10.17

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Lassen Sie mich wie folgt zu den schwung­vollen Ausführungen von Klubobmann Kickl zum Thema totalitäre Tendenzen an Uni­versitäten Stellung beziehen: Universitäten sind unzweifelhaft Orte der freien wissen­schaftlichen Forschung und Lehre. „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“, so steht es im Staatsgrundgesetz und in großen Lettern am Stiegenaufgang des Neuen Insti­tutsgebäudes.

Universitäten sind auch der „Vielfalt wissenschaftlicher und künstlerischer Theorien, Methoden und Lehrmeinungen“ verpflichtet; so steht es auch im Zielparagrafen des UGs aus 2002. Darüber hinaus sind Universitäten Orte der intellektuellen Konfrontation und des demokratischen Diskurses. Der Austausch von Argumenten, das Abwägen derselben und das mögliche Finden gemeinsamer Positionen, aber möglicherweise auch der Dissens gehören zum Wesen einer Universität. Diese Auseinandersetzung ist immer eine geistige, niemals eine gewaltsame. Das ist mir extrem wichtig, meine Da­men und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Die Wissenschaftsfreiheit und auch die Meinungsfreiheit haben klarerweise ihre rechtli­chen Grenzen, die von der Rechtsordnung und auch von moralischen Geboten be­stimmt werden: Verbotsgesetz, Verleumdungen, aber im Bereich der Wissenschafts- und Forschungsfreiheit würden auch Experimente am menschlichen Genom dazu­zählen.

Werden diese Gesetze und Grenzen respektiert, ist Wissenschafts- und Meinungsfrei­heit vollumfänglich gegeben und müssen garantiert werden, insbesondere an den Uni­versitäten, denn sie sind, wie ich gesagt habe, Orte der Debatte, des Streits der intel­lektuellen Auseinandersetzung – und darum sind mir diese Universitäten auch so be­sonders wichtig.

Es ist daher keine Frage, Herr Kickl, dass eine Alice Schwarzer an der Universität für angewandte Kunst sprechen darf, auch wenn einige wohl dem linken Lager zuzurech­nende Aktivisten und einige ÖH-VertreterInnen ihr antimuslimischen Rassismus vor­werfen und die Veranstaltung durch minutenlange Gegenrede in Schreilautstärke stö­ren, wie es Lisa Nimmervoll berichtet hat.

Es muss auch möglich sein, dass ein Universitätslehrgang mit dem Titel „Flucht, Asyl, Migration“ an der Universität Klagenfurt abgehalten werden kann, auch wenn die wohl eher dem rechten Lager zuzurechnenden Aktivisten mit der Asyl- und Zuwanderungs­politik des Jahres 2016 nicht einverstanden waren, die Veranstaltung störten und dem Rektor einen Faustschlag versetzten.

Auch muss es unzweifelhaft möglich sein, dass Professor Höbelt eine Vorlesung zum Thema Die Zweite Republik im Hörsaal 50 der Universität Wien hält, auch wenn Bur­schenschafter im Publikum sitzen und einige ÖH-Funktionäre den Lehrveranstaltungs­leiter aus politisch-weltanschaulichen Gründen ablehnen.

Ich darf grundsätzlich auch auf die rechtliche Situation Bezug nehmen, wie die Ver­antwortungsteilung zwischen der Universität und dem Ministerium ausschaut.

Erstens: Habilitierte – und Höbelt ist in diesem Fall ein Habilitierter – haben klarerweise die Aufgabe und auch das Recht, ihr Fach, welches durch die Venia Legendi definiert wird, in Lehre und Forschung selbständig zu vertreten. Habilitierte können Lehrveran­staltungen anbieten, deren curriculare Anrechenbarkeit – für die Spezialisten erklärt – dann von den StudienprogrammleiterInnen entschieden wird. Lehrveranstaltungen von Nichthabilitierten, insbesondere auch von Externen, müssen von den Studienpro­grammleitungen und den Dekanaten genehmigt und beauftragt werden.

