9.46

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Da­men und Herren! In der Medizin spricht man von einer Krise, wenn es zu einer dra­matischen Wende im Krankheitsverlauf eines Patienten oder einer Patientin kommt, und genau in solchen medizinischen Fällen kommt es auf Menschen an, auf Menschen in Gesundheitsberufen, die mit Empathie, ihrem Können, ihrer Expertise, ihrem Wissen richtig entscheiden. Es sind Menschen, die im richtigen Moment Verantwortung über­nehmen.

Ich möchte im Rahmen dieser Regierungserklärung die Gelegenheit nützen, heute hier etwas zu tun, das in der Politik viel zu selten Platz hat, nämlich Danke zu sagen. Wir alle wissen, aus dem Auseinanderbrechen der türkis-blauen Bundesregierung vor eini­gen Wochen entstand eine Regierungskrise in Österreich. Und wenn in so einer kriti­schen Situation, meine sehr geehrten Damen und Herren, niemand Verantwortung übernimmt, ist es oft nur ein sehr kleiner Schritt, bis sich diese Krise zu einer größeren auswächst, und deshalb braucht es – nicht nur in der Medizin, nicht nur im Bereich der Gesundheit, sondern auch in der Politik, und gerade dort – Menschen, die Verantwor­tung übernehmen, um die Krise zu überwinden und sie nicht zu verschärfen. (Abg. Haub­ner: ... SPÖ ...!)

Aus diesem Grund bin ich Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, wirklich sehr dankbar, dass Sie dieser großen Verantwortung für un­ser Land gerecht geworden sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, Frau Dr. Bierlein, Frau Bundeskanzlerin – eine Anrede, die mir übrigens sehr gut gefällt (Beifall bei der SPÖ) –, ich freue mich vor allem persönlich und von Herzen sehr, dass erstmals eine Frau an der Spitze der österreichischen Bundesre­gierung steht. Das ist ein historischer Tag für Österreich! (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)

Ja, Sie haben trotz aller Herausforderungen diese große Aufgabe übernommen, Sie haben Verantwortung im Sinne des Staatsganzen und der Menschen in unserem Land übernommen, und das gilt auch für jede Ministerin und jeden Minister heute hier auf der Regierungsbank. Das ist nicht selbstverständlich, und das verdient unser aller Respekt für Sie alle in dieser neuen Bundesregierung. Statt Inszenierung herrscht nun Sachlichkeit, statt Dialoglosigkeit steht endlich wieder das Gespräch im Mittelpunkt.

Es gab in den letzten Tagen, seit ungefähr einer Woche, sehr wertschätzende Gesprä­che mit allen Fraktionen – Sie haben es erwähnt. Es gab vor allem ein spürbares Be­mühen, für jetzt und die nächsten vier Monate gemeinsame Lösungen zu finden. Man sollte glauben, dass das eine Selbstverständlichkeit ist, dennoch ist es genau das, was wir als Abgeordnete dieses Hohen Hauses in den letzten 18 Monaten schmerzlich ver­misst haben.

Ich war immer der Meinung, dass genau in dieser Krise Österreichs eine unabhängige Expertenregierung der beste Weg ist, um Stabilität und Sicherheit wiederherzustellen. Ich kann Ihnen sagen, ich fühle mich heute hier mehr als bestätigt, dass diese Meinung und dieser Ansatz, den wir von Anfang an gehabt haben, der richtige war. (Beifall bei der SPÖ.)

Das bisher Gezeigte – und ich bin sicher, es wird so weitergehen – ist die beste Basis für die Arbeit in den kommenden Monaten. Ich verspreche Ihnen, meine Hand und die Hand der Sozialdemokratie ist ausgestreckt, um konstruktiv mit Ihnen zusammenzuar­beiten, um das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in die Politik wiederherzu­stellen. Wir können zeigen, dass wir im Dialog – gemeinsam – eine Meinung bilden und gemeinsam daran arbeiten, diese auch umzusetzen, damit das Leben der Öster­reicherinnen und Österreicher besser wird.

