10.27

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­deskanzlerin! Herr Vizekanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wir sind in einer au­ßergewöhnlichen Situation – ich möchte allen recht geben, die das so behaupten, sie ist wirklich außergewöhnlich –; aber wir müssen schon hinterfragen, wie wir in diese Situation gekommen sind, und mit diesen ÖVP-Propagandamythen aufräumen, die ge­bracht werden, wenn es darum geht, warum wir jetzt da sind.

Ja, es gab dieses Video. Dieses Video hat gezeigt, wes Geistes Kind manche Politike­rinnen und Politiker sein mögen. Es gab aber auch den ÖVP-Obmann – der sich üb­rigens, und ich frage Sie, wie Sie damit umgehen, zu gut dafür ist, hier in diesem Haus zu arbeiten, geschätzte Damen und Herren –, es gab also auch den ÖVP-Obmann, der innerhalb von 17 Monaten zweimal eine Regierung an die Wand gefahren hat, der Dia­loglosigkeit zum Prinzip gemacht hat, der sich zu gut dafür war, für Vertrauen zu wer­ben, der versucht hat, mit 31 Prozent eine ÖVP-Alleinregierung einzurichten. Wer trägt also die Verantwortung dafür?, frage ich Sie. Wer trägt die Verantwortung für diese Neuwahlen? – Das waren Sie und Ihr Parteiobmann, geschätzte Damen und Herren von der ÖVP! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es war eine Mehrheit der vom Volk gewählten Abgeordneten – vom Volk gewählt, Ver­treter des Volkes –, die darauf im Namen ihrer Wählerinnen und Wähler die richtige Antwort gegeben hat, nämlich dieser Alleinregierung – mit 31 Prozent – das Misstrauen auszusprechen. Das war die richtige Antwort auf das, was Sie gemacht haben, ge­schätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zanger.)

Und jetzt sind wir in einer neuen Phase, einer interessanten Phase. Ja, die Frau Bun­deskanzlerin hat in ihrer Rede zu Recht angemerkt: Dieses Haus hier, der österreichi­sche Nationalrat, ist das Zentrum der Demokratie in Österreich.

Und alle, die jetzt vor dieser Situation Angst haben, frage ich: Warum haben Sie Angst vor dieser Situation? Es ist doch das Schönste für Abgeordnete, frei für Ideen werben zu können, frei Kompromisse schließen zu können, freie Mehrheiten zu suchen. Das ist doch das Wesen des Parlamentarismus! Was gibt es denn für einen Grund, davor Angst zu haben? Wovor fürchten Sie sich? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren, auch der Wahltermin war solch ein Kompromiss: Die ÖVP wollte den 15. September, die Liste JETZT wollte einen späteren Termin – der Kompromiss ist der 29. September. Das ist das Wesen des Kompromisses, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Österreicherinnen und Österreicher erwarten sich allerdings aus gutem Grund nun nicht Stillstand, nicht Blockade – das gilt genauso für diese Übergangsphase –, sie er­warten sich sinnvolle Beschlüsse, von denen Österreich profitiert. Sie haben beispiels­weise in der Hand, was jetzt mit dem Rauchverbot passiert. Was ist damit, ÖVP? Gilt das Wort des Bundeskanzlers? – Das können Sie jetzt mit Ihrem Abstimmungsver­halten beweisen. Gilt das Wort des ÖVP-Parteiobmanns, dass Sie zustimmen? – Zei­gen Sie es heute! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Geschätzte Damen und Herren! Genauso verhält es sich mit dem Wasser. Wasser ist ein Menschenrecht, und wir müssen alles dagegen tun, dass große Konzerne vom Trinkwasser in unserem Land profitieren und es den Österreicherinnen und Österrei­chern nicht mehr zur Verfügung steht. (Abg. Schimanek: Na, das glaube ich nicht, das glaube ich nicht, dass Wasser ein Menschenrecht ist! Ich glaube viel, aber das glaube ich nicht!) Warum verlangen wir diesen Privatisierungsstopp? – Wir verlangen ihn, weil Sie bereits damit angefangen haben. Was tun die Bundesforste unter Ihrer Verantwor­tung? – Sie beginnen bereits, Wasser zu verscherbeln, geschätzte Damen und Herren (Zwischenruf der Abg. Winzig), deshalb braucht es diesen Privatisierungsstopp für Trinkwasser. (Beifall bei der SPÖ.)

Genauso wichtig ist es aber, dass Menschen in Österreich wieder zu guten Bedin­gungen wohnen können, dass Wohnen wieder leistbar ist. Jeder hat das Recht auf leistbares Wohnen. In der Zeit Ihrer Regierung, in der Zeit der ÖVP-FPÖ-Koalition, in den letzten 17 Monaten, sind gerade die Mieten enorm gestiegen. (Abg. Rosenkranz: Vor allem in Wien!) Da braucht es auch Mut und Verantwortung, diese Situation zu ei­nem Besseren zu wenden. Nützen wir diese Zeit, damit Menschen wieder vernünftig, zu guten Preisen, in guter Qualität wohnen können – egal ob auf dem Land oder in der Stadt! Geschätzte Damen und Herren, auch das ist etwas, was wir jetzt in Angriff neh­men können, wo es diese Mehrheiten gibt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Geschätzte Damen und Herren! Es geht auch um die 3,6 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land, die in den letzten 17 Monaten in Ihrer politischen Umset­zung keinerlei Gewicht gehabt haben. (Abg. Winzig: Bei der Entlastung der Einkom­men, Familienbonus! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es wird Zeit, dass wieder für jene Menschen, die in der Früh aufstehen und hart arbeiten, Politik gemacht wird (Beifall und Zwischenrufe bei der ÖVP) – und nicht für die, die ihr Geld für sich arbeiten lassen (Zwischenruf des Abg. Gerstl), wie Sie das in den letzten 17 Monaten gemacht haben, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der Österreichischen Volkspartei! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strasser: Das haben Sie aus unserem Parteiprogramm! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Phase des Parlamentarismus in Österreich. Wir sind in einer Phase, in der es Chancen und Möglichkeiten gibt, das Leben der Menschen zu verbessern. Wir sind in einer Zeit, in der wir hier im Hohen Haus hart dafür arbeiten können. Das bedarf aber zweierlei: Das bedarf Verantwortungsbewusstseins und das bedarf Muts – und das wünsche ich die­sem Hohen Haus für die nächsten Monate. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf bei der ÖVP.)

10.33

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klubob­mann Rosenkranz. – Bitte.