12.12

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung! Wertes Ho­hes Haus! Liebe Zuseher und Zuseherinnen zu Hause vor den Fernsehschirmen bezie­hungsweise via Livestream! Heute ist ein historischer Tag, das wurde bereits gesagt. Das ist er für mich persönlich vielleicht auch, aber darum geht es nicht. Es ist ein histo­rischer Tag für die Grünen, aber auch darum geht es mir jetzt nicht primär. Es geht darum, dass wir aufgrund des Klima- und Umweltprogramms im Regierungsprogramm dieser Bundesregierung aus meiner Sicht tatsächlich einen historischen Tag feiern können, was den Klima- und Umweltschutz in Österreich betrifft. Ich freue mich sehr, dass ich Ihnen heute diesen Teil des Regierungsprogramms vorstellen darf, denn wir haben uns viel vorgenommen, nämlich nicht mehr und nicht weniger als die zentralen Herausforderungen unserer Zukunft anzugehen, anzupacken und Verantwortung für ein klimaneutrales, für ein ökologisches, aber auch für ein gerechtes und wirtschaftlich zukunftsfähiges Österreich zu übernehmen.

Klimaneutralität bis 2040 ist das Ziel, das wir uns in diesem Regierungsprogramm gesetzt haben. Das ist tatsächlich eine Größenordnung und Herausforderung, die der historischen Verantwortung, vor der wir stehen, angemessen ist. Es wurde heute schon vielfach erwähnt: In Australien, einem Kontinent, brennt mittlerweile eine Fläche in der Größe Österreichs. Wir müssen jedoch gar nicht so weit blicken, wir müssen uns nur an den letzten Sommer erinnern: die Hitzewellen, die Murenabgänge, die großen Schäden in der Landwirtschaft. Die Klimakrise ist in Österreich angekommen, deswe­gen brauchen wir den Mut und die Entschlossenheit im Handeln, die dieses Regie­rungsprogramm vorsieht, um dieser Krise zu begegnen.

Es ist Freitag, Freitagmittag: Nicht weit von hier stehen wieder junge Menschen auf der Straße, um sich für ihre Zukunft einzusetzen. Die Verantwortung für diese Zukunft, die Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft in Österreich aber tragen wir hier gemein­sam, und es sind auch wir, die diese Transformation, diesen Veränderungsprozess ge­stalten werden. Ich schaue gern zu den jungen Menschen, denn wir werden ihre Kraft, ihre Beharrlichkeit, ihre Energie, ihren Mut zur Gestaltung und ihren Willen zur Ver­änderung brauchen, um dieses Programm gemeinsam umzusetzen und um basierend auf den wissenschaftlichen Fakten dem gerecht zu werden, was unsere historische Verantwortung in dieser Situation ausmacht. Dieser Verantwortung möchte sich diese Bundesregierung stellen, und ich freue mich sehr, persönlich Teil davon sein zu dürfen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich bin davon überzeugt, dass die Voraussetzungen für entschlossenes Handeln für den Klimaschutz selten so gut waren wie jetzt, auch was die gesellschaftliche Unter­stützung betrifft. Deshalb ist es so wichtig, dass wir gemeinsam mit den Menschen im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden in die Umsetzung kommen.

Klimaschutz – es ist mir besonders wichtig, das heute hier zu sagen – ist kein Verzicht­programm, sondern ein Programm der Chancen. Es ist ein Programm für ein Mehr an Lebensqualität, für ein Mehr an sauberer Luft, für ein Mehr an Freiraum, ein Mehr an Gesundheit, ein Mehr an Gerechtigkeit und ja, auch ein Mehr an wirtschaftlichen Chan­cen. Deswegen freut mich insbesondere auch, dass im Kapitel zu Industrie und Wirt­schaft in unserem Regierungsprogramm der Klimaschutz als Innovationsschub und als Herstellung einer zukunftsfähigen Basis gerade auch für unsere Industrie und Wirt­schaft genützt wird.

Klimaschutz ist die Chance, uns zukunftsfähig auszurichten, und deswegen möchte ich an dieser Stelle ganz explizit eine Einladung zum Dialog aussprechen. Österreich 2040 ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt, an dem viele innovative Unternehmerinnen und Unternehmer beteiligt sind. Wir müssen es aber auch gemeinsam und im Dialog mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entwickeln, die diese Transformation begleiten werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich habe es schon gesagt: Klimaneutralität 2040 als Ziel ist ein Herzstück dieses Re­gierungsprogramms. Es ist unsere Ambition, damit im europäischen Klimaschutz an die Spitze zu gelangen. Wir werden uns dementsprechend auch auf europäischer Ebe­ne intensiv einbringen und die Bemühungen der EU-Kommission zur Anpassung der Zielsetzungen im Klimaschutz bis 2030 beziehungsweise 2050 unterstützen, um Euro­pa auf einen Kurs Richtung Erfüllung des Pariser Klimaabkommens zu bekommen.

