10.27

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Dipl.-Ing. Maria Patek, MBA: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Geschätzte Besucherinnen und Besucher! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ich bin heute ins Hohe Haus gekommen, um mit Ihnen ein Thema zu besprechen, das uns allen sehr wichtig ist: der Klimaschutz. Seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten ist der Klimawandel im Fokus, jedenfalls in der Wissenschaft, aber auch in vielen anderen Bereichen; so richtig in der Gesellschaft angekommen ist das Thema aber erst im letzten Jahr. Hitzerekorde, Trockenheit oder Wetterextreme – die Auswirkungen des Klima­wandels können wir mittlerweile am eigenen Leib verspüren, und die Wissen­schaft prognostiziert uns, dass sich diese Ereignisse in Zukunft noch häufen werden.

Nicht nur als Expertin für Naturgefahren, Wald und Wasser, sondern auch als verant­wortliche Ministerin in der Expertenregierung sehe ich den Klimaschutz als eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit, und ich weiß, dass viele von Ihnen diesbezüglich eine ähnliche Sichtweise haben. Klimaschutz war daher für mich in den vergangenen Monaten als Ministerin das Topthema in vielen persönlichen Gesprächen mit Stake­holdern auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene.

Im September nahm ich am Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York teil. So wie Österreich erkennen auch andere Vertragsstaaten, dass wir dringend Handlungen ableiten müssen, um Klimaschutz schneller voranzutreiben. Wir haben uns in Paris dazu verpflichtet, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Das wird nur möglich sein, wenn die internationale Klimaschutzallianz im Gleichklang handelt.

Leider gibt es auch Rückschläge. Der weltweit zweitgrößte Verursacher von Treibhaus­gasemissionen, die USA, ist im November aus dem Vertrag von Paris ausgestiegen. Was das bedeutet, ist klar: Die Weltgemeinschaft wird noch mehr leisten müssen, um die USA-Lücke auszugleichen.

Österreich hält dabei an der europäischen Vorreiterrolle fest. Die österreichische Bundesregierung bekennt sich nachdrücklich zu den Zielen des Übereinkommens von Paris. Beim Europäischen Rat im Juni hat sich Frau Bundeskanzlerin Bierlein für ein ambitioniertes Vorgehen bis Mitte des Jahrhunderts ausgesprochen. Österreich will, dass die Europäische Union bis 2050 null Emissionen erreicht. Das Zwischenziel bis 2030 haben wir bereits fixiert: Österreich wird die Treibhausgasemissionen außerhalb des Emissionshandels bis 2030 um mindestens 36 Prozent reduzieren.

Die Aufgabe dieser Übergangsregierung war es, auszuhandeln, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, bis Jahresende einen Nationalen Energie- und Klimaplan an die Europäische Kommission zu übermitteln. Die Basis dafür lieferte die Klima- und Energiestrategie Mission 2030, die unter Beteiligung der wichtigsten Partner aus Wirtschaft und Umwelt bereits vergangenes Jahr beschlossen wurde.

Der jetzige Begutachtungsentwurf baut auf den Empfehlungen der Europäischen Kom­mission zum ersten Entwurf des NEKP auf, der vergangenes Jahr vorgelegt wurde. Die Rückmeldung der Kommission zielt vor allem darauf ab, Informationen detaillierter darzustellen und Maßnahmen zu berechnen. Den Zielsetzungen hingegen wurde ein sehr positives Zeugnis ausgestellt.

Ich möchte Ihnen nun unsere Ziele in Zahlen erläutern: Bis 2030 sollen 14 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden. Das ist eine große Herausforderung, und damit dies gelingt, müssen alle Sektoren einen Beitrag leisten. Großes Potenzial besteht im Gebäudesektor, zum Beispiel durch „Raus aus dem Öl“ bei Heizungen und der Verbesserung der thermischen Qualität von Gebäuden. Insgesamt soll der Ge­bäudebereich 3 Millionen Tonnen CO2 einsparen.

