miteinander umzugehen (Abg. Steinacker: Für Sie gilt das aber auch!), es bedeutet, dass man weiß, dass Kooperation und Dialog Grundvoraussetzungen und Basis für Vertrauen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Vertrauen wiederum ist Voraussetzung für eine Mehrheit im Parlament, sehr geehrte Damen und Herren.

Herr Bundeskanzler, Sie wollen nicht überzeugen, Sie wollen erzwingen! Vertrauen kann man aber nicht erzwingen, Vertrauen muss man sich erwerben, man muss hart dafür arbeiten. (Abg. Ofenauer: Schlechte, schwache Rede!) Es ist mit der Würde des Staatsamtes des Bundeskanzlers unvereinbar, den Dialog mit Abgeordneten zu ver­meiden. (Abg. Strasser: Sie haben ja nicht einmal die Termine wahrgenommen, Frau Kollegin!) Verantwortung bedeutet auch, sein eigenes Scheitern zu erkennen und zu­zugeben. (Ruf bei der ÖVP: Selbstanklage! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzei­chen.) Nur ein verantwortungsvoller Umgang mit seinem Staatsamt bildet Vertrauen, ein verantwortungsloser Umgang mit seinem Staatsamt bereitet den Boden für Miss­trauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie und Ihre ÖVP-Regierung genießen das Vertrauen der sozial­demokratischen Abgeordneten nicht. Ich stelle daher folgenden Antrag gemäß § 55 der Geschäftsordnung des Nationalrates (Abg. Nehammer: Das ist verantwortungslos!):

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung und der Staatssekretärin“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung und der Staatssekretärin wird gemäß Art. 74 Abs. 1 iVm Art. 78 Abs. 2 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen ver­sagt.“

*****

Danke schön. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ und Beifall bei Abgeordneten von JETZT. – Abg. Haubner: Wie war das mit der Verantwortung? – Ruf bei der ÖVP: Un­glaublich!)

13.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

gemäß § 55 GOG-NR

der Abgeordneten Dr.in Pamela Rendi-Wagner

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung und der Staats­sekretärin

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend „Scheitern der Bundesregierung Kurz“

Begründung

Aufgrund der Vorkommnisse der letzten Tage, insbesondere der am politischen Ei­geninteresse orientierten Vorgehensweise des Bundeskanzlers, die er mit den anderen im Parlament vertretenen Parteien nicht abgesprochen hat, ist Folgendes festzuhalten:

Der Bundeskanzler trägt die Hauptverantwortung für das Scheitern dieser Koalition und für die derzeitige Situation. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass er in zwei Jahren be­reits das zweite Mal eine Regierung auflöst und in Neuwahlen geht. Damit ist das Ver­trauen in die Regierungsfähigkeit dieses Bundeskanzlers nicht mehr gegeben.

Er agiert wie ein Spieler und verwendet als Einsatz die Stabilität Österreichs, um mit seinem riskanten Spiel ausschließlich seine politischen Eigeninteressen zu verfolgen.

Dazu kommt noch, dass er, nachdem er die Koalition beendet hat, kein Interesse an einem nationalen Konsens gezeigt hat und weder die eingesetzten Minister noch die weitere Vorgehensweise mit den Parlamentsparteien abgesprochen hat.

Vielmehr ist es so, dass er im Alleingang eine ÖVP-Alleinregierung installiert hat, um damit Vorteile für seinen Wahlkampf erzielen zu können.

Da der Bundeskanzler die Hauptverantwortung für diese instabile Situation trägt und er ausschließlich seine eigenen Machtinteressen verfolgt und auch für die Auswahl seiner Minister verantwortlich ist, ist das Vertrauen in die gesamte Bundesregierung nicht mehr gegeben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung und der Staatssekretärin wird gemäß Art. 74 Abs. 1 iVm Art. 78 Abs. 2 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen ver­sagt.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungs­gemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Wöginger. – Bitte.