Ziele sind wichtig, mindestens ebenso wichtig sind konkrete Maßnahmen. Erlauben Sie mir daher, Ihnen noch kurz ein paar der konkreten Maßnahmen aus diesem Regie­rungsprogramm vorzustellen. Die ökosoziale Steuerreform wurde bereits erwähnt, sie ist ein zentrales Anliegen, deswegen möchte ich gern noch einmal kurz darauf ein­gehen. Wir haben sie uns in zwei Schritten vorgenommen: 2021 mit sechs sehr kon­kreten Projekten, die im Regierungsprogramm angekündigt sind. Es geht darum, an­hand zentraler Stellschrauben im Steuersystem sicherzustellen, dass sich klimascho­nendes Verhalten lohnt, dass klimaschonendes Verhalten sich rechnet. In einem zwei­ten Schritt, der jetzt gemeinsam erarbeitet wird, geht es darum, die Bepreisung von Emissionen – natürlich mit Ausgleichsmaßnahmen für Wirtschaft und Private – anzu­gehen. Es geht darum, regionale Unterschiede, soziale Unterschiede angemessen zu berücksichtigen und diese ökologisch-soziale Steuerreform gut und gemeinsam auf den Weg zu bringen.

Wir haben die Einführung eines Klimaschutzgesetzes vor, wir haben die Einführung ei­nes Klimachecks vor, das heißt, wir machen Klimaschutz zu einem zentralen Entschei­dungskriterium im Gesetzgebungsprozess. Es gibt im Klima- und Energieprogramm zahlreiche horizontale Maßnahmen, die, so denke ich, unsere Zusammenarbeit in die­sem Bereich deutlich verbessern können.

Ich möchte abschließend noch auf die Bereiche Mobilität und Energie zu sprechen kommen. Bei der Mobilität haben wir uns besonders viel vorgenommen. Es freut mich, dass das heute bereits positiv aufgegriffen wurde. Einerseits geht es uns darum, die strategischen Grundlagen für die Weiterentwicklung des Mobilitätssystems zu schaffen. Herzstück dafür ist der Mobilitätsmasterplan 2030. Es geht um eine strategische Neu­ausrichtung des Mobilitätssystems in Richtung der Erreichung der Pariser Klimaziele, und das komplettiert durch einen Masterplan Güterverkehr.

Es ist tatsächlich eine große Herausforderung, vor der wir da stehen. Kern aller un­serer Überlegungen ist eine leistbare und umweltfreundliche Mobilität für alle in der Stadt und auch in den ländlichen Regionen. Um dies zu erreichen, gibt es zwei zen­trale Ansatzpunkte: Ausbau des öffentlichen Verkehrs, attraktive Weiterentwicklung der Schieneninfrastruktur als Rückgrat eines umweltfreundlichen öffentlichen Verkehrs. Die Öffimilliarden für den städtischen und ländlichen Raum wurden ja bereits vielfach er­wähnt. Das bereits gute Öffiangebot weiter auszubauen ist ein zentrales Anliegen. Wir wollen das Angebot und die Taktung unter dem Titel Garantiert mobil und das tarifliche Angebot mit einem günstigen österreichweiten Jahresnetzticket verbessern.

Mit dem 1-2-3-Ticket wollen wir auch eine langjährige verkehrspolitische Forderung umsetzen und damit den öffentlichen Verkehr in Österreich noch deutlich attraktiver machen. Wir haben in Österreich ein sehr gutes Angebot, aber wir haben auch eine Benchmark, das sind unsere Nachbarn in der Schweiz, und da lohnt es sich hinzu­schauen und auch in diesem Sinn das öffentliche Angebot für alle in diesem Land mit einem Mehr an Lebensqualität weiterzuentwickeln. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Auch betreffend die aktive Mobilität findet sich einiges im Regierungsprogramm: eine Fahrradoffensive, die Attraktivierung des Fußgängerverkehrs, Barrierefreiheit – das al­les sind wichtige Themen in der umweltfreundlichen Mobilität. Natürlich gilt es aber auch im Straßenverkehr große Schritte in Richtung Dekarbonisierung, Umstieg auf er­neuerbare Energieträger und alternative Antriebe zu machen. Große Schritte zu ma­chen heißt auch, dass es die Verwaltung vorzeigen möchte: CO2-neutrale, klima­neutrale Verwaltung ist mit einer Vielzahl an Maßnahmen ein großes Thema in diesem Regierungsübereinkommen. Ich denke, da haben wir wirklich Möglichkeiten, gerade auch beim Schlüsselthema Mobilität voranzukommen und die nächsten Schritte in Richtung Emissionsfreiheit im ganzen Mobilitätssektor zu machen.

Ich möchte auch noch kurz den Bereich des Güterverkehrs erwähnen. Dort wollen wir Initiativen zu mehr Kostenwahrheit auf nationaler und auf EU-Ebene setzen, Spiel­räume zur Ökologisierung nutzen, gerade was den Transitverkehr betrifft. Das ist ein wesentliches Problem, ein wesentliches Thema in Österreich. Wir wollen die Men­schen, die tagtäglich davon betroffen sind, deutlich entlasten. Auch vor dem schwieri­gen Markthintergrund ist die Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene ein zentrales Thema dieses Regierungsprogramms. Auch abseits der großen Transitrouten wollen wir Maßnahmen setzen, um einerseits die heimische Güterver­kehrs- und Logistikbranche zu stärken, aber andererseits neue, experimentelle Lösun­gen zu entwickeln, um auch innovativen Konzepten Raum zu geben.