Auch in den Bereichen Landwirtschaft, Abfall und F-Gase wird die Dekarbonisierung konsequent vorangetrieben. Zusammen mit Gewerbe- und kleineren Industrieanlagen, die nicht im Emissionshandel geregelt sind, werden dort 4 Millionen Tonnen CO2 durch Steigerung der Energieeffizienz und des Anteils erneuerbarer Energie eingespart.

Am wichtigsten ist aber die Transformation des Verkehrssystems. Der Verkehrssektor ist Hauptemittent und wird daher auch den größten Beitrag leisten: minus 7,2 Millionen Tonnen CO2. Diese Ziele bilden den Rahmen für unser Maßnahmenbündel.

Insgesamt enthält der Nationale Energie- und Klimaplan 253 Maßnahmen. Trotz der aktuell eingeschränkten Handlungsfreiheit der Bundesregierung wurden in den letzten Monaten bereits wichtige Maßnahmen zum Klimaschutz auf den Weg gebracht. Das ist unser gemeinsames Verdienst: Gerade die Unterstützung des Parlaments hat vieles erst möglich gemacht.

Gerne möchte ich ein paar wichtige Vorhaben herausheben. So nehmen die Bun­des­regierung und das Parlament die Notwendigkeit einer Ökologisierung des Steuersys­tems ernst. In einem ersten Schritt wurden im Rahmen des Steuerreformge­set­zes 2020 wichtige Maßnahmen beschlossen. Ich möchte hier zwei Beispiele nennen:

Erstens die Maßnahmen zum Ausbau der E-Mobilität: die Steuerbefreiung für alle Elektrofahrzeuge sowohl im Rahmen der Zulassungssteuer als auch der laufenden Kraftfahrzeugbesteuerung, und das Steuerreformgesetz 2020 sieht nun auch eine zu­sätzliche Berücksichtigung des CO2-Ausstoßes bei der Bemessungsgrundlage der laufenden Kraftfahrzeugbesteuerung ab Oktober 2020 vor. Dadurch wird ein weiterer steuerlicher Anreiz für emissionsärmere Kraftfahrzeuge geschaffen. Die Besteuerung mittels der Normverbrauchsabgabe für Pkws wird angepasst. Dies soll Pkws mit einem höheren CO2-Ausstoß belasten und Fahrzeuge mit geringeren CO2-Emissionen ent­lasten.

Zweitens eine Maßnahme, die uns bei den erneuerbaren Energien weiterbringt: Die Stromerzeugung für den Eigenverbrauch mittels Fotovoltaikanlagen wird gänzlich von der Eigenstromsteuer befreit. Das ist ein wichtiger Anschub für den Ausbau von Foto­voltaik.

Im Bereich erneuerbarer Energie setzen wir einen besonderen Schwerpunkt: Bis 2030 wollen wir 46 bis 50 Prozent erneuerbare Energie erreichen; heute ist es rund ein Drittel. Das Ziel, bis 2030 die Stromversorgung zu 100 Prozent auf erneuerbare Ener­gie umzustellen, wurde im NEKP fest verankert. Das sind sehr ambitionierte Ziele, es ist aber auch die Chance, Österreichs Vorreiterrolle auszubauen. (Beifall bei der ÖVP.)

In Österreich gibt es dazu großes Potenzial: Wir haben hochwertige Umwelttech­nologien, leisten großartige Forschung und wir haben innovative Lösungsansätze zum Beispiel im Bereich Wasserstoff oder durch die Bioökonomie. Österreich deckt schon 70 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen – und dabei möchte ich klarstellen: das schaffen wir ganz ohne Atomstrom. Ein Blick nach Europa zeigt, dass hingegen andere Mitgliedstaaten in der Atomenergie die Lösung für die Klimaprobleme sehen. Österreich nicht! Wir lehnen Atomenergie ab und wir stellen uns klar gegen In­vestitionen in Richtung Atomenergie. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)

Diese Woche legt die Europäische Investitionsbank ihre Energiefinanzierungspolitik der nächsten Jahre fest. Die EU und die Europäische Investitionsbank werden in Zukunft sehr viele Gelder mobilisieren, und geht es nach der EIB wird Atomenergie auch in Zukunft förderfähig sein.

