14.52

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit ei­nem Zitat beginnen, und zwar mit einem Zitat von Egon Friedell, des großen Kulturphi­losophen, Schriftstellers, Theaterkritikers. Egon Friedell hat gesagt: „Immer ist der Vor­hang unten, nur einmal ist er oben: im Theater. Gerade dort also, wo sich nach“ land­läufiger Vorstellung „der Herrschaftsbereich der [...] Verstellung“, des Kostüms „befin­det, springt der Mensch“ wahrer, nackter, „ungeschminkter hervor als sonst irgendwo.“

Damit hat Egon Friedell gesagt, dass nicht das Theater der Ort der Verstellung ist, sondern das sogenannte wirkliche Leben. Und das Ibizavideo hat das wieder einmal gezeigt: Da war der Vorhang oben, die Videokameras waren eingeschaltet. Was wir da gesehen und gehört haben, war schockierend und demaskierend zugleich: Es war schockierend, weil man ja doch noch immer diesen alten Kinderglauben hat: Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er Verstand und vielleicht auch Anstand! (Beifall bei den NEOS.) Es war demaskierend, da die Maske des Saubermanns, die Maske des Kämpfers für den kleinen Mann, für die kleinen Leute, die Maske des patriotischen Österreichers gefallen ist.

Was ist unsere Reaktion darauf? – Wir können sagen: Das ist ein Einzelfall; das ist ein „narzisstischer Höhenrausch“ – so hat das Reinhard Haller genannt –, die sind ohne­dies zurückgetreten! Viele Menschen tun das und gehen zur Tagesordnung über. Ich glaube aber, dass das zu kurz greift, dass Ibiza Symptom einer Politik ist, die ganz grundsätzlich fehlgeleitet ist, einer Politik, die von Misstrauen statt Vertrauen, von Ver­achtung statt Achtung bestimmt wird, die davon bestimmt wird, dass es nicht um das Gemeinwohl geht, sondern um das Wohl der eigenen Partei.

Ibiza ist ein Weckruf, dass diese Politik ein Ende haben muss. Manche hören die Trompeten von Jericho und meinen, dass die brüchigen Fassaden unserer politischen Kultur zum Einsturz gebracht werden. Ich bin ein optimistischer Mensch, ich denke, wir können etwas tun, wir können die Politik verändern, wir können eine ehrliche, eine sau­bere, eine lösungsorientierte Politik machen.

Ehrlich ist die Politik, wenn sie den Menschen nichts vormacht, wenn sie nicht Ängste schürt und Vorurteile befeuert. Sauber ist die Politik, wenn man weiß, wer sie finan­ziert. „Wer zahlt, schafft an!“ darf nicht das Losungswort sein. Lösungsorientiert ist eine Politik, die versucht, im Ausgleich mit anderen Lösungen für die Probleme zu finden, die akzeptiert werden, die auch nachhaltig sind und die für unser Land notwendig sind.

Wir haben es jetzt in der Hand, die Weichen für eine solche Politik zu stellen; wir ha­ben eine ganze Menge von Anträgen eingebracht. Ergreifen wir diese Chance, machen wir das, werden wir unserer Verantwortung für dieses schöne Land gerecht! Wenn wir eine solche Politik machen, müssen wir nicht ängstlich darauf bedacht sein, dass der Vorhang unten ist. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Lindner, Cox und Bißmann.)

14.57

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzin­ger-Vogtenhuber. – Bitte.