10.37

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn man die schrecklichen Bürgerkriegsbilder aus Syrien sieht, von den permanenten Terroran­schläge im Irak, den Attacken in manchen afrikanischen Staaten gegen Kinder, gegen Frauen, gegen Menschen, die einen anderen Glauben haben, hört, kommen Fragen auf: Was bedeutet Menschenwürde eigentlich? Wie steht es um die Rechte des menschlichen Individuums? Was ist ein Menschenleben überhaupt wert?

Man erkennt, dass in diesen Regionen ein Menschenleben offensichtlich nicht sehr viel wert ist, man erkennt, dass diese Rechte im Rest der Welt leider überhaupt nicht garantiert sind, aber auch in Europa oft in Gefahr sind. Gerade im Lichte dessen ist es positiv, dass das Jubiläum 70 Jahre Europarat hier begangen wird, dass man nicht nur zurückblickt, sondern auch nach vorne schaut.

Ich finde, wenn vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg – nach den verheerenden Auswirkungen, nach dem Treten mit Füßen der Rechte der Menschen, der Men­schen­würde, nach der Missachtung des menschlichen Individuums – ein Zusammenschluss organisiert wurde, mit dem Ziel, alte Feindschaften zu begraben, neue Feindschaften zu verhindern und gemeinsame europäische Ideale zu fördern, so ist das schon ein sehr positives Fazit und ein positiver Anlass, zurückzublicken, denn da war der Euro­parat sehr erfolgreich.

Der Europarat ist älter als alle europäischen Vorläuferorganisationen. Die bereits er­wähnte Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl wurde zwei Jahre später gegründet, die Nato ist gleich alt, ist aber kein europäisches, sondern ein atlantisches Bündnis.

Ich finde, dass auch der Sitz des Europarates mit Straßburg ein sehr symbolträchtiger ist, mit einer Stadt, die meines Wissens sechs Mal zwischen Deutschland und Frank­reich gewechselt hat, also einer heiß umkämpften Stadt, wo Friede und Freiheit gesichert wurden.

Ich halte es für sehr positiv, dass im Europarat alle Staaten Europas und, wie bereits erwähnt, auch andere Länder wie Russland oder die Türkei organisiert sind, damit man gemeinsam Dinge bespricht. Frau Präsidentin – Sie haben es angesprochen –: Der zentrale Punkt bei all den Dingen ist die Gesprächsbereitschaft, der Dialog, permanent mit den Staaten im Gespräch zu sein, um Fortschritte zu erzielen.

Ich finde, dass die Mission des Europarates in den Kernbereichen heute so aktuell ist wie damals, nämlich Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit auf dem Territorium des Europarates abzusichern und auch darüber hinaus zu wirken. Es sind ja auch andere Themenfelder, die bearbeitet werden: das Soziale, der wirtschaftliche Fortschritt, das kulturelle Zusammenleben, die Zusammenarbeit, aber auch die Ver­bes­serung der kommunalen Selbstverwaltung.

Die Europäische Menschenrechtskonvention ist ein Europaratsvertrag, und der Straß­burger Menschenrechtsgerichtshof, an den sich jede Bürgerin, jeder Bürger wenden kann und dessen Entscheidungen auch verbindlich sind und daher sehr positive Aus­wirkungen für menschenrechtliches Wirken darstellen, sind von zentraler Bedeutung.

Es ist erfreulich, dass daran Österreicher wie (in Richtung Galerie blickend) Walter Schwimmer – er wurde bereits erwähnt – und andere Persönlichkeiten mitgewirkt haben, die in diesem Kreis verankert sind.

Heutzutage wird die politische Einigung Europas von der Europäischen Union voran­getrieben. Natürlich gibt es manche, die sich fragen: Wozu brauchen wir den Europarat überhaupt noch? Worin besteht der Mehrwert?

Ich finde, dass man von einer Erfolgsgeschichte sprechen kann, aber natürlich hinter­fragen ihn manche kritisch, wenn es auch in den Mitgliedstaaten zu einem Abbau von Demokratie, von Rechtsstaatlichkeit kommt, wenn Menschenrechte nicht in dem Aus­maß gesichert sind, wie es wünschenswert wäre, wenn vielleicht auch die Presse­freiheit nicht gesichert ist oder die Unabhängigkeit der Justiz infrage gestellt wird. Das soll aber nicht heißen, dass man den Europarat nicht braucht, denn gerade der Europarat hat bewiesen, dass man Standards schaffen kann, die für alle gelten, die verpflichtend sind und die auch überwacht werden, und das ist von zentraler Bedeu­tung. Die Menschenrechtskonvention wurde bereits erwähnt, aber auch der Kampf gegen den Menschenhandel, die Gleichbehandlung von Frauen, der Schutz der Kin­der­rechte – all das ist von zentraler Bedeutung.

Ich finde aber, ein weiterer Mehrwert ist, dass man gerade mit Ländern wie der Türkei und Russland im Gespräch, im Dialog bleibt, um gemeinsam – mühselig, aber doch, wie es eben in der Demokratie ist – Fortschritte zu erzielen.

Erwähnen möchte ich aber auch die Europäische Charta der Regional- oder Minder­heitensprachen. Diese Charta ist weltweit der einzige Vertrag, der traditionelle Regional- und Minderheitensprachen schützen und auch fördern soll. Ich halte das für positiv. Auch in Österreich gibt es Volksgruppen, die diesen Schutz brauchen. Daher ist es wichtig, dass in den Mitgliedstaaten überprüft wird, ob Maßnahmen zum Erhalt dieser Regional- und Minderheitensprachen gesetzt werden. Es ist die Vielfalt des gemeinsamen Europas, die es zu schützen gilt.

In diesem Sinne haben wir in Europa insgesamt turbulente Zeiten, aber ich denke, auch bei einer Neuausrichtung der Europäischen Union nach der Europawahl mit einer Stabilisierung, mit der Beantwortung der zentralen Fragen – Migrationskrise, Brexit, Klima- und Umweltschutz – kann der Europarat – und (in Richtung Präsidentin Maury Pasquier) Sie haben es angedeutet – eine Rolle spielen, wenn wir gemeinsam im Verbund der Organisationen einen Fortschritt erzielen. Herzliche Gratulation zum Jubiläum! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Zadić.)

10.43

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Schieder ist zu Wort gemel­det. – Bitte.