Zu den letzten beiden Punkten: Ich habe ja die Ehre – so Ihre Zustimmung heute zum Bundesministeriengesetz –, dann ein Ministerium zu leiten, das neben Verkehr, Inno­vation und Technologie auch die Bereiche Klimaschutz, Energie und Umwelt beinhal­ten wird und damit wirklich das Ressort in dieser Regierung sein wird, das auch sek­torenübergreifend einige der zentralen Stellhebel für den Klimaschutz zusammen den­ken und anwenden kann. Darauf freue ich mich sehr.

Kernstück in diesem dazukommenden Energiebereich wird aber sicher die Nachfolge­regelung für das Ökostromgesetz, das heißt der Ausbau der erneuerbaren Energien, sein. Wir starten in Österreich von einer guten Ausgangslage, aber wir haben viel vor uns. Ich glaube, ich muss insbesondere den Energiesprechern und Energiespreche­rinnen der Parlamentsparteien, den Klimaschutzsprecherinnen und -sprechern nicht näher erläutern, dass das Ziel, das wir uns da gesetzt haben – nämlich der Ausbau er­neuerbarer Energien im Ausmaß von 27 Terawattstunden –, ein ambitioniertes ist, ei­nes, das uns zum raschen Handeln bewegen wird und das rasches Handeln braucht, aber eines, das wirklich Chancen hat und wofür es in der Bevölkerung wirklich massive Unterstützung gibt.

Halten wir uns vor Augen, dass wir in der Förderung wegwollen vom Stop-and-go hin zum laufenden Ausbau, gerade was die Fotovoltaik betrifft; ich spreche hier das Eine-Million-Dächer-Fotovoltaik-Programm an. Da können wir den Klimaschutz wirklich nahe am Menschen, nahe an den Österreicherinnen und Österreichern weiterentwickeln, denn viele sind da jetzt schon dabei, und es gibt großes Potenzial, dass sich da mehr Menschen über Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften, über ihre Fotovoltaikanlage am Dach beteiligen. Ich glaube, das ist auch einer der zentralen Hebel, um den Klima­schutz ganz nahe zu den Menschen zu bringen. Ich freue mich auf die Zusammen­arbeit mit Ihnen in der Entwicklung dieses Gesetzes. Wir wollen es rasch ins Hohe Haus bringen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben in diesem Regierungsprogramm im Bereich Klimaschutz und Energie neben einem neuen Energieeffizienzgesetz mit verbesserten Kriterien natürlich auch viele weitere Vorhaben. Das Phase-out für fossile Energieträger in der Raumwärme wurde angesprochen. Das werden wir im Dialog mit den Bundesländern, den Energieversor­gern und den Betreibern auch weiterentwickeln, denn der Ausstieg aus Öl-, Kohle- und Gasheizsystemen – und da kann ich die Diskussion von zuvor aufgreifen – ist eine Zu­kunftschance für Österreich. Es ist auch eine Chance für mehr Gerechtigkeit, denn ich glaube, eines ist klar: Ein gut saniertes, mit erneuerbaren Energien beheiztes oder ge­kühltes Haus ist eines, das langfristig deutlich geringere Betriebskosten hat, und es ist auch ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit, wenn wir da ambitioniert und mutig weiter­gehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Aufgrund der Kürze der Zeit habe ich jetzt nur ein paar der Maßnahmen aus dem Re­gierungsprogramm im Bereich Klimaschutz, Energie, Mobilität und Infrastruktur er­wähnen können. Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen sehr intensiv gerade auch in diesen Bereichen aktiv werden und die ersten Maßnahmen und Prozesse mit Ihnen gemeinsam vorbereiten, denn ich bin wirklich überzeugt davon, dass Klima­schutz als Projekt nur gemeinsam gelingen kann. Daher kommt auch von mir von die­ser Stelle aus eine Einladung an Sie alle – an alle Mitglieder des Hohen Hauses, an die Bundesländer, die Städte, die Gemeinden, ganz besonders auch an die Wirtschaft, die Interessenvertretungen, die Sozialpartner, die Wissenschaft, die Zivilgesellschaft und die NGOs –, mit uns gemeinsam das Projekt Klimaneutralität 2040 zu gestalten.

Ich glaube, es ist eine riesige Chance für unser Land. Ich freue mich sehr auf die Zu­sammenarbeit, ich freue mich sehr auf die Herausforderung und ich freue mich, mit Ih­nen gemeinsam die Zukunft Österreichs im Hinblick auf Klimaschutz und Klimaneu­tralität 2040 zu gestalten! – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei Abge­ordneten der SPÖ sowie des Abg. Bernhard.)

12.26

Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Josef Muchitsch zu Wort ge­meldet. – Bitte.