10.49

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Frau Kollegin Heinisch-Hosek, ich bin schon irritiert über die Bemerkungen zu Beginn Ihrer Rede. Die Vorgangsweise bei der Konstituierung der Ausschüsse ist zwi­schen allen Fraktionen akkordiert (Abg. Heinisch-Hosek: Für fünf Ausschüsse, nicht alle!), und da jetzt zu versuchen, einen Konnex zwischen Koalitionsverhandlungen und Frauenmorden herzustellen, ist völlig indiskutabel und inakzeptabel. Das weisen wir zurück und da bin ich auch persönlich enttäuscht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn wir über Gewalt an Frauen sprechen, dann reden wir über Beschimpfungen, über Bedrohungen, über sexuelle Belästigung, über sexualisierte und psychische Ge­walt, sowohl in der realen als auch in der digitalen Welt. Die Zahl wurde vorhin schon genannt: Im Laufe ihres Lebens erfährt jede fünfte Frau körperliche oder sexuelle Ge­walt. Vergangenen Sonntag wurde eine Frau in Niederösterreich von ihrem Partner er­stochen – das war der 34. Frauenmord im laufenden Jahr in Österreich!

In Österreich werden europaweit die meisten Frauen von Männern umgebracht. Gewalt gegen Frauen kennt viele Facetten, aber weder Einkommensunterschiede noch soziale Zugehörigkeit, geographische Grenzen, Herkunft oder Religion.

Nein, Kollege Kickl, patriarchale Haltungen und patriarchale Denkmuster, Gewalt als Konfliktlösungsmethode werden nicht importiert. (Beifall bei den Grünen. Abg. Bela­kowitsch: Doch!)

Gewalt an Frauen wird nicht importiert, Männer verletzen und Männer töten Frauen überall. In Deutschland wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht.

„Die Zeit“ hat jeden dieser Morde aufgeschrieben. Ich zitiere aus der Dokumentation: „Er bringt sie [...] ‚durch stumpfe Gewalt gegen den Hals‘ um [...]. Er versteckt die tote Frau zunächst in einer Mülltonne, steckt die Leiche am nächsten Tag in Brand. Er habe seine Freundin immer wieder geschlagen und bedroht, auch gewürgt, sagen deren Fa­milienmitglieder aus.“

Ja, diese Schilderung macht sprachlos und betroffen, aber ich sage Ihnen Folgendes: Mit Sprachlosigkeit und mit Betroffenheitsrhetorik kommen wir nicht weiter, sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen. Für Sprachlosigkeit, für Betroffenheitsrhetorik sind wir nicht gewählt worden. (Beifall bei den Grünen.)

Wir müssen im Bereich der Gewaltprävention und des Gewaltschutzes besser werden, das sagen uns die Expertinnen und Experten aus der Justiz und auch aus der Verbre­chensopferhilfe. Sie alle haben das im Herbst von der letzten Regierung beschlossene Gewaltschutzpaket, das mit 1. Jänner 2020 in Kraft tritt, massiv kritisiert, und ich teile diese Kritik. Auch Zahlen wie zum Beispiel die folgende unterstützen diese Kritik: In 44 Prozent der Frauenmorde war gegen den Täter bereits ein Betretungsverbot ver­hängt worden. Im Bereich der Gefährdungserkennung und auch der präventiven Täter­arbeit ist somit offensichtlich akuter Handlungsbedarf gegeben.

Ich mag das noch einmal akzentuieren: Prävention vor Bestrafung, damit Gewalt erst gar nicht passiert. Strafverschärfungen bei Gewalt- und Sexualdelikten werden nämlich nicht zu einer Reduktion selbiger führen. Was wir stattdessen dringend brauchen, ist eine deutliche Aufstockung – das wurde heute schon erwähnt – der Budgetmittel für den Gewaltschutz und auch für die Gewaltprävention. Dabei dürfen wir auch beson­ders vulnerable Frauengruppen wie Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte nicht vergessen, denn im Unterschied zu Frauen, die in Österreich ein dichtes soziales Netz haben und die Sprache ausreichend beherrschen, wissen Migrantinnen und geflüchte­te Frauen oft gar nicht, wo und wie sie Hilfe bekommen können.

Wir müssen auch mit Nachdruck dort ansetzen, wo wir strukturelle Rahmenbedingun­gen für gleiche Bezahlung und für ökonomische Unabhängigkeit schaffen, denn einer der Gründe, warum Frauen in gewalttätigen Beziehungen bleiben oder in solche zu­rückkehren, ist die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Partner. Deshalb unterstütze ich die Teilnahme Österreichs an der Zeitverwendungsstudie des EU-Statistikamts Euro­stat mit Nachdruck, denn sie macht den ökonomischen Wert unbezahlter Arbeit sicht­bar und ist damit auch eine Voraussetzung für eine faktenbasierte Gleichstellungspoli­tik. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da gibt es jetzt Kopfschütteln bei der FPÖ, die ja bekanntlich die Teilnahme an dieser Studie ablehnt. Mit Gleichstellungspolitik haben Sie es ja nicht ganz so, das sieht man auch an Ihrem Parlamentsklub. Fünf von 30 Abgeordneten sind Frauen, und das ist Ih­nen anscheinend egal. Mir, sehr geehrte Damen und Herren, uns Grünen sind Gleich­stellung und Gewaltschutz aber nicht egal, das sind zentrale Anliegen für uns. Das war so, das ist so und das wird auch immer so sein  und das weiß auch jede und jeder, die oder der heute hier in diesem Plenarsaal sitzt.

Gewalt gegen Frauen ist ein strukturelles Problem, das auf patriarchale Machtverhält­nisse und stereotype Geschlechterrollen zurückzuführen ist, und wenn wir die Ursa­chen für Gewalt gegen Frauen ernsthaft bekämpfen wollen – und das ist hoffentlich un­ser gemeinsames Ziel hier –, dann müssen unsere Maßnahmen darauf abzielen, frau­enfeindliche Strukturen aufzubrechen und diese zu verändern, denn jede Frau, jedes Mädchen hat das Recht darauf, ihr Leben eigenständig zu leben, ohne dabei Angst zu haben. Machen wir uns gemeinsam für dieses Recht stark! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.54

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Brand­stötter. – Bitte.