15.15

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Kanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen auf der Regie­rungsbank! Liebe KollegInnen hier im Hohen Haus, Zuseherinnen und Zuseher! Zum Ersten möchte ich damit beginnen, Ihnen herzlich zu Ihren neuen Funktionen zu gra­tulieren. Ich wünsche Ihnen Kraft und Mut im Gestalten und freue mich auf eine neue Form der Kooperation, des Dialogs und der Zusammenarbeit.

Naturgemäß habe ich das Regierungsprogramm stark aus bildungspolitischer Sicht unter die Lupe genommen und sehr, sehr genau gelesen. Wenn ich Sie, Herr Kanzler, heute in der Früh richtig verstanden habe, dann zeigt sich das, was Sie heute in der Früh angesprochen haben, da sehr, sehr genau. Sie haben sinngemäß gesagt: Es ist ein neues Regierungsprogramm, in dem jeder seine Handschrift durchsetzen konnte und keine Minimalkompromisse geschlossen wurden. – Ja, genau! So ist das offen­sichtlich auch im Bildungsteil passiert, denn er mutet an, als würde das türkis-blaue Bil­dungsprogramm in voller Kraft und Stärke weitergeführt werden. Es ist eine Weiterfüh­rung rückwärtsgewandter Bildungspolitik, die den Herausforderungen der Zeit in keins­ter Weise Rechnung tragen wird.

Es sind herausfordernde Zeiten, in denen wir nicht wissen, wie unsere Lebens- und Berufswelten in zehn, fünfzehn Jahren aussehen werden. Das heißt, es ist ganz, ganz wichtig, unsere Kinder und jungen Menschen mit jenem Wissen und jenen Kompeten­zen auszustatten, die es ihnen erlauben, diese Herausforderungen zu schultern und zu stemmen. Da braucht es die beste Bildung für alle Kinder, für jedes einzelne Kind, und die beste Bildungskarriere muss ihnen allen ermöglicht werden.

Deshalb stehen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht an, das The­ma Bildung immer unter der Prämisse der Chancengerechtigkeit zu analysieren und zu beurteilen. Was zählt ist schlichtweg: Macht es die Schule besser? Lernen die Kinder mehr? Gehen sie gerne in die Schule – im Übrigen auch die Pädagoginnen und Päda­gogen? Lernen sie Kreativität und Neugier gezielt einzusetzen? Gibt es modernste Pä­dagogik und Vermittlung an den Schulen? Und: Gibt es Maßnahmen, die Kinderarmut wirklich einschränken? Unter dieser Prämisse habe ich das Bildungsprogramm ange­schaut, und das hat mir dann doch einige Sorgenfalten auf die Stirn getrieben.

Lassen Sie mich jedoch mit dem Positiven beginnen: Ich freue mich zutiefst, dass die Elementarpädagogik wieder einmal – das muss ich auch sagen, liebe Sibylle Ha­mann – im Regierungsprogramm steht, und zwar mit dem, was es endlich zu tun gilt: Qualitätsrahmen, Bildungsrahmenplan, Tertiärisierung der Ausbildung und vieles mehr. Bitte machen! Lieber Heinz Faßmann, bitte machen und umsetzen! Es ist dringend not­wendig, denn die Elementarbildung ist eine so zentrale Stellschraube in einer Bildungs­karriere. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Abg. Shetty.)

Duale Ausbildung: Bitte machen! Die Qualität der dualen Lehrausbildung schärfen, wei­terentwickeln, die Lehrberufe per se weiterentwickeln und auf Qualitätssicherung ach­ten: Bitte machen!

Sorgenfalten bekomme ich aber schon beim Chancenindex, einem Chancenindex, der seit 2017 inklusive Kriterien im Gesetz steht, möchte ich bloß sagen. Warum treibt mir das die Sorgenfalten auf die Stirn? – Weil es nur 100 Schulen sind, 100! Die Fakten, Zahlen und Daten zu einem Chancenindex – jenen Schulen, die es dringend brauchen und die besondere Herausforderungen zu bewältigen haben, die Mittel zu geben, die Ressourcen zu geben, das gut zu meistern – sind schon lange da, die liegen am Tisch, und es gilt, diesen Chancenindex endlich umzusetzen. Das aus dem Integrationstopf fi­nanzierte Unterstützungspersonal, das einfach gestrichen wurde: Ja, bitte wieder dafür sorgen, dass die Schulen dieses Unterstützungspersonal bekommen! Gut so!

Ausbau der Kindergärten, Ausbau der ganztägigen Schule – keine Zielzahlen, kein Fahr­plan, keine Finanzierung, vage.

Was ich vermisse: Liebe Grüne, wo bleiben eure Herzensprojekte in diesem Regie­rungsprogramm? Inklusion, volle Inklusion, das war doch immer auch euer Ziel. Ich su­che es mit der Lupe. Langfristig, vielleicht, irgendwann einmal steht da im Regierungs­programm. Die gemeinsame Schule als zentrale Maßnahme, um jedem Kind die Chan­cengerechtigkeit in die Wiege zu legen und zu geben, vermisse ich sehr.

