15.09

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Ich glaube, eines der wesentli­chen Dinge, die wir in den letzten Tagen und Wochen mitbekommen haben, ist die un­fassbare Dreistigkeit der Aussagen in diesem Ibizavideo.

Ich denke, diese Unverfrorenheit, wie in diesem Video diskutiert wurde, hat uns alle er­schrocken; was mich aber noch mehr erschrocken hat, waren die Reaktionen darauf. Was wir in diesem Video gesehen haben, ist, dass der Vizekanzler beziehungsweise der mittlerweile ehemalige Vizekanzler der Republik Österreich, langjähriger Parteiob­mann der FPÖ, sich hinstellt und erklärt, wie man in Österreich Gesetze umgehen und brechen kann. Das funktioniert deswegen, weil es in Österreich ein System gibt, das leider Gottes über Jahrzehnte von ÖVP, SPÖ und FPÖ so eingeführt wurde; ein Sys­tem, das es nicht nur ermöglicht, die Regeln so einfach zu umgehen, sondern de facto auch keine Sanktionen vorsieht. (Beifall bei den NEOS.)

Das Erschreckende an diesen Aussagen war ja, wie klar er dargelegt hat, wie man das macht – ein Vizekanzler, der Teile der Republik Österreich verkaufen will, der für Geld­leistungen öffentliche Aufträge verspricht, der sagt, wie man Parteispenden mittels ille­galer Parteienfinanzierung über irgendwelche dubiosen Vereine am Rechnungshof vor­beischleusen kann! Und ich habe nicht das Gefühl, dass hier irgendjemand von ÖVP, SPÖ und FPÖ ein ernsthaftes Interesse hat, daran etwas zu ändern. Ich habe dahin gehend meiner Meinung nach bis jetzt viel zu wenig gehört. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Bundeskanzler, es sind ja auch Sie hier in der Verantwortung, nämlich nicht nur als Bundeskanzler, sondern auch als ÖVP-Parteiobmann. Wir hören immer wieder von der ÖVP, sie sei so transparent. Das sind schöne Ankündigungen, die allerdings sehr durchschaubar sind, muss man dazusagen; denn wenn wir uns die Sache genau an­schauen, wird uns klar, dass wir über die Wahlkampffinanzen und die Parteifinanzen der ÖVP ganz, ganz viel nicht wissen. Wir wissen bis heute nicht, woher die 13 Millio­nen Euro gekommen sind; man kann Teile nachvollziehen, aber nicht alles. Wir wissen nicht, wie der EU-Wahlkampf finanziert wurde, wie viel budgetiert wurde, wie viel aus­gegeben wurde. Wir kennen das ja, es ist ja auch bei der ÖVP nichts Neues, dass man versucht, über irgendwelche Vereine Konstruktionen zu schaffen.

Die Homepage des Herrn Bundesministers Blümel, der gerade nicht da ist, wird von einem Verein betrieben – kein Mensch weiß, wieso. Ich glaube, die Funktionäre dieses Vereins haben vor Kurzem einer Tageszeitung gegenüber gesagt, sie wissen eigentlich auch nicht, wieso es den Verein gibt, und werden sich das jetzt überlegen. Es ist also offensichtlich ein System, das hier geschaffen wurde.

Wir brauchen uns nur den EU-Wahlkampf anzuschauen: Zur Unterstützung Ihres Kan­didaten Lukas Mandl aus Niederösterreich wurde der Verein Vorzugsstimme Mandl ge­gründet. Dieser Verein hat jetzt seine Finanzen offengelegt: 40 000 Euro hat er einge­nommen. Spannend ist: Im Gesetz steht, dass man nur 15 000 Euro für seine eigene Vorzugsstimmenwahlkampagne verwenden darf und alles, was darüber ist, im Rechen­schaftsbericht der Partei ausgewiesen sein muss. (Zwischenbemerkung von Bundes­kanzler Kurz.) Ich bin sehr gespannt, ob das dann auch entsprechend drinnen steht. Es ist ein System.

