14.39
Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Die Debatte über die Besetzung von Positionen in staatsnahen Betrieben oder Beteiligungen ist eine, die ziemlich alt ist.
Ich halte es mit dem Klubobmann der Grünen Werner Kogler, der sagt: Selbstverständlich ist es das gute Recht einer demokratisch legitimierten Regierung, solche Positionen, bei denen es für den Staat um etwas geht, auch mit Vertrauensleuten, die geeignet sind, zu besetzen. (Abg. Meinl-Reisinger: Aufsichtsräte von mir aus, aber nicht Vorstände! Entschuldigung!)
Dass sich hier und heute aber ausgerechnet die Sozialdemokratische Partei an die Spitze dieser Diskussion setzt, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, da man doch weiß, wie die Geschichte der verstaatlichten Industrie, der staatsnahen Betriebe und Beteiligungen insbesondere Ende der Neunzigerjahre, aber selbstverständlich auch zwischen 2006 und den darauffolgenden Jahren war. Der einzige Unterschied zu damals ist: Die Sozialdemokraten hatten nie einen Personalberater notwendig, die haben einfach gesagt: Der wird’s und aus! – Insofern haben wir schon große Fortschritte gemacht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kassegger.)
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, der Meinung sind, dass das, was da gemacht worden ist, eine Sünde ist, dann kann ich Ihnen nur mit der Aussage entgegentreten: Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. – Dass Sie ihn geworfen haben, halte ich für eine elegante Aktion. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)
Meine Damen und Herren, was mich viel mehr in Betroffenheit versetzt, ist allerdings, wie in dieser Republik mit den Rechten von im Verfahren Beschuldigten umgegangen wird. (Abg. Schrangl: Richtig!) Das ist etwas, womit wir uns auseinandersetzen müssen. Wenn es so ist, dass am 12. November Hausdurchsuchungen stattfinden und am 17.11., bevor den Beschuldigten zur Äußerung und Rechtfertigung die Resultate vorgelegt werden, in einer Tageszeitung steht, was Akteninhalt ist (Ruf bei der FPÖ: Is ja gscheit!), dann ist das ein derartig harter Verstoß gegen die grundsätzlichen Rechte eines Beschuldigten in einem Verfahren, der da quasi in Handschellen und an der Halskette durch das Kolosseum und den Circus Maximus der Medien und der Politik gezogen, geopfert und medial beziehungsweise öffentlich hingerichtet wird, ohne eine Chance, sich zu wehren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Das widerspricht allem, was der Artikel 6 der Menschenrechtskonvention jedem Beschuldigten dieses Landes – und ich betone: jedem – zuerkennt.
Spät, aber doch reagiert auch die Justiz: Sie sagt, sie möchte das abstellen und das Leak suchen. Spät ist das deshalb, weil es meiner Meinung nach in den letzten zehn, 15 Jahren ja geradezu Praxis war, dass aus Verfahrensakten zitiert wurde, ja, Kabaretts daraus geworden sind und die Beschuldigten keine Chance hatten, sich zu wehren (Abg. Loacker: Bei manchen Kabaretts sind die Beschuldigten selbst schuld! – Abg. Belakowitsch: Na, genau net! – weiterer Ruf bei der FPÖ: Sicher nicht!) – und ich möchte das auch ganz klar in Richtung der Zeitungen und Medien sagen.
Meine Damen und Herren, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ein ganz klares Verdikt dazu gefällt: Die Schweiz hat einen Journalisten wegen genau solcher Veröffentlichungen strafrechtlich verurteilt, und das hat vor dem Menschenrechtsgerichtshof gehalten. Ich darf nur ein paar Sätze aus der Begründung zusammenfassen: Grundsätzlich verdienen die nach Artikel 6 und nach Artikel 10 EMRK geschützten Rechte gleichermaßen Respekt, doch im Hinblick darauf, was bei Strafverfahren auf dem Spiel steht, ist es legitim, besonderen Schutz für die Vertraulichkeit gerichtlicher Unterlagen vorzusehen. Den Staat trifft sowohl eine positive als auch eine negative Verpflichtung zur Achtung des Privat- und Familienlebens des Beschuldigten. Er darf nicht nur, so der EGMR, keine geschützten Informationen preisgeben, sondern er muss auch Maßnahmen für einen effektiven Schutz setzen. – Meine Damen und Herren, da haben wir ein ordentliches Stück Arbeit vor uns. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Um dieses Stück Arbeit zu unterstützen, bringe ich folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Klaus Fürlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „volle Aufklärung des Ibiza Videos“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz wird aufgefordert, alle Schritte zu setzen, um die volle Aufklärung aller sich aus dem Ibiza Video ergebenden Vorwürfe, aber auch der Hintergründe des Ibiza Videos, insb. das Zustandekommen und die Hintermänner, zu gewährleisten. Weiters ist eine Überprüfung der justizinternen Abläufe, die zur Veröffentlichung von Inhalten aus Akten der Staatsanwaltschaften führen konnten, durchzuführen sowie allfällige Maßnahmen zu setzen, die dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren zum Durchbruch verhelfen sollen.“