Diese Liste könnte ich noch ein bisschen fortsetzen, die Zeit fehlt mir leider dazu. Was aber im Bildungsprogramm durchgängig auffällig ist, ist eines: Es fehlt die Finanzie­rung.

In anderen Bereichen sind Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber ganz konkret im Regierungsprogramm. Die 1,6 Milliarden Euro KÖSt-Senkung für die Großkonzerne waren heute schon Thema. 1,6 Milliarden! Liebe Grüne, was könnten wir mit 1,6 Milliar­den für die Schulen leisten?! – Damit könnte jede österreichische Schule einen Sozial­arbeiter, eine Psychologin, administratives Personal bekommen – und die 5 000 Lehrer mehr, die wir die ganze Zeit fordern, um Schule gelingen zu lassen, im Sinne des Chancenindexes für jene, die es wirklich brauchen, könnten wir auch noch locker damit finanzieren! Und da fällt mir noch vieles ein. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht nur für die Schule und für die Bildung könnten wir mit den 1,6 Milliarden Euro ganz, ganz viel tun, sondern auch wirtschaftspolitisch könnten wir ganz viel tun, vor al­lem für kleine und kleinste Unternehmen.

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „keine Steuergeschenke für Großkonzerne“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, von der geplanten Senkung der Körperschaftsteuer abzusehen und stattdessen durch sinnvolle und zielgerichtete steuerliche Fördermaßnahmen im Unternehmens­steuerbereich, insbesondere für kleinste, kleine und mittlere Unternehmen, Investi­tionen in den Arbeitsmarkt, das Wirtschaftswachstum und den Klimaschutz zu unter­stützen.“

*****

Und wie gesagt, auch Bildung wäre da ein ganz zentrales und wichtiges Thema. – Vie­len Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.21

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.a Dr.in Sonja Hammerschmid,

Genossinnen und Genossen

betreffend keine Steuergeschenke für Großkonzerne

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 1 über Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates an­lässlich des Amtsantrittes der neuen Bundesregierung

Begründung

Österreich hat ein Steuerstrukturproblem. Mehr als 80% der Steuern und Abgaben er­wirtschaften und zahlen ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen (Steuern auf Arbeit und Konsum). Weniger als 20% kommen von Kapital und Vermögen. Die SPÖ hat während ihrer Regierungszeit (2007-2017) laufend Steuern und Abgaben auf Arbeit ge­senkt und im Gegenzug Steuern und Abgaben auf Kapital und Vermögen erhöht. Da­durch wurde das Steuerstrukturproblem verkleinert.

Die neue Bundesregierung von ÖVP und Grünen geht, wie die alte schwarzblaue, ei­nen gegenteiligen Weg. Im Programm werden zwar Steuern und Abgaben auf Arbeit gesenkt, aber gleichzeitig viel stärker noch Steuern auf Kapital und Vermögen, das Steuerstrukturproblem wird also wieder vergrößert.

Die im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen vorgesehene Körperschaftsteuer-Senkung von 25% auf 21% kostet rund 1,6 Mrd. €, dadurch erhalten vor allem große Konzerne ein Steuergeschenk in Milliardenhöhe. Allein die größten 300 Unternehmen bekommen fast die Hälfte des gesamten Steuersenkungsvolumens, und die größten 10% der Unternehmen bekommen 90% der gesamten Körperschaftsteuersenkung von 1,6 Mrd. €.

Dieses Volumen fehlt für die Steuersenkung der Arbeitseinkommen in der Lohn- und Einkommensteuer, die, im Gegensatz zu Körperschaftsteuer, von der Wirkung der kal­ten Progression betroffen sind. Mit der Senkung der Körperschaftsteuer wird kein ein­ziger Arbeitsplatz geschaffen und es werden keine Investitionen in das Wirtschafts­wachstum oder den Klimaschutz gefördert. Solche gezielten steuerlichen Maßnahmen, z.B. durch geänderte Abschreibungsmöglichkeiten, wären die steuerpolitisch effiziente­re Maßnahme im Bereich der Unternehmenssteuern, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen.

Selbst radikale Vertreter des Neoliberalismus kritisieren diese Maßnahme scharf:

„Statt der Körperschaftsteuersenkung auf 21 Prozent aber wäre es sinnvoller gewesen, den Faktor Arbeit stärker zu entlasten und Investitionen steuerlich deutlich besserzu­stellen.“

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, von der geplanten Senkung der Körperschaftsteuer abzusehen und stattdessen durch sinnvolle und zielgerichtete steuerliche Fördermaßnahmen im Unternehmens­steuerbereich, insbesondere für kleinste, kleine und mittlere Unternehmen, Investi­tionen in den Arbeitsmarkt, das Wirtschaftswachstum und den Klimaschutz zu unter­stützen.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Neßler. – Bitte.