11.56

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Diese Tafel kann man meines Erachtens schon für einen Tag stehen lassen, das ist nichts Schlimmes, Herr Kollege Lopatka, das muss man nicht abmontieren. (Abg. Lopatka: Das ist das Lieblingswort der SPÖ: abmontie­ren!)

Herr Kollege Lopatka und auch Frau Kollegin Köstinger, Sie haben das Wort Glaub­würdigkeit sehr oft bemüht und jetzt klimapolitisch das Grüne vom Himmel herunter erzählt. Ich habe nur eine Frage an Sie, an die Damen und Herren von der ÖVP: Wenn Klimapolitik so wichtig ist, dann sagen Sie mir, wieso eigentlich die ÖVP-Abgeordneten im Europäischen Parlament mit Ausnahme von Othmar Karas bei der Abstimmung ge­schlossen gegen die Ausrufung des Klimanotstands gestimmt haben! Geschätzte Da­men und Herren, erklären Sie mir das bitte! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Geschätzte Damen und Herren, die neue Kommissionspräsidentin hat von einem Neu­anfang gesprochen. Dieser ist dringend notwendig, weil Europa einen Wandel braucht. Viele Menschen vertrauen diesem Europa nicht mehr und es ist wahrscheinlich die Europäische Kommission vor allem als Taktgeber gefordert, da gegenzusteuern. In vie­len Bereichen müssen Weichen umgestellt werden. Schaffen wir die Trendwende in der Klimapolitik? Wird es ausreichend Zukunftsjobs in Europa geben? Zahlen die Großkonzerne endlich Steuern? – Man könnte noch zig derartige Problemfälle aufzäh­len, die entstanden sind, weil Europa zu sehr auf falsche Prioritäten gesetzt hat.

Zusammenfassend kann man aber sagen, warum die Menschen mit diesem Europa, mit unserem Europa unzufrieden sind: Europa hat das Wohlstandsversprechen für alle Bürgerinnen und Bürger nicht eingehalten. Das muss man ganz, ganz klar sagen. Die Schere zwischen Arm und Reich ist immer größer geworden, und es hat sich eine Ent­wicklung ergeben, die Menschen in unserem Land, in ganz Europa unzufrieden macht. Möchte man das ändern – und das müssen wir gemeinsam ändern –, dann muss man mit handfesten Dingen, die die Menschen spüren, mit kleinen Dingen, die aber große Wirkung haben, anfangen.

Ich frage Sie, wie ein Bauarbeiter in der Südsteiermark dazu kommt, dass er von Fir­men, die europäisches Recht so weit ausnützen, dass bei uns Lohn- und Sozialdum­ping stattfindet, unter Druck gesetzt wird. Solch ein Bauarbeiter in der Südsteiermark versteht dann die Europäische Union nicht. Sie hätten es in der Hand gehabt, das ab­zudrehen, aber Sie haben in der alten Ibizakoalition das Gegenteil gemacht. (Beifall bei der SPÖ.)

Oder: Wie kommen die Buchhandlungen, die Konditoreien, die kleinen Geschäfte, der Würstelstand dazu, mehr Steuern als Amazon, Google und alle anderen zu zahlen? –Das ist auch etwas, das geändert werden muss, und zwar schleunigst geändert wer­den muss, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Allein aus Österreich verschieben Konzerne über 4 Milliarden Euro auf legalem Weg in Steueroasen, um keine Steuern zahlen zu müssen. Dem österreichischen Finanzminis­ter entgehen jedes Jahr fast 1 Milliarde Euro an Steuereinnahmen, und das gehört ge­ändert. Dann passiert es endlich einmal, dass die Europäische Kommission, die bis jetzt nicht immer eine Vorreiterin in Fragen der Steuergerechtigkeit war, eine Initiative startet, dann passiert das endlich einmal! Es wird endlich vorgeschlagen, dass die Mit­gliedsländer die Steuerleistungen der großen Konzerne endlich melden müssen, damit man sieht, wo gezahlt wird und wo nicht gezahlt wird. Und was macht Österreich? – Österreich stimmt dagegen; und das ist noch dazu die entscheidende Stimme, sodass das nicht geschieht, geschätzte Damen und Herren. Das ist nicht Europapolitik, wie wir sie uns vorstellen. Das ist nicht Europapolitik, die den Menschen in Europa nützt. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, es ist auch nicht Europapolitik, die den Menschen nützt, wenn wir Österreicherinnen und Österreicher einmal Vorreiter in den Bereichen Umweltschutz, Schutz der Menschen, Schutz unserer Landschaften sind, indem hier eine große Mehrheit das Pflanzengift Glyphosat verbietet, die Europäische Union nichts dagegen hat und dann das eigene Bundeskanzleramt versucht, das abzudre­hen. (Abg. Doppelbauer: Macht halt ein gescheites Gesetz!)

Wir haben die Chance, das heute zu ändern. Wir haben die Chance, einem Antrag zu­zustimmen, der das ändert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich fordere Sie auf: Nützen wir das gemeinsam und machen wir in Österreich mit diesem Pflanzengift heute end­gültig Schluss! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.01

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bösch. – Bitte.