Herr Bundeskanzler, es ist schön, dass Sie es dann ausweisen, aber wir erinnern uns auch noch an die 13 Millionen Euro. Generalsekretär Nehammer ist herausgegangen und hat gesagt: Wir haben da das Recht gebrochen, und das tut uns leid! – Ja, schön! Das Problem ist, dass diese Sanktionen so lächerlich gering sind, dass Sie das nach­her einfach aus der Portokasse, mit dem Steuergeld, das Sie bekommen, bezahlen. Das ist das Hauptproblem, dass es hier ein System gibt, das Sie aufgebaut haben. (Beifall bei den NEOS.) Es ist ein System, und wir wissen vieles noch gar nicht, etwa über welche anderen Vorfeldorganisationen, Bünde und Vereine, Sie sonst noch ir­gendetwas finanzieren.

Um auch gleich auf die FPÖ einzugehen: Herr – neuer – Bundesparteiobmann Hofer, als Sie in einem Interview auf die Forderung der Rechnungshofpräsidentin nach origi­nären Einsichtsrechten in die Parteifinanzen angesprochen wurden, haben Sie gesagt: Nein, das wollen wir nicht bei der FPÖ! Ich sage Ihnen etwas: Wenn jemand bei seinen eigenen Parteifinanzen nicht transparent ist und Angst vor dem Rechnungshof hat, dann hat er offensichtlich etwas zu verstecken; anders erklärt sich das gar nicht. (Bei­fall bei den NEOS.)

Wie übrigens die FPÖ tickt, und das fand ich fast noch beschämender als das Ibiza­video: Ihr ehemaliger Parteiobmann und der ehemalige Vizekanzler der Republik Ös­terreich, H.-C. Strache, hat in einem Video gesagt, dass diese Gedankenspiele keinem Politiker fremd seien. Gedankenspiele wie jene von H.-C. Strache, wie man Österreich verkauft, wie man öffentliche Aufträge als Gegenleistung für Zuwendungen vergibt, wie man Geld am Rechnungshof vorbeischleust, wie man bewusst das Gesetz missachtet und verletzt, diese Gedankenspiele sollen angeblich keinem Politiker fremd sein. Ich sage Ihnen etwas: Jedem vernünftigen Menschen in Österreich und anderswo sind sol­che Gedankenspiele fremd, und es sagt einiges über H.-C. Strache und auch über die FPÖ, wenn solche Dinge gesagt werden. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Schieder.)

Ich finde, dass es jetzt an der Zeit ist, dass es hundertprozentige Transparenz bei Par­teienfinanzen gibt. Herr Bundeskanzler, ich erwarte mir von Ihnen als ÖVP-Obmann auch, dass Sie Ihre Finanzen einmal offenlegen. Ich glaube, dass die Steuerzahlerin­nen und Steuerzahler das Recht haben, zu wissen, was mit dem Steuergeld passiert. Ich erwarte mir von allen hier im Haus vertretenen Parteien, dass es ganz logisch ist, dass es echte Einsichts- und Prüfungsrechte des Rechnungshofes in Parteifinanzen gibt. Das ist das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, und es gibt überhaupt keinen Grund dafür, dass das weiterhin im Dunkeln sein soll.

Ich glaube, wir müssen ernsthaft darüber reden und klarstellen – und das sage ich ins­besondere in Richtung ÖVP –, dass wir alle Vorfeldorganisationen, alle Vereine, die im Umkreis einer Partei sind, in die Rechenschaftsberichte hineinnehmen, damit solche Dinge in Zukunft in keinster Art und Weise noch einmal passieren können. Wir brau­chen einen Straftatbestand illegale Parteienfinanzierung. Ich glaube wirklich, dass es jetzt an der Zeit ist, dass wir das endlich hinkriegen und damit hoffentlich wieder das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik zurückbekommen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.15

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Peter Pilz zu Wort. – Bitte. (Abg. Hörl: Oje, oje! – Weitere Oje-Rufe bei der ÖVP.)