15.29

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Sehr ge­ehrte Herren Volksanwälte! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Zuerst möchte ich Ihnen sehr für Ihre Arbeit danken, Ihnen und Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die ich kennenlernen durfte und schätze.

Ich möchte für den Bericht danken, den wir dieses Jahr bekommen haben, auch des­wegen, weil er durch die Bilder von den Polizeieinsätzen am 31. Mai wieder besondere Relevanz und Aktualität bekommen hat.

Was ist geschehen? – Wir haben die Bilder von diesen zwei Einsätzen gesehen. In ei­ner Mediendemokratie kommt es dann dazu, dass sich gefühlte 1 000 ExpertInnen für die Anwendung von Befehls- und Zwangsgewalt äußern und dazu Position beziehen. Es gab viel Emotion, es gab viel Vorverurteilung, aber auch Persilscheinausstellung auf der anderen Seite.

Um das einmal klarzumachen: Worin sind wir uns alle einig? – Ich denke, wir sind uns einig, dass Polizistinnen und Polizisten in unserem Land jeden Tag eine gefährliche und herausfordernde Arbeit für unsere Sicherheit ausüben, und dafür gilt es, Ihnen zu danken. Wir sind uns aber auch einig, dass Polizistinnen und Polizisten Menschen sind und daher Fehler machen können. Dass es da Konsequenzen geben muss, ist meine Überzeugung. Warum? – Für die redlichen Polizistinnen und Polizisten, deren Ruf sonst insgesamt leidet, für das Vertrauen, das die Bevölkerung in unseren Sicherheits­apparat haben kann, und für die Opfer von wirklich unverhältnismäßiger Anwendung von Zwangsgewalt.

Die Polizei hat in diesen Fällen wieder unabhängige und schnelle Ermittlungen ver­sprochen. Die gibt es aber in Österreich nicht, denn zuerst, in den ersten 24 Stunden, ermittelt die Polizei gegen sich selbst, das Referat Besondere Ermittlungen: also ab­hängig, aber schnell. Danach kommt die Staatsanwaltschaft: unabhängig, aber lang­sam und angewiesen auf die Beweise, die die Polizei davor gegen sich selbst gesichert hat. Wir haben also keine unabhängigen und schnellen Ermittlungen. Das hat die Volksanwaltschaft in ihrem letzten Bericht aufgegriffen. Sie meint, dass aus ihrer Sicht nach wie vor eine unabhängige Ermittlungsstelle für Misshandlungsvorwürfe außerhalb des BMI einzurichten wäre, in der unabhängige Expertinnen und Experten gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Ermittlungen durchführen. In diesem Sinne bringe ich zwei Entschließungsanträge ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unab­hängige Untersuchungsstelle in Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat ehestbald einen Gesetzesvor­schlag zuzuleiten, der die Stärkung der Effizienz und Unabhängigkeit der Ermittlungen in Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt zum Ziel hat. Insbesondere wird angeregt, eine unabhängige Ermittlungsstelle einzurichten.“

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Weiters bringe ich den Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Son­derzuständigkeiten bei der Staatsanwaltschaft in Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat ehestbald einen Gesetzesvor­schlag zuzuleiten, der die Stärkung der Effizienz und Unabhängigkeit der Ermittlungen in Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt zum Ziel hat. Insbesondere wird angeregt, eine Sonderzuständigkeit bei den Staatsanwaltschaften einzurichten.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und JETZT.)

15.32

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Unabhängige Untersuchungsstelle in Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt

eingebracht im Zuge der Debatte in der 80. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 42. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jän­ner bis 31. Dezember 2018) (III-240/628 d.B.) – TOP 5

Die österreichischen Polizistinnen und Polizisten erfüllen für unsere Gesellschaft und unser Land eine schwierige, herausfordernde und höchst verantwortungsvolle Aufga­be. Der österreichische Nationalrat hat ein großes Vertrauen in die Integrität der öster­reichischen Polizistinnen und Polizisten.

Über Fälle, in denen Polizeigewalt mutmaßlich unverhältnismäßig oder gar unrechtmä­ßig angewandt wird, muss gesprochen werden und diese Fälle müssen rasch, effizient und unabhängig aufgeklärt werden.

Dies ist für alle Beteiligten wichtig:

- Für die betroffene Menschen, die in eine Amtshandlung involviert waren.

- Für die betroffenen Beamtinnen und Beamte, die an der Amtshandlung beteiligt wa­ren.

- Für die österreichische Bevölkerung und das allgemeine Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Sicherheitsbehörden.

Die im Jahr 2018 veröffentlichte Studie des Austrian Center for Law Enforcement Sciences (ALES) des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien über den Umgang mit Misshandlungsvorwürfen gegen Exekutivbeamte zeigte, dass es im Beobachtungszeitraum bei über 700 BeschwerdeführerInnen gar keine strafrechtlichen Verurteilungen und kaum disziplinarrechtliche Konsequenzen von mutmaßlichen Fällen von Polizeigewalt gab.

