11.23

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Bundesminis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte einen ganz anderen Aspekt in die heutige Debatte einbringen, einen, der aus meiner Sicht noch nicht ausreichend gewürdigt wurde, nämlich nicht nur die Frage der häuslichen Gewalt, sondern auch, was es für die Familie bedeutet, wenn ein Gewalt­verbrechen stattfindet, wenn Gewalt zum Alltag gehört und die Kleinsten unserer Ge­sellschaft betroffen sind, sprich Kinder.

Es geht um Kinder, die damit aufwachsen, für die es selbstverständlich ist – im Nor­malfall ist natürlich die Mutter betroffen –, dass Gewalt ausgeübt wird, dass psychische Gewalt ausgeübt wird, dass Gewalt eine Art von Kommunikation ist. Was löst das in einem Kind aus? – Das löst einerseits natürlich eine große Unsicherheit aus. Das löst einen großen emotionalen Stress aus, das löst ein Gefühl von Angst, von Ohnmacht aus. Mitunter löst es auch ein Gefühl von Schuld aus – ungerechtfertigterweise na­türlich, aber in diesem Kind greifen sehr, sehr viele Gefühle Platz, die ein Kind norma­lerweise nicht haben sollte.

Wir sprechen nicht von ein, zwei, drei Kindern pro Jahr, die das vielleicht betrifft – und selbst das wären zu viele! –, sondern alleine im Zusammenhang mit den Gewaltver­brechen, die uns bekannt sind, sprechen wir von 5 347 Kindern, die im Jahr 2018 als Zeugen genannt worden sind. 5 347 Kinder haben in irgendeiner Form eine Aussage darüber machen müssen, dass jemand in der Familie – in den meisten Fällen der Va­ter, der Lebensgefährte, der Partner der Mutter – gewalttätig war.

Die Frage ist: Wie gehen wir in einer solchen Situation vor? Unabhängig davon, dass wir jeden Mord und schwere Gewalt verurteilen und auch verhindern müssen, so wir können, müssen wir uns auch damit beschäftigen, wie es den Kleinsten in unserer Ge­sellschaft geht.

Opferschutzeinrichtungen, Kinderschutzzentren, Interventionsstellen, aber auch die Kinder- und Jugendanwaltschaft und die Volksanwaltschaft haben gemeinsam schon sehr häufig klare Forderungen gestellt, was es braucht, um für diese Kinder wirklich eine gute Betreuung, eine gute Begleitung gewährleisten zu können. Sie haben be­klagt, was derzeit in Österreich alles fehlt. Es gibt einen erheblichen Personalmangel, die Anzahl an Personen, die derzeit quasi von der Republik und von den Ländern zur Verfügung gestellt wird, reicht einfach nicht aus, um die Kinder ausreichend zu be­treuen. Es gibt einen erheblichen finanziellen Mangel und es gibt keine einheitlichen Ausbildungsstandards in der Kinder- und Jugendbetreuung.

Jetzt frage ich mich aber – das ist ja kein neues Thema, das ist nichts, das uns heute zum ersten Mal beschäftigt –: Was hat denn die letzte türkis-blaue Regierung ganz konkret getan, außer dagegen zu wettern, was uns Herr Kickl vorhin wiederum sehr eindruckslos gezeigt hat? (Heiterkeit der Abg. Krisper.)

Ganz konkret hat man Folgendes gemacht: Man hat einerseits die Budgetmittel weiter gekürzt, man hat 1 Million Euro von den Familienberatungsstellen weggenommen – 1 Mil­lion Euro! –, das bedeutet – man hat das auch nachgerechnet – pro Jahr 18 518 Bera­tungen weniger. Andererseits hat man die Kinder- und Jugendhilfe verländert. Wenn man von allen Stellen hört, dass es einheitliche Standards in der Ausbildung und in der Definition, wie man mit den Kindern arbeiten soll, braucht, und wenn man gleichzeitig hört, dass das verländert wird, dann weiß man, was das bedeutet: Es wird keine ein­heitlichen Standards geben. ÖVP und FPÖ haben darüber hinaus dafür gesorgt, dass es weniger Beratungen gibt.

Tatsächlich reden wir da nicht von viel Geld, sondern wir reden von 1 Million Euro für die richtigen Maßnahmen.

Was es abgesehen von der Betreuung der Kinder bräuchte, ist ganz klar: Wir bräuch­ten eine entsprechende Sensibilisierung bei der richterlichen und staatsanwaltlichen Ausbildung. Es geht um die Frage, wie man mit Kindern, die Zeugen eines Gewaltver­brechens an ihrer Mutter wurden, umgeht. Es gibt da Skurrilitäten, die wirklich unver­ständlich sind. Es gibt beispielsweise keinen Rechtsanspruch auf Prozessbegleitung, wenn ein Kind Zeuge eines solchen Gewaltverbrechens wird und nicht selbst Opfer ist, also nur Zeuge ist. Das bedeutet, ein Kind, das in ein Gerichtsverfahren geschubst wird, in dem es einem enormen emotionalen Stress ausgesetzt wird, weil es gegen den eigenen Vater oder gegen den Lebensgefährten der Mutter aussagen muss und auch nicht klar ist, wie es danach weitergeht, wird nicht einmal entsprechend begleitet. Das muss man sich einmal vorstellen!

Es ist daher ganz klar, dass wir NEOS, sobald der Familienausschuss und der Jus­tizausschuss konstituiert sind, unsere Verbesserungsvorschläge einbringen werden, weil wir glauben, dass es besondere Aufmerksamkeit nicht nur im Kampf gegen Ge­waltverbrechen braucht, sondern auch betreffend die Begleitung von Kindern, die sol­che Verbrechen gesehen haben.

Ich möchte daher mit Folgendem abschließen: Sie wissen, dass wir Liberale sehr oft von Freiheit sprechen. Ich glaube – gerade wenn ich jetzt an diese Kinder denke –, dass Angst der größte Feind der Freiheit ist, deswegen ist mein ganz konkreter Aufruf an unsere parlamentarische Arbeit hier und heute: Sorgen wir dafür, dass Kinder frei von Angst aufwachsen können! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abge­ordneten von SPÖ und Grünen.)

11.28

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.