13.26

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ich danke den Abgeordneten sowie Klubobmann Sebastian Kurz, der es ja ausdrücklich angesprochen hat, für den Emp­fang hier im Haus. Er war vonseiten mancher mehr oder weniger herzlich; ich habe es gehört, das ist okay. Dafür sage ich einmal Danke. Jetzt komme ich zu meinen ersten Eindrücken, die auf die Wahlbewegung beziehungsweise die vorverlegte Wahl zurück­gehen, und zu den Ereignissen, die es ja erst notwendig gemacht haben, einen neuen Nationalrat zu wählen.

Es war ja nicht nur ein kolossales Versagen der alten Bundesregierung, die auf diese doch bemerkenswerte Art und Weise geradezu implodiert ist, es hat auch viele andere wichtige Dinge gegeben – wichtigere, wie ich meine. Zwei Tage vor dieser besagten Nationalratswahl, an einem Freitag im September, hat es die größte Demonstration der Menschheitsgeschichte für die Überlebensbedingungen auf diesem Planeten gegeben. Uns ist das nicht egal. Wir haben das Ergebnis am Wahlabend ein bisschen so inter­pretiert – und damit machen wir es uns nicht leicht –, dass wir hier im österreichischen Nationalrat, im Parlament, an allen Stellen der Republik, an denen Grüne wirken dür­fen – und das sind ja gar nicht so wenige –, einen Beitrag leisten sollen. Es ist deshalb nicht leicht, weil man diese Erwartungen und Hoffnungen in der Realität gar nicht so leicht erfüllen kann; wir werden uns dieser Aufgabe aber stellen.

Wenn jetzt jemand einwenden würde – wenn das heute nicht die konstituierende Sit­zung wäre, würde schon jemand zwischenrufen; ein Aspirant aus den Reihen der Freiheitlichen würde sich für so einen Zwischenruf schon melden –: Ja, was wollen denn wir in diesem kleinen Österreich schon ausrichten?, so würde ich das nicht gleich zurückweisen. Ich würde den Zwischenruf dankbar aufnehmen, denn er ist a prima vista zutreffend. Ich möchte aber ein Zitat abwandeln, das wahrscheinlich in der Geschichte noch berühmter werden wird: Die Republik Österreich ist niemals zu klein, um eine Veränderung zu bewirken. (Beifall bei den Grünen.)

Wir nehmen uns vor, in dieser elementaren Überlebensfrage von hier aus einen Bei­trag zu leisten. Österreich wird in Europa wichtig sein, hoffentlich wieder wichtiger wer­den, und Europa muss globaler Taktgeber im Bereich Klimaschutz werden, das ist unbestritten – mit allen wirtschaftlichen Chancen. Wir haben ja immer schon versucht, das in die Überzeugungsarbeit einfließen zu lassen; vielleicht können wir Sie ja im Laufe der Monate und Jahre hier auch noch mehr überzeugen.

Nun möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass das für die Grünen natürlich ein beson­derer Tag, ein historischer Tag ist, weil wir als Fraktion aus diesem Haus ausgeschie­den sind, aber früher – vielleicht dank der Fraktion der FPÖ, würden manche zynisch sagen; das habe ich gar nicht vor – und jedenfalls kräftiger in den Nationalrat zurück­gekommen sind, als viele erwartet haben und als auch ich erwartet habe. – Es hätte Sie ja gewundert, wenn ich gar nicht Bezug darauf genommen hätte. Bei dieser Gele­genheit möchte ich noch einmal all jenen danken, die uns heute begrüßt haben. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, mich zu erinnern, dass es auch hier im Haus einige waren, die vor zwei Jahren mit aufrichtigem Bedauern zum Ausdruck gebracht haben, dass die Grünen im Parteienspektrum fehlen. – Allen, die es aufrichtig gemeint haben, einen aufrichtigen Dank zurück! Allen anderen, die es nicht ganz so aufrichtig gemeint haben, kann ich nur zurufen: No problem, wir kommen in friedlicher Mission! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie Beifall der Abg. Herr.)