Den Weg zu den 100 Prozent Stromverbrauch aus erneuerbarer Energie muss das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz aufzeigen. Dabei leisten auch wir in der Übergangs­regierung wichtige Vorarbeiten. Die Finalisierung des Gesetzes sehe ich als prioritäre Aufgabe der neuen Bundesregierung.

Die Ökostromförderung wurde bereits im Oktober hier im Hohen Haus novelliert. Das abgeänderte Ökostromgesetz ist eine wichtige Überbrückung. Insgesamt stehen für Fotovoltaik und Speicher in den kommenden drei Jahren 106 Millionen Euro an Inves­titionsförderungen zur Verfügung.

Großer Handlungsbedarf besteht im Gebäudebereich. Wir wissen, dass mehr Häuser und Anlagen saniert werden und dass fossile Heizsysteme ein Ende finden müssen. Im September wurden hier im Nationalrat erste Weichen gestellt. Der Einbau von Ölkes­seln in Neubauten wird 2020 verboten. Als nächster Schritt sollte die Umsetzung des Erneuerbaren-Gebots folgen: die reduzierte Installation im Bestand und der Vorrang für erneuerbare Heizsysteme. Auch der Einsatz von erneuerbarem Gas hat Potenzial und wird fossiles Erdgas, wo noch nötig, ersetzen.

Im Bereich der Landwirtschaft liegt der Fokus auf den Verhandlungen zur gemein­samen europäischen Agrarpolitik. Wesentliche Klimaschutzmaßnahmen wie etwa der Erhalt von Dauergrünland sollen durch eine europäische Vorgabe im Fördersystem angereizt werden. Im Zuge des GAP-Strategieprozesses, den wir zur Zeit im BMNT leiten, werden solche Maßnahmen Schritt für Schritt erarbeitet.

Ein Kernbereich der Maßnahmen betrifft den Einsatz von Mineraldünger. Es ist das Ziel, diesen um 20 Prozent zu reduzieren. Das kann durch emissionsarme, zum Bei­spiel bodennahe, Ausbringung von Dünger gelingen. Die Landwirtschaft kann darüber hinaus einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende leisten, indem mehr, nämlich mindestens 30 Prozent, agrarische Rest- und Abfallstoffe zur Biomethanerzeugung vergoren werden. Und: Die Landwirtschaft wird der erste Sektor sein, der den Maschi­neneinsatz komplett auf Biodiesel umstellt.

Abschließend zum wichtigsten Bereich, dem Verkehr: Der Umbau des Verkehrs­systems muss durch ein Bündel an Maßnahmen erfolgen und ist eine riesige Aufgabe. Ein Hebel ist die Steigerung der Flotteneffizienz. Die EU-Einigung auf einheitliche Flottenziele im letzten Jahr war ein Meilenstein. Nun gilt es, den Weg für saubere Mobilität zu ebnen, dafür braucht es eine Offensive, vor allem durch den Ausbau der E-Mobilität. Jeder Kilometer, der nicht individuell zurückgelegt wird, ist wichtig, daher schreibt der NEKP klar den Ausbau und die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs fest. Im ÖBB-Rahmenplan ist die Erhöhung auf 3 Milliarden Euro vorgesehen; ich möchte hier vor allem dem BMVIT für den wichtigen Verhandlungsbeitrag danken.