Schon seit mehreren Jahren üben internationale und nationale Organisationen sowie Expertinnen und Experten aus dem Menschenrechtsbereich Kritik am derzeitigen Sys­tem der Untersuchung von Vorwürfen polizeilicher Misshandlung. Daran schließt sich auch eine Kritik an der generellen Folgenlosigkeit bei Beschwerden über polizeiliches Verhalten an. In manchen der wenigen medial kolportierten Fälle wurde bekannt, dass bei Fehlverhalten der Polizei disziplinarrechtliche Folgen ausblieben - selbst bei ge­richtlichen Verurteilungen.

Im jüngsten Bericht zu seinem Besuch in Österreich von 22.9.-1.10.2014 veröffentlichte das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedri­gender Behandlung oder Strafe des Europarates (CPT) die Zahlen, dass während des Zeitraums von 2010 bis 2013 1394 Anschuldigungen wegen Folter oder Misshandlung durch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte vorgebracht, aber diese nur zu zwei Verur­teilungen führten. Das CPT führt in der Folge aus (Para 20):

“[O]n the basis of the information gathered by the delegation during the visit and the relevant case-law of the European Court of Human Rights, the CPT has some doubts as to whether investigations carried out by investigators of the BAK – and even more so those carried out by criminal police officers of the regional police headquarters – against other police officers can be seen to be fully independent and impartial.”

Auch das UNO-Menschenrechtskomitee führt in seinen abschließenden Beobachtun­gen im fünften periodischen Bericht zu Österreich (angenommen in seiner 115. Sit­zung, 19.10.-6.11.2015, para 21-22) aus:

“The Committee is concerned at the low number of criminal convictions for the per­petrators of ill-treatment of detainees in police custody compared with the relatively high number of allegations. The Committee also remains concerned about the leniency of the sentences imposed in cases of ill-treatment of detainees by law enforcement officials […]. The State party should undertake an independent investigation into the reasons underlying the discrepancy between the low number of criminal convictions for ill-treatment in police custody and the relatively high number of allegations. It should also ensure prompt, thorough and impartial investigations and documentation, in ac­cordance with the Istanbul Protocol, into all allegations of torture and ill-treatment. Perpetrators prosecuted and convicted should be subjected to sanctions commen­surate with the gravity of their acts, and victims provided with effective remedies. The State party should also collect and make public information on the number and nature of reported incidents of torture and ill-treatment of detainees, disaggregated by age, gender and ethnic origin of victims, as well as on the convictions and types of sen­tences/sanctions imposed on perpetrators of such acts.”

Auch die österreichische Volksanwaltschaft legt seit mehreren Jahren einen beson­deren Fokus auf den Umgang der Polizei bzw. des BMI mit Misshandlungsvorwürfen, die gegen Exekutivbedienstete erhoben werden. Sie kritisiert, dass in den wenigsten Fällen, die der StA gemeldet werden, Anklage gegen Exekutivbedienstete erhoben oder diese gar verurteilt würden. Die Volksanwaltschaft fasst die Situation im jüngsten Jahresbericht 2018 wie folgt zusammen:

"Aufgrund der bestehenden Gesetzeslage überprüfen Exekutivorgane weiterhin Vor­würfe gegen ihre Kolleginnen und Kollegen. Auch wenn diese am Vorfall nicht beteiligt bzw. nicht befangen waren, wäre aus Sicht der VA nach wie vor eine unabhängige Er­mittlungsstelle für Misshandlungsvorwürfe außerhalb des BMI, in der unabhängige Ex­pertinnen und Experten (...) gemeinsam mit der StA Ermittlungen durchführen, die bes­te Lösung. Dafür müsste der Gesetzgeber allerdings die rechtlichen Rahmenbedingun­gen schaffen."

Für Österreich erscheint die Einrichtung einer unabhängigen Ermittlungsstelle in Ver­bindung sinnvoll, weil dies die Effizienz und Unabhängigkeit der Aufklärung von Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt erheblich stärken würde.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat ehestbald einen Gesetzesvor­schlag zuzuleiten, der die Stärkung der Effizienz und Unabhängigkeit der Ermittlungen in Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt zum Ziel hat. Insbesondere wird angeregt, eine unabhängige Ermittlungsstelle einzurichten."

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Sonderzuständigkeiten bei der Staatsanwaltschaft in Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt

eingebracht im Zuge der Debatte in der 80. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 42. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jän­ner bis 31. Dezember 2018) (III-240/628 d.B.) – TOP 5

Die österreichischen Polizistinnen und Polizisten erfüllen für unsere Gesellschaft und unser Land eine schwierige, herausfordernde und höchst verantwortungsvolle Aufga­be. Der österreichische Nationalrat hat ein großes Vertrauen in die Integrität der öster­reichischen Polizistinnen und Polizisten.

Über Fälle, in denen Polizeigewalt mutmaßlich unverhältnismäßig oder gar unrechtmä­ßig angewandt wird, muss gesprochen werden und diese Fälle müssen rasch, effizient und unabhängig aufgeklärt werden.

Dies ist für alle Beteiligten wichtig:

- Für die betroffene Menschen, die in eine Amtshandlung involviert waren.