Wofür kommen wir aber? – Noch einmal zurück zum Hauptthema: Wenn es wahr ist, dass wir die letzte Generation sind, die noch etwas gegen die dräuende Klimakrise tun kann, dann werden wir etwas tun. Das ist ja völlig richtig. Ich meine aber, weil immer die Wirtschaft apostrophiert wird, wir sollten sehen, welche Chancen das beinhaltet. Wir werden viel zusammenbringen, gerade in Österreich, gerade in Europa, aber – Klubobfrau Rendi-Wagner hat es angesprochen – es ist ganz wichtig, dass das mit sozialer Einbettung passiert. In der Wahlbewegung haben viele und mittlerweile haben alle Parteien anerkannt, dass gegen die Klimakrise etwas unternommen werden muss, dass das aber, wenn die Notwendigkeit zu einer Wende besteht – und die Not führt zu einer Wende –, auch so passieren soll, dass bei diesem notwendigen Vorgang nie­mand zurückgelassen wird. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Das sehen wir auch so, und das führt mich unmittelbar zum Thema Kinderarmut, das hier dankenswerterweise genannt wurde. Das ist ein Herzensanliegen der Grünen und von mir persönlich. Wir wollen da einen Beitrag leisten. Österreich ist ein derart erfolg­reiches Land – und deshalb auch ein reiches Land –, dass wir da gemeinsam mehr zustande bringen sollten. Das werden wir uns weiterhin vornehmen. – Sie merken schon: Wir versuchen das, was wir in der Wahlbewegung versprochen haben, auch hier ins Haus hineinzubringen, und das ist doch zumindest beste demokratische Ab­sicht.

Zu den Transparenzfragen, die aufgeworfen wurden: Da weiß ich, dass die NEOS während der zwei Jahre, die wir nicht da waren, sehr viel geleistet haben. – Ich zähle auf euch, dass ihr diesbezüglich weiterkämpft, aber wir werden versuchen, da auch unseren Beitrag zu leisten. Ich sage das im Übrigen nur deshalb, weil damit die Beantwortung der Frage, ob so etwas wie eine Veränderung der politischen Kultur gelingen kann, verbunden ist. Es ist sehr viel Vertrauen in die Politik verloren gegan­gen, nicht bloß aufgrund der Ereignisse im Wahlkampf. Im Wahlkampf muss man viel aushalten, da sind wir viel gewohnt, aber die Ereignisse, die überhaupt erst zum Wahl­kampf geführt haben – das betrifft letztlich alle hier im Haus vertretenen Parteien –, haben, denke ich, das Vertrauen in die Politik eher gemindert. Österreich hat zudem in Europa kein gutes Bild abgegeben.

Betreffend Europa – es wundert mich, dass das heute noch so wenig angesprochen wurde – möchte ich schon in Erinnerung rufen, dass wir unmittelbar vor dem 30. Jah­restag des Falls der Berliner Mauer stehen. Es ist für die Grünen immer ein wichtiges Thema und ein wichtiger Auftrag gewesen, die internationale und die europäische Dimension – nicht nur im Bereich Klimaschutz, sondern in all unserem Tun und Wirken – im Auge zu behalten. Da gibt es einiges zu tun.

Schauen wir, was beim Brexit passiert, wenn sich verantwortungslose Gesellen mithilfe von Brandstifterei gegenüber den Besonnenen durchsetzen! Das Chaos können wir uns anschauen. Braucht das jemand? – Nein. Daher ist es schon gut, wenn wir danach trachten, dass ein gestärktes Österreich in einem starken Europa wirkt. Wir müssen aber auch zu unserem Image beitragen; nicht nur in den Fachfeldern der Politik – Wirtschaftspolitik, Umweltschutzpolitik –, sondern das sind auch Glaubwürdigkeits- und Imagefragen, und da können wir durchaus noch nachjustieren. Dazu lade ich Sie alle ein, dazu wollen wir auch unseren Beitrag leisten.

Bei aller Unterschiedlichkeit – wir wollen in der Europäischen Union wahrscheinlich mehr verändern als die meisten hier im Haus, wir sehen viele Kritikpunkte und viel Veränderungsbedarf –: Es hat keinen Sinn, auf diese Art und Weise auf der euro­päischen Idee herumzuhacken. Europa soll durch Gemeinsamkeit stark werden und nicht durch Spaltung geschwächt werden. Das ist unser Auftrag. (Beifall bei den Grü­nen.)

