14.01

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Liebe Zuseher, die Sie die Debatte vor den Bildschirmen zu Hause verfolgen! Es sind keinesfalls einfache Stunden, es sind kei­nesfalls alltägliche Stunden, die unser Land seit dem 18. Mai dieses Jahres durchlebt. Vieles ist undurchsichtig, vieles ist verworren, vieles ist unklar, und ich denke, umso wichtiger ist es, Klarheit zu schaffen, Zusammenhänge aufzuzeigen, Hintergründe her­zustellen, aufzuklären, wie es der Herr Bundeskanzler heute gesagt hat, und damit die Basis für Weichenstellungen zu haben, die für zwei Dinge in diesem Land sorgen: für Stabilität, aber auch für Sauberkeit – für Stabilität und für Sauberkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine solche Vorgangsweise nenne ich ver­antwortungsbewusst. Das ist die staatspolitische Verantwortung, die in diesen Stunden gefragt ist. Das ist die Staatsräson, von der so viel die Rede ist. Wir Freiheitliche neh­men diese Verpflichtung zur Staatsräson genauso ernst und wir nehmen sie genauso wahr, wie wir die Tätigkeit in unseren einzelnen Ressorts im Zuge dieser Bundesregie­rung von der ersten bis zur letzten Minute wahr- und ernst genommen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe Ihre Aussagen sehr genau verfolgt, Herr Bundeskanzler. Sie sagen, dass die Arbeit gut und notwendig für das Land gewesen ist. Da gebe ich Ihnen recht. Sie sagen, dass es Ihnen leid tut, dass diese Koalition zerbrochen ist. Da glaube ich eher, dass es Ihnen leid tut, dass Ihre Machtstrategie nicht aufgegangen ist. (Rufe bei der ÖVP: Geh!) Und Sie sagen, dass die Freiheitliche Partei sich nicht nur selbst ge­schadet, sondern mit dem Video und den Enthüllungen die ganze Regierungsarbeit zerstört und beendet hat. Und da ist die Wahrheit definitiv eine andere.

Wir – und da spreche ich für die freiheitlichen Regierungsmitglieder, meine sehr geehr­ten Damen und Herren – haben an jedem Tag unserer Regierungsarbeit mit voller Lei­denschaft, mit allem Einsatz und – ich spreche auch für mich persönlich – mit einem großen rot-weiß-roten, mit einem patriotischen Herzen gearbeitet – gegen viele Wider­stände und Anfeindungen, die es gegeben hat. Ich stehe auch nicht an zu sagen, wir haben sehr gut mit den Kolleginnen und Kollegen der Volkspartei zusammengear­beitet, auf Regierungsebene und auch auf der Ebene des Parlaments. – Danke schön dafür. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auf Augenhöhe, ich möchte fast schon von einer freundschaftlichen Basis sprechen, haben wir gerade auch mit dem Bundeskanzler zusammengearbeitet. Und ich möchte sogar so weit gehen, zu sagen, dass unser Vertrauen in den Bundeskanzler in Wahr­heit auch das ideelle Fundament dieses neuen Regierens gewesen ist.

Wir haben nach dem Erscheinen dieses Skandalvideos selbstverständlich keine Se­kunde gezögert, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Das ist ja eine Selbst­verständlichkeit. Jedem von uns war unmittelbar klar, dass es personelle Konsequen­zen und dass es inhaltliche Konsequenzen braucht. Und jene, die diese Bilder betrof­fen haben, haben sich genau so, wie wir es vertrauensvoll mit dem Bundeskanzler ver­einbart haben, entsprechend zurückgezogen. Sie haben genau das getan, was wir in einem Vertrauensverhältnis miteinander vereinbart haben. Und genauso haben wir freundschaftlich und vertrauensvoll den Weg weiter definiert: dass wir Norbert Hofer vorschlagen werden, um die Rolle des Vizekanzlers zu übernehmen, und dass wir ein inhaltliches Paket auf den Weg bringen werden, um all die Vorwürfe abzuarbeiten, um die es auch in diesem Video geht. – Wir haben unseren Teil der Vereinbarung gehalten und wir haben darauf vertraut, Herr Bundeskanzler, dass auch Sie den Ihren einhalten.

In diesen nicht leichten Stunden haben wir ein ganz anderes Gesicht des Herrn Bundeskanzlers erlebt als dasjenige, das wir immer kennen: dieses freundliche und ewig lächelnde. Er hat ein anderes Gesicht gezeigt. Er hat die ganze FPÖ für das Fehl­verhalten von zwei Personen – die die Konsequenzen gezogen haben, so wie wir ver­einbart haben – in Sippenhaft genommen. Das hat er getan. Er hat versucht, eine schwierige Phase eines Regierungspartners auszunützen. Er hat versucht, den eige­nen Machtbereich zu erweitern. Das war die Reaktion des Bundeskanzlers in diesen Stunden. Es ging ihm und seinen Beratern nur darum, das Innenministerium in den Griff zu bekommen, denn, Herr Bundeskanzler, ich habe mit Ibiza und mit russischen Oligarchen vielleicht weniger zu tun als andere, die hier auf dieser Regierungsbank sitzen – ich habe gar keinen Bezug zu diesen Leuten! (Beifall bei der FPÖ.)

