9.55

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundeskanzlerin! Herr Vizekanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Unsere neue Bundeskanzlerin ist – ich glaube, das ist völlig unbestrit­ten – eine hoch angesehene Persönlichkeit. Sie ist fachlich sehr, sehr kompetent, wahrscheinlich – wenn ich an meine bisherige Teilhabe am politischen Leben zurück­denke – die kompetenteste Persönlichkeit an der Spitze einer Bundesregierung. (Abg. Rosenkranz: Richtig!)

Ich darf auch ihre soziale Kompetenz unterstreichen. Die Gespräche, die wir führen durften, waren von großer Zielorientiertheit geprägt. Es ist sehr rasch gelungen, Eini­gung zu erzielen, als es darum ging, eine Bundesregierung zu finden, die den Respekt des Hohen Hauses genießt, damit auch eine Mehrheit sichergestellt ist.

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, Sie wollen keine Inszenierung, Sie wollen Fachkompetenz in den Vordergrund stellen. Oliver Hassencamp hat einmal gesagt: „Wer ein Theater füllen will, bedient sich der Dramaturgie. Um es zu leeren, genügt Ideologie.“ Ich glaube aber, dass wir das so nicht im Raum stehen lassen dürfen, denn Ideologie ist doch das, was dieses Haus ausmacht. Verschiedene Parteien, verschie­dene weltanschauliche Ansichten und auch das Verständnis für weltanschauliche Ansichten einer anderen Partei – das macht die Demokratie in diesem Haus aus. Da­her glaube ich, dass wir die Ideologie als Leuchtturm unseres Handelns immer brau­chen. Auch wenn in der Politik die Frage der Inszenierung natürlich bis zu einem ge­wissen Grad eine Rolle spielt – ich bin nicht der Meinung von Herrn Kern, der sagt, dass sie fast 100 Prozent ausmacht –, denke ich, dass man die Sachpolitik stark in den Vordergrund stellen muss. Die Inszenierung, die Show, das Schauspiel, taktische Überlegungen – das alles steht bei uns, glaube ich, zu stark im Vordergrund. Ich habe den Eindruck, dass von vielen sehr gerne Machiavelli gelesen wird; ich würde Hesse empfehlen, das macht das Leben wesentlich leichter.

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben Verlässlichkeit, Vertrauen, Stabilität, Sicherheit und Menschlichkeit angesprochen. Glaubwürdigkeit, Aufrichtigkeit und Verlässlichkeit sind in der Opposition und in der Regierung wichtig. Wir haben uns daher dazu entschlos­sen, einmal beschlossene Gesetze nicht rückgängig zu machen. Die bisherigen Koali­tionsparteien haben die Beschlüsse, die gefasst wurden, ja durch ihre Rednerinnen und Redner hier am Rednerpult wortreich verteidigt und die Vorteile aller neuen Be­schlüsse unterstrichen. Das betrifft auch die Raucherregelung, meine Damen und Her­ren.

Es ist völlig unbestritten, dass Rauchen ungesund ist, dass Rauchen tötet. Wir haben aber gemeinsam eine Regelung beschlossen, die sicherstellt, dass der Jugendschutz ausgebaut wird, die sicherstellt, dass Wirte – die auch selbst in ihr Unternehmen in­vestieren – die Wahlfreiheit haben, das Lokal als Raucher- oder als Nichtraucherlokal zu führen; wenn es als Raucherlokal geführt wird, dann mit getrennten Bereichen und mit entsprechenden Entlüftungsanlagen. – Das alles haben wir hier wortreich verteidigt.

Ich habe den Eindruck, dass es da ein hohes Maß an Unaufrichtigkeit gibt. Denken Sie etwa nur an die Aussage des Präsidenten der Wirtschaftskammer, der sagt: Wenn die jetzige Regelung fallen sollte, dann müssen den Gastronomen, den Wirtinnen und den Wirten alle Investitionen, die bisher getätigt wurden, zurückbezahlt werden – sowohl je­ne für bauliche Investitionen in Raucher- und Nichtraucherbereiche als auch jene für Entlüftungsanlagen.

Es sagt uns der Klubobmann der ÖVP heute: keine Beschlüsse, die zu hohen Ausga­ben führen! – Ist Ihnen bewusst, in welchem Ausmaß das Budget belastet wird, wenn Sie die bisherige Raucherregelung zu Fall bringen und wenn dann jedem Gastronomen die Investitionen rückerstattet werden sollen? Vielleicht kann heute noch jemand sa­gen, was das den Herrn Finanzminister wirklich kosten würde. Ich bin gespannt, wie Sie dann abstimmen, wenn es tatsächlich um diesen Punkt geht, und ob der Herr Prä­sident der Wirtschaftskammer ungehört bleibt oder nicht.

Sie werfen uns vor, eine Koalition mit der SPÖ eingegangen zu sein. Nun, ich darf un­terstreichen, dass wir bei der Frage des Raucherschutzes eine ähnliche – ich will nicht Unaufrichtigkeit sagen –, eine nicht stringente Vorgangsweise der SPÖ erkennen. Den­ken Sie an das Donauinselfest: Das Donauinselfest ist eine erfolgreiche Veranstaltung der SPÖ mit vielen Besuchern, vielen begeisterten Menschen. Es gibt eine Gastrono­menfibel für das Donauinselfest, und in dieser Fibel steht: „ACHTUNG!!! Jeder Ver­kaufsstand muss sämtliche unten angeführte Produkte aus dem Haus BAT (British American Tobacco) zum Verkauf anbieten und diese in ausreichender Menge lagernd haben.“ – Man sieht hier unten dann verschiedene Zigarettenpackungen, die dort ver­kauft werden müssen. „Davon ausgenommen sind Gastrooutlets im Bereich der Kin­derfreunde“ – wenigstens das ist sichergestellt. „Der Verkaufspreis aller Ta­bak-/Nikotinprodukte muss mindestens 10 % über dem handelsübli­chen Trafiksverkaufspreis liegen! empfohlener Preis € 6,-“ (Ah-Rufe bei der FPÖ.)

Wissen Sie, wenn Ihnen der Nichtraucherschutz ein echtes Anliegen ist, dann möchte ich Sie bitten, da noch eine Änderung durchzuführen und die Gastronomen nicht zu zwingen, Zigaretten zu verkaufen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kommen wir aber noch einmal zum Vorwurf, es gäbe eine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ: Es gibt so eine Koalition auf Bundesebene nicht, und das zu behaupten wäre ein Teil eines nicht sauberen Wahlkampfs. (Zwischenruf des Abg. Nehammer.) Es gibt ein freies Spiel der Kräfte mit dem Willen aller Mandatare im Haus, keine unvernünftigen Beschlüsse zu fassen und Dinge zu beschließen, die im Budget nicht dargestellt wer­den können, die uns in den nächsten Jahren große Probleme bereiten. Das, was wir in Verhandlungen bereits im Budget abbilden konnten, können wir aber auch gemeinsam beschließen.

Eines möchte ich noch richtigstellen, weil hier vom Rednerpult aus wieder gesagt wor­den ist, die Koalition sei aufgrund eines Videos gescheitert, das dazu geführt hat, dass die Person, die im Video zu sehen war, zurückgetreten ist – beide Personen; der Vi­zekanzler ist zurückgetreten –: Es ging längst nicht um das Video, es ging um das In­nenministerium. Ich kann das nicht oft genug unterstreichen.

Es ging um die Frage: Wer führt das Innenministerium? Und als Grund wurde ange­führt: Es kann kein Freiheitlicher das Innenministerium führen, wenn möglicherweise gegen die FPÖ ermittelt wird. – Gegen den ehemaligen Innenminister wird nicht ermit­telt; es gibt diese Ermittlungen nicht. Was wäre aber, wenn jetzt zum Beispiel die Staatsanwaltschaft bei Vereinen aktiv werden würde, die die ÖVP betreffen? (Abg. Jarolim: Was ist mit dem Herrn Kloibmüller?) Könnte das passieren? Ich habe den Eindruck, so etwas ist in Vorbereitung. Was hätte man dann mit einem Innenminister der ÖVP gemacht? Hätte der dann auch gehen müssen? Oder wie war das unter Strasser? (Beifall bei der FPÖ.) Als Strasser seine bekannten Probleme bekommen hat, gab es einen schwarzen Innenminister und einen ÖVP-Justizminister.