Zweitens: Sind Studierende der Meinung, in der Lehrveranstaltung würden Inhalte ver­treten, die die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschreiten, sind sie berechtigt, dies dem Rektorat mitzuteilen oder klarerweise auch selbst Anzeige zu erstatten. Das Rek­torat wird solchen Vorwürfen in der Regel immer nachgehen, aber es ist klar, dass es sich um konkrete Äußerungen und Inhalte handeln muss. Pauschale Verunglimpfun­gen oder auch Aussagen von Studenten, dass ihnen der Professor oder die Professo­rin nicht passt, sind dafür nicht ausreichend.

Studierende haben klarerweise das Recht, Lehrmeinungen und politische Positionen sachlich begründet zu kritisieren. Die kritische und evidenzbasierte Diskussion in den Universitäten ist uns ja ein ganz wesentliches Anliegen. Sie haben allerdings nicht das Recht, zu entscheiden, wann eine bestimmte Lehrveranstaltung an einer Universität stattfinden darf oder wer diese besuchen darf. Das obliegt ausschließlich den Studien­programmleitungen und den Dekanaten.

Drittens: Bei der Sicherstellung eines geordneten Lehrbetriebes – und das ist das, was Sie, Herr Kickl, hier kritisiert haben – und damit auch im Zusammenhang mit der Aus­übung des Hausrechtes haben die Rektoren die entscheidende Funktion. Die Rektoren an einer autonomen Universität müssen dafür sorgen, dass das Hausrecht ausgeübt wird und Lehrveranstaltungen, die ordnungsgemäß von Habilitierten angekündigt sind, auch durchgeführt werden können. Das Rektorat kann dazu auch Sicherheitsdienste beauftragen, es kann eine entsprechende Hausordnung erlassen, und im Bedarfsfall kann man auch Hausverbote aussprechen. Das Rektorat kann klarerweise auch die Polizei heranziehen, wenn der Rektor der Meinung ist, dass es die Situation verlangt.

Viertens: Sollte das Rektorat in der Erfüllung dieser Aufgabe säumig werden, so kommt eine sogenannte Ersatzvornahme durch den Universitätsrat in Betracht. Der Universi­tätsrat ist ja eine Art Aufsichtsorgan innerhalb der Universität. Den Mitgliedern kommt dabei eine ganz wichtige Funktion zu. Sie können die Rektorate fragen: Was war denn da mit dieser Lehrveranstaltung los? Sie können Informationen einholen, und sie kön­nen auch handeln, wenn sie der Meinung sind, Rektorate handeln nicht.

Gerade im Fall der Universität Wien darf ich Sie erinnern: Universitätsräte sind immer breit zusammengesetzt. Von der letzten türkis-blauen Regierung, der ich angehört ha­be, sitzen auch zwei Vertreter im Unirat, die von Ihrer Fraktion nominiert worden sind.

Hohes Haus! Universitäten sind die Orte der Debatte, des Streits, der intellektuellen Auseinandersetzung und damit auch Teil eines allgemeinen demokratischen Diskur­ses. Mein Ministerium und ich werden alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um das sicherzustellen, was meine Vorstellung ist und was ich schon angedeutet habe. Es gehört zur – wenn Sie so wollen – Raison d’Être, zum Daseinsgrund, einer Univer­sität, den freien, sachlichen und rationalen Diskurs zu pflegen und sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen.

Wir werden gemeinsam mit den Rektoren und den Uniräten alles tun, damit das si­chergestellt wird. Wir passen auf und werden aufsichtsratsrechtlich vorgehen, wenn wir sehen, dass die universitären Gremien rechtswidrig handeln. Auch werden wir die ÖH über die jüngsten Vorfälle hinsichtlich der Einhaltung der Bestimmungen des österrei­chischen Hochschülerschaftsgesetzes befragen. (Abg. Kickl: Ein scharfes Schwert!)

Ich schließe mit dem berühmten, Voltaire zugeschriebenen Satz, dem ich voll zustim­me: „Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie sie äußern dürfen.“ – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS.)

10.25

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf als nächsten Redner Herrn Abgeord­neten Taschner zum Pult bitten. Die Redezeit beträgt 5 Minuten.