Es ging um etwas ganz, ganz anderes, es ging um die Wiederherstellung der wahren Machtachse der alten ÖVP, meine sehr geehrten Damen und Herren! Und diese Achse besteht aus zwei Ressorts: Das eine ist das Justizressort, das befindet sich in schwar­zen Händen, das zweite ist das Innenressort, und da hat es ein Problem gegeben. Die­ses Leck musste geschlossen werden. In einer Ho-ruck-Aktion, mit der Sie den Bun­despräsidenten wahrscheinlich genommen haben – um es salopp zu formulieren –, ha­ben Sie eine Situation herbeigeführt, dass diese beiden Ressorts (Abg. Wöginger: Ei­ne ordentliche Verschwörungstheorie!) wieder in den Händen derselben Partei sind, und damit genau das gemacht, was der Bundespräsident bei der Regierungsbildung ausschließen wollte. Jetzt haben Sie sie wieder fest in Ihren Händen.

Jetzt können wir uns fragen, warum das so ist. Ich gehe davon aus, meine Damen und Herren, dass wir in den kommenden Wochen und in den kommenden Monaten viel­leicht Dinge erfahren werden, ja, vielleicht in den Zusammenhängen auch ein Sittenbild zum Vorschein kommen wird, wozu ich Ihnen nur sagen kann, dass vielleicht das, was wir auf den Bändern von Ibiza sehen, diese Dinge, die unter Alkoholeinfluss gespro­chen wurden, gegen die Wirklichkeit, die nüchtern ist, verblassen könnten. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie reden in einer generösen Art über Ermittlungen. Das zeigt ja Ihr Selbstverständnis. Ich weiß nicht, ich war immer der Meinung, dass die Justiz von sich selbst aus ermittelt, Sie haben sich hier so hingestellt und so getan, als ob Sie ir­gendetwas in Richtung Ermittlungen freizugeben hätten. Und jetzt gibt es einen zaghaf­ten Ansatz, nachdem Tage verstrichen sind, in denen alles beseitigt werden konnte, was zu beseitigen gewesen ist. (Rufe bei der ÖVP: Was?)

Herr Bundeskanzler, Sie sind getrieben worden. Sie sind getrieben worden von jener alten ÖVP, bezüglich derer Sie den Menschen im letzten Wahlkampf versprochen ha­ben, dass Sie sie überwunden haben (Abg. Hofinger: Das stimmt ja gar nicht! Das stimmt nicht!), dass Sie sie hinter sich gelassen haben und dass Sie sie mit Ihrer groß inszenierten Generalvollmacht kontrollieren. – Nichts davon ist wahr, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Treiben kann man nur denjenigen, der sich treiben lässt, und Sebastian Kurz hat sich treiben lassen. Sie sind am Scheideweg gestanden: da das Regierungsprojekt, das Ihnen angeblich wichtig und teuer gewesen ist, dort die Machtinteressen, insbesondere der ÖVP Niederösterreich (Heiterkeit bei der ÖVP); wobei ich mich frage, wo die große Problematik liegt, wenn andere politische Kräfte als jene, die aus Niederösterreich kommen, in dieses Innenressort vielleicht einmal einen Einblick nehmen. Diese Frage halte ich für unglaublich spannend und für unglaublich aufklärenswert. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitlichen haben uns für das Regieren entschieden. Wir haben uns für die Wei­terarbeit im Interesse der Bevölkerung entschieden, weil wir wissen, dass die Men­schen diese Regierungsarbeit geschätzt haben (Zwischenruf des Abg. Wöginger) und dass niemand diese Neuwahlen will, da sie nur Geld kosten und in Wahrheit nicht not­wendig sind.

Sie haben sich für etwas anderes entschieden. Sie haben, getrieben von anderen, Herr Bundeskanzler – ich weiß nicht, ob ich Ihnen das zugutehalten soll oder ob ich Ihnen das vorwerfen soll; beides kann man tun, beides wäre zulässig –, in diesen Stunden nach der Macht gegriffen, inklusive der Möglichkeiten des Verschleierns, des Verhin­derns und möglicherweise auch (Abg. Zarits: Das ist eine Unterstellung!) des Zude­ckens – im Interesse der alten ÖVP, nicht im Interesse der österreichischen Bevölke­rung! (Beifall bei der FPÖ.)

Und, Herr Bundeskanzler, Sie haben gedacht, die Freiheitliche Partei wird einknicken. Sie haben gedacht, dieses Spiel wird aufgehen und wir lassen uns mit irgendetwas ab­speisen, damit Sie weitermachen können und dieses Problem erledigt haben. – Da ha­ben Sie uns unterschätzt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte um den Schlusssatz.

Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Da haben Sie uns wirklich unterschätzt, denn wir sind bei diesem Regierungsprojekt angetreten, um genau diese alte Form der Politik zu überwinden, die Sie jetzt wieder beleben. Niederösterreich hat das Komman­do übernommen. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei der ÖVP.)

Es ist ein mehrfacher - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte um den Schlusssatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Es ist ein mehrfacher Vertrauensbruch, den wir hier erleben. (Abg. Wöginger: Waldhäusl ...!)

Herr Bundeskanzler, ich verwende jetzt Ihre eigene Diktion: Dieser Griff nach der Macht ist widerlich, das geht sich für uns nicht mehr aus. – Und auch darüber werden die Wählerinnen und Wähler im September entscheiden. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

14.12

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte.