17.13

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Am Ende habe ich meine Firma verloren, mei­ne Frau verloren, war schwer depressiv und im Konkurs. – Das ist nur eine Aussage, wie ein betroffener Spielsüchtiger sein Schicksal schildert. Beim Glücksspiel – und das haben wir heute zigfach gehört – geht es um viel Geld, um wahnsinnig viel Geld, und es geht um Geld, das man den Spielsüchtigen aus den Taschen zieht, um es auf die Bankkonten der Glücksspielindustrie zu transferieren. Und da – und das ist die wahre Dramatik – spielt es eben keine Rolle, da schaut man eben nicht immer so genau hin, ob ein Lehrling seinen kompletten Monatslohn innerhalb von wenigen Stunden in den Automaten wirft. Zehntausende Hilflose werden jedes Jahr in die Sucht getrieben und ausgenommen, bis es nicht mehr geht. Das ist Geschäftemachen auf die schäbigste Art und Weise, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei den Grünen.)

Spielsucht – und das dürfen wir nie vergessen – sorgt für die größten persönlichen Kata­strophen überhaupt. Von der Spielsucht profitieren nur die einen, und das ist die Glücks­spielindustrie. Niemand anders profitiert davon! (Abg. Meinl-Reisinger: O ja!) Und wenn man sich die Zahlen ganz genau anschaut - - (Abg. Meinl-Reisinger: Der Finanzminis­ter! Na sicher, der Finanzminister profitiert auch!) – Nein, der Finanzminister profitiert nicht, denn das, was man an Steuern einnimmt, wird bei den Therapiekosten gleich wie­der rausgehauen. Das ist einfach eine Verlustrechnung, Frau Kollegin Meinl-Reisinger. (Abg. Meinl-Reisinger: ... Interessenkonflikt! – Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

Jetzt aber zu meinen Ausführungen: Wenn man sich die ganzen Umsatzzahlen der Glücksspielindustrie anschaut und genauer hinschaut, dann weiß man, dass 30 bis 40 Prozent aller Umsätze aus den Taschen von Spielsüchtigen kommen. Nimmt man nur das Automatenspiel her, sind es 60 bis 80 Prozent. Was heißt das? – Das Ge­schäft mit dem Glücksspiel ist ohne die Spielsüchtigen gar kein Geschäft. Das ist doch der Skandal, liebe Kolleginnen und Kollegen! Tatsache ist außerdem, dass der Umsatz von Glücksspielkonzernen und die Zahl der Süchtigen steigt, je höher die Verfügbarkeit der Spiele ist – mehr Automaten heißt mehr Umsatz, heißt mehr Spielsüchtige, heißt mehr Drama.

Die Österreicherinnen und Österreicher verspielten im letzten Jahr etwa 1,6 Milliarden Euro, und das meiste – das habe ich gerade ausgeführt – kommt aus den Taschen von Glücksspielsüchtigen. Glücksspiel ist ein Geschäft mit der Sucht. Ich frage Sie: Bei welcher anderen Krankheit würden wir es zulassen, dass man mit kranken Menschen ein Milliardengeschäft macht? Nur beim Glücksspiel ist das so, und das Glücksspiel ist ein Milliardengeschäft auf Kosten der Spieler. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Kollegin von den Freiheitlichen – sie ist jetzt leider nicht mehr da –: Ich würde Ih­nen sagen, im Grunde genommen macht es am Ende des Tages für die Spielsucht kei­nen Unterschied (die Rednerin erblickt Abg. Belakowitsch hinter den Sitzreihen) – ah, da hinten sind Sie; Entschuldigung, ich habe Sie nicht gesehen! –, ob der Eigentümer des Glücksspielkonzerns privater oder staatlicher Natur ist. (Zwischenruf der Abg. Be­lakowitsch.) Wie wir kürzlich im „Profil“ lesen konnten, gibt es auch bei den Casinos Austria einen Fall, in dem ein Mann 633 000 Euro verspielt hat, bis man ihn endgültig gesperrt hat. (Abg. Wurm: Wollen Sie es verbieten, das Glücksspiel?) Ich meine, das kann man auch nicht von der Hand weisen, dass es solche Fälle dort gibt.

Glücksspiel heißt für die Betroffenen Schulden machen, heißt weniger Leistung am Ar­beitsplatz, heißt mitunter Kriminalität, heißt zerrüttete Beziehungen, heißt auch – und es ist eben die falsche Rechnung, wenn man dies unberücksichtigt lässt – hohe Thera­piekosten, und wenn man die der guten halben Milliarde Steuereinnahmen gegenüber­stellt, dann ist das doch der blanke Hohn.

Glücksspiel ist ein gesellschaftspolitisches Lose-lose-Geschäft. Ich denke, dass der Kampf gegen die Spielsucht und der Einsatz für den Spielerschutz das übergeordnete politische Ziel bei allen politischen Entscheidungen und bei allen Glücksspieldebatten sein muss. Keine Steuereinnahmen dieser Welt – selbst wenn sie in die Sportförderung fließen, wenn sie in die Kulturförderung fließen – können das Leid der Spielerinnen und Spieler, das auf der anderen Seite passiert, wettmachen. Nichts ist so wichtig, wie die Österreicherinnen und Österreicher vor den Glücksspielbanditen zu schützen – vor den einarmigen Banditen, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb möchte ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen von den NEOS auch für ihre heute eingebrachte Initiative mit ganz vielen Detailvorschlägen, die wir im Grunde genommen auch gutheißen, bedanken. Ich finde, Sie treffen den Kern relativ gut, denn wir wissen ja aus der Forschung, je schneller ein Spiel ist, desto suchtgefährdender ist es, und diese Geschwindigkeit wollen Sie drosseln. Deshalb ist das für uns unterstüt­zenswert. Würde sich heute eine Mehrheit dafür finden, würden wir uns sehr darüber freuen, wenngleich wir – auch einen Blick in die Zukunft werfend – natürlich auch für das Onlinegaming eine Strategie brauchen, denn wie wir mittlerweile wissen, sind 70 Pro­zent der Spielerinnen und Spieler online unterwegs – und das im Moment de facto schutz­los.

Am Ende des Tages möchte ich noch einmal einen Appell an alle richten. Es ist die politische Aufgabe, das Gemeinwohl zu schützen und zu verteidigen. Für uns bedeutet das, wir stellen uns jedenfalls immer auf die Seite der Schwächeren, und die Schwä­cheren sind beim Glücksspiel die Spielsüchtigen. Danke schön. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der NEOS.)

17.19

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schell­horn. – Bitte.