*****
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas sagen. – Das sage ich auch in Ihre Richtung, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, weil auch Sie hier wieder nur mit nicht bewiesenen Verdächtigungen agieren. Das steht Ihnen meiner Meinung nach in dieser Form nicht zu (Abg. Meinl-Reisinger: Warum?), weil Sie keinerlei Beweise dafür haben, was Sie hier behaupten. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie werden nicht beurteilen, was mir zusteht! Viele Menschen machen sich Sorgen wegen dieser ...!) – Ich beurteile das von hier heraußen. Frau Meinl-Reisinger, Sie können sich dann noch einmal zu Wort melden. Sie haben wieder nur plumpe Verdächtigungen ausgesprochen, und das steht Ihnen meiner Meinung nach nicht zu. Dazu stehe ich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Das Grundrecht der Unschuldsvermutung, Frau Meinl-Reisinger, ist ein unteilbares, und das Problem ist, dass dieses Recht entgegen Ihren Lippenbekenntnissen hier heraußen anscheinend nicht ganz unteilbar ist. (Abg. Meinl-Reisinger: Wo hab ich es denn verletzt?) Es gilt nämlich für die einen nicht, aber für die anderen gilt es, und das kann nicht sein! Jeder in diesem Land hat ein Recht auf ein faires Verfahren (Abg. Meinl-Reisinger: Wo hab ich es denn verletzt?), meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Die Bundesregierung, wie immer sie aussieht (Abg. Meinl-Reisinger: Wo hätte ich es denn verletzt?), wird mit der Justizverwaltung dieses Problem unmenschlicher Vorverurteilungen zu bearbeiten und ein Verfahren zu gewährleisten haben, das eines öffentlichen, guten Rechtsstaates würdig ist. Das ist es zurzeit nicht. Wie das abläuft, ist eine Schande für den Rechtsstaat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Unterstützen Sie die Justiz, anstatt sie ständig schlechtzumachen und auszuhungern!)
14.45
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
des Abgeordneten Mag. Klaus Fürlinger,
Kolleginnen und Kollegen
betreffend volle Aufklärung des Ibiza Videos
eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Von Ibiza zu den korruptionsvorwürfen und Personalvergaben bei der Causa Casinos.
Seit Veröffentlichung von Teilen des sogenannten Ibiza Videos am 17. Mai 2019 ist das Zustandekommen des Videos sowie die veröffentlichten Inhalte daraus laufend Thema der medialen Berichterstattung und politischer Diskussionen. So befasst sich die heutige Sondersitzung mit einem Teil der darin enthaltenen Anschuldigungen und Überlegungen, die zu Inhalten des Ibiza Videos Bezug haben. Es ist eine rasche und volle Klärung der im Ibiza Video getätigten Aussagen – besonders auch im Hinblick auf deren allfällige strafrechtliche Relevanz - gefordert. Sollte es tatsächlich zu strafrechtlich relevanten Verfehlungen gekommen sein, so sollen sie diese unter voller Anwendung der Gesetze geahndet werden.
Weiters wird die restlose Aufklärung aller Hintergründe, die zum Zustandekommen und zur Veröffentlichung des Ibiza Videos geführt haben, notwendig seien. Dazu zählt neben der vollständigen Klärung des Zustandekommens und der Veröffentlichung auch die Aufklärung im Hinblick auf alle beteiligten Personen, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung, Erstellung oder Veröffentlichung des Ibiza Videos stehen, ebenso wie auf die im Video getätigten Aussagen zu möglicherweise rechtswidrigen Vorgängen.
Von den Medien wurden in diesem Zusammenhang auch Dokumente und Inhalte aus den zum Teil sogar als Verschlusssache geführten Strafakten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft veröffentlicht. Dabei handelte es sich u.a. um Chat-Protokolle und Kalendereinträge aus staatsanwaltschaftlichen Akten, die größtenteils aus dem Zusammenhang gerissen zitiert und veröffentlicht wurden. Aus diesem Grund sind auch die Abläufe innerhalb der staatsanwaltschaftlichen Behörden und der polizeilichen Ermittlungsorgane, die zur Veröffentlichung von Inhalten geführt haben könnten, zu evaluieren und im Bedarfsfall zu optimieren. Dies gebietet auch das in der EMRK garantierte Recht auf ein faires Verfahren.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz wird aufgefordert, alle Schritte zu setzen, um die volle Aufklärung aller sich aus dem Ibiza Video ergebenden Vorwürfe, aber auch der Hintergründe des Ibiza Videos, insb. das Zustandekommen und die Hintermänner, zu gewährleisten. Weiters ist eine Überprüfung der justizinternen Abläufe, die zur Veröffentlichung von Inhalten aus Akten der Staatsanwaltschaften führen konnten, durchzuführen sowie allfällige Maßnahmen zu setzen, die dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren zum Durchbruch verhelfen sollen.“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.