Vielleicht nicht ganz so bedeutend, aber auch ein wichtiger Beitrag ist die angestrebte Erhöhung des Anteiles von Biokraftstoffen, natürlich abhängig von der Verfügbarkeit nachhaltig produzierter Ausgangsstoffe wie Reststoffe. In der Bioökonomie haben wir in diesem Bereich großes, heimisches Potenzial erkannt.

Das war ein Ausschnitt davon, was unserer Ansicht nach gemacht werden soll. Die Frage, wie diese oder auch weitreichendere Maßnahmen finanziert werden sollen, kann im Begutachtungsentwurf noch nicht beantwortet werden. Entscheidungen im Zusammenhang mit erforderlichen Investitionen und öffentlicher Finanzierung können von uns als Übergangsregierung nicht getroffen werden. Bei allem Verständnis für Ihre Kritik, der Mechanismus ist klar: Fördermittel, die zur Zielerreichung notwendig sind, müssen in einem Budget festgeschrieben sein. Da das Budget fortgeschrieben wird, stehen derzeit keine neuen Finanzmittel zur Verfügung. Diese Bundesregierung hat sich darauf verständigt, zu verwalten und mit dem vorhandenen Budget sorgsam um­zu­gehen. Tiefgreifende politische Weichenstellungen wie etwa ein CO2-Mindestpreis nach dem deutschen Modell mögen verlockend sein, müssen aber von einer politi­schen Bundesregierung verhandelt werden. Wir schaffen kein Präjudiz, aber wir zeigen Optionen für die Zukunft auf.

Wir empfehlen die regelmäßige Evaluierung der ökologischen Wirksamkeit aller Steuer‑, Förder‑ und Anreizmaßnahmen. Zusätzlich wird eine weitere Ökologisierung des Anreiz‑, Förder‑ und Steuersystems nötig sein. Kontraproduktive Anreize und Subven­tionen müssen evaluiert und abgebaut werden. Eine entsprechende Evaluierung solcher Förderungen ist unter der Leitung des BMF im Laufen. Ebenso kann die Ausweitung des Handelssystems auf weitere Sektoren eine gute Option darstellen. Die neue Kom­missionspräsidentin, die hoffentlich bald ihr Amt antreten wird, hat dies für die Bereiche Gebäude und Verkehr in Aussicht gestellt. Die Finanzmittel, die aus den ETS-Auk­tionserlösen kommen, sollten für klima- und energierelevante Projekte eingesetzt werden und damit wichtige Innovationen der Zukunft möglich machen.

Der Energie- und Klimaplan ist bis Jahresende an die Europäische Kommission zu übermitteln, wobei auch eine Wirkungsfolgenabschätzung beizufügen ist. Wir lassen die Szenarien gerade durch ein wissenschaftliches Konsortium unter der Leitung des Umweltbundesamtes berechnen. Die Ergebnisse dieser Abschätzung werden mit dem finalen Plan bis Jahresende an die Europäische Kommission übermittelt.

In den letzten Wochen haben wir eine unglaublich kontroverse Diskussion zu den Maß­nahmen, die im NEKP vorgeschlagen werden, erlebt. Beim NEKP ist der letzte Satz noch nicht geschrieben. Wir wollen die Zeit der Begutachtung nützen, um alle ein­ge­henden Vorschläge zu prüfen. Einige Beiträge, vor allem der Referenz-NEKP aus der Wissenschaft, sind bereits bekannt, und wir haben die Autoren und Autorinnen dazu eingeladen, ihre Vorschläge mit uns zu diskutieren. Wir sehen bei einigen Maßnahmen im NEKP durchaus Parallelen zum Referenz-NEKP.

Auch Ihre Beiträge, geschätzte Abgeordnete und geschätzte Zuseherinnen und Zu­seher, sind uns wichtig. Ich möchte Sie ausdrücklich dazu einladen, an der öffentlichen Konsultation, die zurzeit läuft, teilzunehmen und uns Ihre Stellungnahme zum Klima­plan zukommen zu lassen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

10.47

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Köstinger. – Bitte.