Wir Abgeordnete des Hohen Hauses, sehr geehrte Damen und Herren, sind gewählt worden, um zu arbeiten, nicht um vier Monate Stillstand zu haben. Wir nehmen diese Verantwortung mit allem Respekt den Österreicherinnen und Österreichern gegenüber wahr. Wir können mit sinnvollen und vernünftigen Gesetzesinitiativen, wie wir sie heute und in den nächsten Wochen diskutieren werden, auch das Vertrauen in die Politik zu­rückgewinnen und stärken.

Lassen Sie mich einige dieser Initiativen kurz ansprechen: Wir alle wissen, dass das Ibizavideo das Vertrauen in die Politik insgesamt schwer erschüttert hat. Da wird es neue Regeln brauchen, was die Parteientransparenz und die Parteienfinanzierung be­trifft.

In diesem Video war vieles zu sehen und zu hören, über einiges wurde berichtet, so auch über den möglichen Verkauf des österreichischen Trinkwassers. Auch wenn man jetzt lesen kann, dass das vielleicht nicht so gemeint war, wir wollen eines sicher­stellen: Unser Wasser darf nicht verkauft werden! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.) Um das zu garantieren, schlagen wir vor, den Schutz unseres Wassers in die Verfassung zu schreiben und damit die Privatisierung gesetzlich unmöglich zu machen.

Ein anderer Punkt: Wir alle wissen, dass 900 000 Menschen für den NichtraucherIn­nenschutz in Österreich unterschrieben haben. Was ist passiert? – Ihre Meinung wurde ignoriert. In den kommenden Wochen haben wir hier im Hohen Haus die Möglichkeit, für die Gesundheit der Menschen zu stimmen und nicht den kleinkarierten Abtausch der Interessen in den Vordergrund zu stellen. (Abg. Haubner: Wie soll das gehen?) Keine Mutter, kein Vater würde eine Sekunde zögern, wenn man sie fragt, ob ihr Kind in einer rauchfreien Umgebung aufwachsen soll oder nicht. Ich frage mich wirklich: Wa­rum tun sich manche Politiker und Politikerinnen mit dieser einfachen Frage so schwer? (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch wichtig, die freiwilligen Helferinnen und Helfer in Österreich, die täglich – und auch nächtens – Verantwortung übernehmen, zu stärken und zu unterstützen. Sie wissen, dass der Erfolg unseres Landes auch untrennbar mit dem freiwilligen Engage­ment von Millionen von Österreicherinnen und Österreichern verbunden ist. Hundert­tausende von ihnen sind Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die ihre Freizeit – jetzt gerade in Kärnten im Kampf gegen die Waldbrände –, ihren Urlaub bereitwillig zur Ver­fügung stellen, um diese notwendige freiwillige Arbeit zu leisten. Unterstützen wir sie, stärken wir dieses freiwillige Engagement und ermöglichen wir diesen Menschen eine Freistellung von fünf Tagen mit Entgeltfortzahlung! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ja, es ist möglich, arbeiten wir gemeinsam daran, das Vertrauen in die Politik in Österreich wiederherzustellen! Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen! Lassen Sie uns beweisen, dass Politik anders ist, als wir es im Ibizavideo gesehen haben! Das ist nicht nur unsere Pflicht, das ist unsere Verant­wortung.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ich wünsche Ihnen und Ihrer gesamten Bundesre­gierung viel Kraft, viel Freude und da und dort auch Heiterkeit bei Ihrer Arbeit. Ich freue mich von Herzen auf die kommenden Monate und auf unsere Zusammenarbeit. Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei JETZT. – Abg. Rendi-Wagner begibt sich zur Regierungsbank und reicht Bundeskanzlerin Bierlein die Hand.)

9.55

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Norbert Ho­fer. – Bitte.