10.53

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Politik geht es nicht darum, was uns selbst nützt, sondern darum, dass wir einen Auftrag haben, ein Mandat von den Wählerinnen und den Wählern, um ihre Interessen zu vertreten, um das zu erfüllen, was wir vor einer Wahl versprochen haben, und die Politik, für die wir vor einer Wahl geworben haben, zu machen.

In der Politik gibt es Projekte, die nach dem politischen Kalender immer wieder kom­men und sozusagen politische Routine sind; aber längst nicht jedes Problem – eigent­lich sind es immer weniger Probleme – können wir so behandeln, als wäre es Routine, als hätten wir es vor Jahren geplant. Es gibt nämlich Krisen, es gibt große Verän­de­rungen, die mit immer größerer Geschwindigkeit auf uns zukommen – und diese Ver­änderungen, diese Krisen, sehr geehrte Frau Bundesministerin, lassen sich nicht verwalten. Solche Krisen erfordern rasche Handlungen, und diese Handlungen sind notwendig und müssen mit Mut und Konsequenz gesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es sind Kurskorrekturen, es sind Neubewertungen, die notwendig sind. Ja, es sind genau diese Themen, es sind diese Veränderungen – viele wurden heute im Rahmen der Debatte über Europa schon erwähnt –, angesichts derer es eine handlungsfähige Politik ganz besonders braucht. Sie wissen es, eine dieser großen Veränderungen, die vor uns liegt, die eigentlich schon da ist, ist der Klimawandel. Gerade erst vor einer Woche haben uns mehr als 11 000 internationale Wissenschaftlerinnen und Wis­senschaftler gewarnt. Sie haben uns gewarnt und aufgefordert, so rasch wie möglich auf den Klimawandel zu reagieren; und sie haben eindrücklich klargemacht, dass uns die Zeit ausgeht, dass die Zeit drängt, weil das Haus brennt, weil die bisherigen Maß­nahmen eben nicht ausreichen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.

Und in Österreich? – In Österreich schaut die Situation leider nicht viel besser aus. In Österreich reicht auch der überarbeitete Nationale Energie- und Klimaplan der Übergangsregierung nicht aus, um unsere EU-Ziele nachhaltig erreichen zu können.

Erst gestern haben die Klimaschutzorganisationen Österreichs von einer Klima­schutz­lähmung in Österreich gesprochen. Eine Klimaschutzlähmung, Frau Bundesministerin, ist nicht nur schlecht für das Klima, diese Lähmung ist schlecht für die Menschen, sie ist schlecht für unsere Kinder, für unsere Enkelkinder, sie ist schlecht für unsere Zukunft und letztlich auch schlecht für unsere finanzielle Situation, denn sie könnte uns bis 2030 mehr als 6 Milliarden Euro an Strafzahlungen nach Brüssel kosten.

Vor der Wahl, liebe Kolleginnen und Kollegen, waren wir uns doch alle – bis auf einige Ausnahmen hier im Saal – einig: Klimaschutz kostet Geld, da muss man Geld in die Hand nehmen. Und wir waren uns alle einig, dass es besser ist, zu investieren, als Strafzahlungen zu leisten. Im Gegensatz zu Strafzahlungen helfen Klimaschutz­inves­titionen nämlich auch, unsere Wirtschaft zu transformieren, sie helfen, neue Jobs in der Wirtschaft zu schaffen, sogenannte Green Jobs; sie sichern damit auch unseren Wohl­stand. Das sind Win-win-win-Situationen, die dadurch geschaffen werden. Wir fordern daher auch eine flächendeckende Lkw-Maut in ganz Österreich, denn der Schwerver­kehr – Sie wissen es – produziert besonders viel CO2, und dort müssen wir ansetzen. Eine Lkw-Maut würde einen Großteil der so wichtigen Klimaschutzmilliarde, die wir for­dern, finanzieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Erst vor drei Tagen habe ich gehört, das Geld wachse nicht auf den Bäumen. Dazu kann ich sagen: Das stimmt, Geld wächst nicht auf den Bäumen. Ich weiß aber auch: Wenn wir nicht investieren, wird es bald keine Bäume mehr geben, und genau das ist das Problem. (Die Abgeordneten Ernst-Dziedzic und Stögmüller: ... 30 Jahre!) Wenn unser Haus brennt, haben wir keine Zeit, gemütlich darauf zu warten, bis die Regie­rungsverhandlungen – vielleicht Ende des Jahres, vielleicht Anfang des nächsten Jah­res – endlich abgeschlossen sind, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Unser Vorschlag war deshalb, bereits heute im Nationalrat eine Klimamilliarde zu beschließen, damit schon im kommenden Jahr und nicht erst im Jahr darauf nach­haltige Maßnahmen gesetzt werden können. Leider war das Vorgehen am Montag enttäuschend. Der von uns eingebrachte Antrag betreffend Klimamilliarde wurde am Montag im Budgetausschuss mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und Grünen vertagt, auf die lange Bank geschoben, sehr geehrte Damen und Herren – der Klimaschutz in einer Warteschleife, wenn Sie so wollen, wenn es nach Ihnen geht.

Sehr geehrte Damen und Herren, nur weil in Österreich über eine neue Bundes­regierung verhandelt wird, dürfen wir das Parlament in seiner wichtigen Arbeit nicht blockieren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Wer blockiert?) Wir alle sind hier, wir alle sind gewählt, um zu arbeiten. Das Parlament ist das Zentrum der politischen Arbeit in Österreich, es ist die Herzkammer unserer Demokratie, und deshalb werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gerade bei diesem Thema nicht lockerlassen, denn Vertagungen retten das Klima nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind davon überzeugt, dass unsere Maßnahmen richtig sind, dass sie wichtig sind, dass sie dringend sind. Jährlich eine Milliarde Euro in den Klimaschutz zu investieren, ist notwendig. Das ist kein Luxus und kein Orchideenthema und das darf auch nicht einer Parteitaktik zum Opfer fallen. Wir wollen damit den notwendigen öffentlichen Verkehr in ganz Österreich ausbauen. Wir wollen ein leistbares Klimaticket für alle Österreicherinnen und Österreicher. In Wien haben wir vor vielen Jahren gemeinsam mit den Grünen das 365-Euro-Ticket – ein Erfolgsprojekt – eingeführt. Setzen wir die­ses Erfolgsprojekt in ganz Österreich um! Rollen wir es endlich aus und blockieren wir nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Klimaschutz muss endlich so ernst genommen wer­den, wie er ist. Die Klimakrise ist ernst, bitterer Ernst. Wir fordern deshalb auch einen Klimaschutzrat – nach dem Beispiel des Fiskalrats –, ein beratendes Gremium, das quasi das Klimaschutzkomitee aufwerten soll, das beraten soll, das Empfehlungen abgeben soll und das eine unabhängige Kontrolle der Klimaschutzmaßnahmen auf nationaler Ebene darstellen soll.

Wir alle hier sind uns einig, dass der Klimawandel ein Thema ist, das wir nur gemein­sam lösen können. Die Herausforderungen sind zu groß für eine Partei, sind zu groß für eine Regierung, die Herausforderungen brauchen einen nationalen Schulterschluss über die politischen Grenzen hinweg, einen Schulterschluss mit unserer Zivilgesell­schaft, mit der Jugend in unserem Land. Nehmen wir die jungen Menschen ernst, handeln wir rasch, handeln wir gemeinsam, handeln wir entschlossen und ehrlich, sehr geehrte Damen und Herren! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.01

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rauch. – Bitte.