Diese Argumentation war nicht nachvollziehbar. Die Koalition ist am Innenministerium gescheitert, meine sehr verehrten Damen und Herren, alles andere ist unwahr. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sagen betreffend Wahltermin, es sei eine falsche Entscheidung, am 29. September zu wählen, weil es einen zu langen Wahlkampf geben würde. – Es ist nur eine einzige Partei in den Wahlkampf gestartet, und das ist die ÖVP (Heiterkeit bei Abgeordneten von FPÖ und SPÖ), sonst noch niemand. Das ist die einzige Partei. (Beifall und Bra­vorufe bei der FPÖ.) Wir werden einen sehr kurzen Wahlkampf führen, einen sehr fai­ren Wahlkampf, im September, weil wir der festen Überzeugung sind, dass die meisten Österreicherinnen und Österreicher in der Urlaubszeit von Wahlkampf nichts hören wollen, sondern mit der Familie die Sommerzeit in Ruhe genießen wollen; daher haben wir den Termin Ende September ausgewählt, meine Damen und Herren.

Die ÖVP hat Koalitionen mit der SPÖ, mit der FPÖ, mit den Grünen, mit den NEOS, und ich finde, das ist in einer Demokratie in Ordnung. Ich glaube, man sollte jetzt auch nicht vor allen möglichen Koalitionen warnen. Man kann auch nicht sagen: Jede Koa­lition, bei der die ÖVP nicht dabei ist, ist schlecht. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Aus unserer Sicht schon!) Das wäre nicht im Sinne unserer Verfassung, würde ich einmal sagen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Höbart: Das wäre mal schön ...!)

Man muss natürlich ehrlich sagen, was Koalitionen bedeuten. Jeder hat gewusst, in ei­ner Koalition zwischen Türkis und der FPÖ wird das Regierungsprogramm mit den ein­zelnen Punkten abgearbeitet. Man muss auch sagen, was zum Beispiel eine Koalition der ÖVP mit den Grünen bedeuten würde, welche Inhalte dann vertreten werden – in der Zuwanderungspolitik, in der Asylpolitik, in der Frage der Belastungspolitik für Auto­fahrer; auch das muss man vorher ehrlich sagen –, oder eine Koalition mit den NEOS, die eine dankenswerterweise sehr liberale Weltanschauung haben, aber bei den Pen­sionen natürlich sagen: Der Staat kann sich die Pensionen in dieser Form nicht mehr leisten, das heißt, es muss Kürzungen geben! (Abg. Meinl-Reisinger: Was?! Entschul­digung?! Hallo?!) Man muss es nur vorher auch ehrlich sagen, was welche Koalition bedeutet, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin daher der Meinung, der Weg hat nicht erst begonnen. Der Weg begann mit der Erarbeitung eines gemeinsamen Regierungsprogrammes. Dieses Programm war der Weg. Der Weg ist noch da, aber man marschiert jetzt offenbar in die entgegengesetzte Richtung, und noch dazu geht man ganz am linken Wegesrand. Das halte ich für einen Fehler.

Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, wünsche ich für die verantwortungsvolle Aufgabe alles Gute. Herr Vizekanzler, bewahren Sie sich Ihre Heiterkeit, es macht die Bürde des Am­tes auch tatsächlich leichter. Ich wünsche Ihnen und allen Mitgliedern der Bundesregie­rung alles Gute.

Eine Bitte habe ich an den Bundesminister für Landesverteidigung: die Frage der Schließung der Heeressicherheitsschule zu überdenken, weil ich glaube, dass man jungen Menschen damit eine Chance nimmt. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

Uns allen, meine Damen und Herren, wünsche ich insgesamt mehr Inhalte und weni­ger Dramaturgie. Wir hatten davon in den letzten Wochen genug. – Besten Dank. (Bei­fall bei der FPÖ sowie des Abg. Dönmez.)

10.07

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Meinl-Reisin­ger. – Bitte schön.