- Für die betroffenen Beamtinnen und Beamte, die an der Amtshandlung beteiligt wa­ren.

- Für die österreichische Bevölkerung und das allgemeine Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Sicherheitsbehörden.

Die im Jahr 2018 veröffentlichte Studie des Austrian Center for Law Enforcement Sciences (ALES) des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien über den Umgang mit Misshandlungsvorwürfen gegen Exekutivbeamtinnen und Exekutivbe­amten zeigte, dass es im Beobachtungszeitraum bei über 700 BeschwerdeführerInnen gar keine strafrechtlichen Verurteilungen und kaum disziplinarrechtliche Konsequenzen von mutmaßlichen Fällen von Polizeigewalt gab.

Schon seit mehreren Jahren üben internationale und nationale Organisationen sowie Expertinnen und Experten aus dem Menschenrechtsbereich Kritik am derzeitigen System der Untersuchung von Vorwürfen polizeilicher Misshandlung. Daran schließt sich auch eine Kritik an der generellen Folgenlosigkeit bei Beschwerden über polizeili­ches Verhalten an. In manchen der wenigen medial kolportierten Fälle wurde bekannt, dass bei Fehlverhalten der Polizei disziplinarrechtliche Folgen ausblieben - selbst bei gerichtlichen Verurteilungen.

Im jüngsten Bericht zu seinem Besuch in Österreich von 22.9.-1.10.2014 veröffentlichte das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder ernied­rigender Behandlung oder Strafe des Europarates (CPT) die Zahlen, dass während des Zeitraums von 2010 bis 2013 1394 Anschuldigungen wegen Folter oder Misshand­lung durch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte vorgebracht, aber diese nur zu zwei Verurteilungen führten. Das CPT führt in der Folge aus (Para 20):

“[O]n the basis of the information gathered by the delegation during the visit and the relevant case-law of the European Court of Human Rights, the CPT has some doubts as to whether investigations carried out by investigators of the BAK – and even more so those carried out by criminal police officers of the regional police headquarters – against other police officers can be seen to be fully independent and impartial.”

Auch das UNO-Menschenrechtskomitee führt in seinen abschließenden Beobachtun­gen im fünften periodischen Bericht zu Österreich (angenommen in seiner 115. Sit­zung, 19.10.-6.11.2015, para 21-22) aus:

“The Committee is concerned at the low number of criminal convictions for the per­petrators of ill-treatment of detainees in police custody compared with the relatively high number of allegations. The Committee also remains concerned about the leniency of the sentences imposed in cases of ill-treatment of detainees by law enforcement officials […]. The State party should undertake an independent investigation into the reasons underlying the discrepancy between the low number of criminal convictions for ill-treatment in police custody and the relatively high number of allegations. It should also ensure prompt, thorough and impartial investigations and documentation, in ac­cordance with the Istanbul Protocol, into all allegations of torture and ill-treatment. Per­petrators prosecuted and convicted should be subjected to sanctions commensurate with the gravity of their acts, and victims provided with effective remedies. The State party should also collect and make public information on the number and nature of reported incidents of torture and ill-treatment of detainees, disaggregated by age, gender and ethnic origin of victims, as well as on the convictions and types of sen­tences/sanctions imposed on perpetrators of such acts.”

Auch die österreichische Volksanwaltschaft legt seit mehreren Jahren einen besonde­ren Fokus auf den Umgang der Polizei bzw. des BMI mit Misshandlungsvorwürfen, die gegen Exekutivbedienstete erhoben werden. Sie kritisiert, dass in den wenigsten Fäl­len, die der StA gemeldet werden, Anklage gegen Exekutivbedienstete erhoben oder diese gar verurteilt würden. Die Volksanwaltschaft fasst die Situation im jüngsten Jah­resbericht 2018 wie folgt zusammen:

"Aufgrund der bestehenden Gesetzeslage überprüfen Exekutivorgane weiterhin Vor­würfe gegen ihre Kolleginnen und Kollegen. Auch wenn diese am Vorfall nicht beteiligt bzw. nicht befangen waren, wäre aus Sicht der VA nach wie vor eine unabhängige Er­mittlungsstelle für Misshandlungsvorwürfe außerhalb des BMI, in der unabhängige Ex­pertinnen und Experten (...) gemeinsam mit der StA Ermittlungen durchführen, die bes­te Lösung. Dafür müsste der Gesetzgeber allerdings die rechtlichen Rahmenbedin­gungen schaffen."

Für Österreich erscheint somit die Kombination einer unabhängigen Ermittlungsstelle in Verbindung mit auf das Thema spezialisierten Staatsanwältinnen und Staatsanwälten sinnvoll, weil dies die Effizienz und Unabhängigkeit der Aufklärung von Fällen mutmaß­licher Polizeigewalt erheblich stärken würde.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat ehestbald einen Gesetzesvor­schlag zuzuleiten, der die Stärkung der Effizienz und Unabhängigkeit der Ermittlungen in Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt zum Ziel hat. Insbesondere wird angeregt, eine Sonderzuständigkeit bei den Staatsanwaltschaften einzurichten."

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Beide Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und stehen somit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kugler. – Bitte.