18.01

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Vielleicht darf ich versuchen, einiges zurecht­zurücken. Worum geht es da? – Es geht jetzt darum, ob es notwendig ist, § 1320 ABGB zu novellieren, ob dieser zweite Absatz, der jetzt in das Gesetz kommt, mehr Sicherheit bringt, eine Verbesserung gegenüber dem derzeitigen Zustand bringt. Und da muss ich Ihnen leider sagen: Nein, es ändert sich gar nichts. Es ändert sich absolut nichts! Auch wenn § 1320 so bleibt, wie er jetzt ist, werden die Fälle in Zukunft so entschieden, wie sie bisher entschieden wurden.

Diese Verhaltensstandards, die hier angesprochen werden, gelten natürlich nur dann – das ist ja keine Verordnung und auch keine Verordnungsermächtigung –, wenn sie den Grundsätzen der Rechtsprechung entsprechen. Das steht auch in den erläuternden Bemerkungen: entspricht den Grundsätzen der Rechtsprechung. – Ja, aber dann gilt es sowieso!

Wenn Sie nun sagen: Ja, aber die Leute sind jetzt aufgeklärt, weil wir § 1320 Abs. 2 haben!, dann zeigen Sie mir denjenigen oder diejenige, der oder die vor einer Almwanderung, oder den Bauern, der, bevor er sein Vieh hinauftreibt, ins ABGB schaut! Ich glaube nicht, dass das vorkommt.

Worum geht es denn in Wahrheit? – Es geht darum, dass beide Teile, also sowohl die Bauern als auch die Wanderer auf den Almen, gewisse Sorgfaltsstandards zu be­achten haben. Der Bauer, der weiß, dass er eine gefährliche Kuh hat, kann sie nicht frei herumlaufen lassen. Der Bauer, der Mutterkuhhaltung hat und weiß, dass Mutterkühe, wenn das Kalberl in der Nähe ist, allergisch reagieren, wenn ein Hund kommt, muss eine Tafel aufstellen: Achtung Mutterkuhhaltung, achten Sie auf Ihren Hund!, oder so – was ja ohnedies geschieht und was der OGH bereits so entschieden hat.

Wenn ein Wanderer auf der Alm ist, dann hat er natürlich auch eine Eigenverant­wortung, wenn er mit dem Hund geht; dann kann er nicht den Hund da hinlaufen lassen. Das gilt aber sowieso, weil wir im ABGB eine Bestimmung – § 1304 – betreffend das Mitverschulden haben. Wenn ich als Geschädigter meine Sorgfalts­pflichten verletzt habe, dann muss ich einen Teil des Schadens tragen. – Das ist also wie bisher. Jetzt sagen Sie mir vielleicht: Ja, aber jetzt haben wir da diese Informa­tionskampagne gestartet, wir haben diese Broschüren erstellt! – Ja, das können Sie so auch machen, dazu brauchen Sie keinen zweiten Absatz des § 1320 ABGB.

Aber warum haben Sie es gemacht? Warum wollen Sie das machen? – Weil eben aufgrund des Urteils diese Aufregung entstanden ist, die völlig unberechtigt war. Nie­mand von denen, die sich darüber ereifert haben, hat das Urteil gelesen und hat gesagt: Na, diese Interessenabwägung stimmt eigentlich nicht! Und ich bin überzeugt: Wenn der Richter heute entschiede und das wäre schon in Kraft getreten, käme wieder das Gleiche heraus. Außerdem war es eine erstinstanzliche Entscheidung, und wir haben in Österreich drei Instanzen – also nach dem Landesgericht entscheidet das Oberlandesgericht und dann der Oberste Gerichtshof.

Wenn ein Erstgericht entscheidet, heißt das noch nicht, dass das jetzt endgültig ist. In diesem Fall glaube ich ohnedies, dass es halten wird – ich weiß es nicht –, aber jedenfalls kann man aufgrund eines erstinstanzlichen Urteils, dessen Inhalt man gar nicht kennt, nicht einen Skandal, eine Gefahr herbeireden und so tun, als käme die Rechtsprechung, kämen die Gerichte ihrer Aufgabe nicht nach und als müsse der Gesetzgeber einschreiten.

Dieses Vorgehen bringt zwei große Gefahren mit sich. Auch wenn der zweite Absatz des § 1320 nicht schadet, aber was sind die Gefahren? – Die eine Gefahr ist, dass die Bauern jetzt denken: Also jetzt ist es geregelt! Unsere Vertreter haben uns ja gesagt, sie machen etwas für uns, und jetzt brauchen wir nicht mehr so aufzupassen! – Das ist das eine.

Und das Zweite ist das, was Sie damit getan haben – für diesen publizistischen Erfolg, oder wie man das nennen soll –: Sie haben das Ansehen der Gerichte geschädigt! Die Leute denken nämlich jetzt: Na, die Gerichte, was die entscheiden! Gott sei Dank haben wir noch unsere Abgeordneten, die rücken das wieder zurecht. (Abg. Stefan: Wie beim Rauchverbot!)

Ich finde, die paar Stimmen, die man dadurch gewinnt, sind das nicht wert. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

18.06

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Volker Reifenberger. – Bitte.