Ich möchte das auch für Österreich so halten und erinnere – wenn heute schon der Bundespräsidentschaftswahlkampf angesprochen wurde – auch daran, dass die Wahlauseinandersetzung im Jahr 2016 immerhin ein Kandidat gewonnen hat, der Folgendes gesagt hat: Wer seine Heimat liebt, spaltet sie nicht. – Ich erlebe, dass das in München, in Berlin, in Helsinki, in Amsterdam, in Straßburg und in Brüssel ange­kommen ist. Das ist angekommen! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.) Man kann verschiedene Heimatbegriffe haben, ja, Gott sei Dank! Es gibt verschiedene Sehnsuchtsorte, die Vielfalt macht uns ja vielleicht auch aus – aber spalten sollten wir nicht wollen.

Bei dieser Gelegenheit greife ich das auf, worauf die Grünen extra angesprochen wurden: Wir wissen, welche Bedeutung Usancen in der parlamentarischen Demokratie haben – selbstverständlich. Es ist aber, wenn Sie sich erinnern, mittlerweile Usance geworden, dass die Grünen meistens einen Kandidaten oder eine Kandidatin für das Amt des Dritten Nationalratspräsidenten haben.

Wenn wir uns anschauen, woher das kommt, kann ich Ihnen das schon erklären: Ja, die Usancen sind richtig und wichtig, aber es gibt auch immer wieder Grenzbereiche, die ständig überschritten werden. Es ist nämlich so, dass in den letzten Jahren in den Institutionen der Republik am Abend richtiggehend zu hören war, wie man durch­ge­atmet hat, wenn es einmal einen Tag ohne Einzelfall gab – aber leider sind die Tage ohne Einzelfälle immer seltener geworden. Das sollten wir uns auch in Erinnerung rufen: dass wir für all jene hier, die eine andere Person wählen möchten, eine Alter­native anbieten. Ich darf natürlich nicht verschweigen, dass Eva Blimlinger eine Abge­ordnete und Kandidatin ist, die mit bestem Geschichtsbewusstsein für eine moderne Zukunft arbeitet. Das ist unser Motiv – und es ist ein Angebot. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Cornelia Ecker.)

Ja, es waren und sind nicht wir, die die Identitären verbieten wollen; aber es gibt eben eine Partei, die die größte Mühe hat – sie gibt sich vielleicht auch Mühe –, sich von ihnen abzugrenzen. Wenn es aber so ist, dass die Identitären verboten werden sollen und dass eine Partei, von der klar ist, dass sie in der Praxis jedenfalls Abgrenzungs­schwierigkeiten hat, einen Parteivorsitzenden für dieses Amt vorschlägt, dann ist es nicht so verwunderlich, wenn nach Alternativen gesucht wird. Das ist es  nicht mehr, aber auch nicht weniger. Nehmen Sie es als Angebot! (Beifall bei den Grünen.)

Ein Allerletztes: Natürlich spreche ich aus unserer Überzeugung, aber wir glauben schon, dass aufgrund der Entwicklungen in der Umweltfrage niemals zuvor in der Geschichte die grünen Grundsätze so relevant waren. Sie sind nicht bestimmend und nicht allein bestimmend, aber es war noch nie so relevant wie heute, eine solidarische Gesellschaft freier Menschen vor allem in einer intakten Umwelt zu wollen – global und lokal. Davon wollen wir Sie überzeugen. (Beifall bei den Grünen.)

Davon sind wir überzeugt, da wollen wir auf Sie zugehen, die Hand ist ausgestreckt. Wir haben die Wahrheit mit Sicherheit nicht gepachtet, wir haben keinen Alleinver­tretungsanspruch, aber das ist unser Motiv, und ich denke, dafür sind wir wieder ge­wählt worden. Deshalb ist die Zusammensetzung dieses Nationalrates so, wie sie ist, und wir wollen nach bestem Wissen und Gewissen zusammenarbeiten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.40

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Damen und Herren auf der Galerie freundlich ersuchen, weder Beifalls- noch Missfallensbekundungen zu äußern. Ich danke für Ihr Verständnis.

Zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. – Bitte.