10.48

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Das ist schon eine sehr lebendige Debatte, die un­glaublich viele Punkte enthält. Herr Klubobmann Kickl, es war schwierig, sich darauf vorzubereiten, weil ich nicht genau wusste, was jetzt angesprochen wird. Wird der Vor­fall an der Uni Wien angesprochen? Wird das Buch von Frau Wiesinger angespro­chen? Es ging um das Kopftuch, es ging offensichtlich um die Wünsche der Grünen, Burschenschaften zu verbieten.

Ich finde, das Spannende daran – und jetzt versuche ich, es ein bisschen auf eine Me­taebene zu heben – ist Folgendes: Es geht hier um ein Ringen, um die Frage, was of­fene Gesellschaft heißt, was aufgeklärte Gesellschaft heißt, was Meinungsfreiheit und Freiheit von Wissenschaft wirklich heißen. Ich finde, das ist etwas, was sich durch die gesamte Debatte durchzieht.

Wir haben aus gutem Grund – und da kommen wir als Liberale auch aus der Debatte von 1848, wenn Sie so wollen – ausgeprägte Grund- und Freiheitsrechte, die eine offe­ne Gesellschaft ermöglichen, die es jedem Einzelnen und jeder Einzelnen ermöglichen, sich frei zu entfalten, die Meinung kundzutun. Das ist als sehr hohes rechtliches Gut verankert. Es gibt Einschränkungen, ja, wie zum Beispiel – und da bin ich aus histori­scher Verantwortung sehr einverstanden – das Verbotsgesetz.

Es gibt andere Einschränkungen, und zwar da, wo es um strafrechtliche Komponenten geht. Wir erleben aber – das ist mir schon sehr wichtig – einen Diskurs, der vereinfacht gesagt bedeutet: Weil ich aus einem moralischen Anspruch der Überhöhung der Mei­nung bin, dass die geäußerte Position eine falsche ist, werde ich danach trachten, Sprechverbote, Meinungsverbote zu erteilen! – Dem halten wir als Liberale ganz ent­schieden dagegen.

Da bin ich ganz auf Ihrer Seite, Herr Minister, wenn Sie Voltaire zitieren. Das Leben geben, werden nicht viele, aber viele werden alles dafür tun, andere ihre Meinung auch in Reden, in politischen Reden äußern zu lassen, selbst wenn ihnen die Meinung nicht gefallen möge – revisionistische Weltbilder gefallen mir gar nicht, das kann ich Ihnen sagen! In der Freiheit der Wissenschaft bin ich der Meinung: Er muss es auch sagen können! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Hafenecker: ... wi­dersprechen Frau Blimlinger?) – Ja, ich widerspreche da Frau Blimlinger sehr. Ich bin nicht der Meinung (Zwischenruf bei den Grünen), dass es in einer offenen Gesellschaft legitim ist – ich meine, man kann alles fordern –, in Ordnung ist, Burschenschaften zu verbieten – mir gefallen die aber auch nicht, das kann ich Ihnen auch eindeutig sagen (Zwischenrufe bei der FPÖ) –, außer sie streifen an Gesetze an, und dann steht es ja jedem frei, den Rechtsweg zu beschreiten. Wie gesagt, es mag mir nicht gefallen, was jemand sagt, aber ich werde alles dafür tun, dass er oder sie es sagen kann, weil das ein Kernwert unserer aufgeklärten und offenen Gesellschaft ist. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte an dieser Stelle noch einen weiteren Punkt einfügen und dann den Bogen zu dieser Polarisierung der Ideologien spannen. Wir erleben diese polarisierte Debatte ja gerade stärker in den ach so sozialen Medien, aufgrund von Ideologien gar nicht zuzuhören, was der oder die andere eigentlich sagt, sondern aus einem ideologischen Reflex heraus dagegen zu sein.

Dass das Eingang in Politikbereiche findet – nicht nur in die sozialen Medien, sondern seit Jahrzehnten in die tatsächliche Politik –, sieht man auch in dem Buch von Frau Wiesinger. Wenn man das genau liest – es ist sehr lang –, findet man darin einen Punkt, der sich immer wieder wiederholt: dass unsere Bildungspolitik seit Jahrzehnten im Argen liegt, weil ideologische Grabenkämpfe geführt werden, und zwar auf der einen Seite von den Konservativen, von der ÖVP, und auf der anderen Seite von den Progressiven, von der SPÖ und den Grünen. Diese ideologisch bedingten Graben­kämpfe (Zwischenruf bei der ÖVP), die auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer und auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler ausgetragen werden, führen dazu, dass sich nicht die besten Lösungen durchsetzen, sondern dass sich das durchsetzt, was man seiner eigenen Klientel oder seiner eigenen Anhängerschaft am besten ver­kaufen kann.

Da stelle ich wirklich die Frage, die sich auch Frau Wiesinger stellt: Wer denkt denn eigentlich an die echten evidenzbasierten Lösungen? – Es ist die Verantwortung eines Ministers – Sie haben ins Regierungsprogramm hineingeschrieben: „Verantwortung für Österreich“ –, nach den besten Lösungen zu suchen und nicht das zu tun, was gut klingt.

So, und nun komme ich noch – denn wir werden hoffentlich diese Debatte zu Frau Wiesinger heute noch länger führen – zu einem springenden Punkt. Sie, Herr Tasch­ner, haben vom Kopftuchverbot gesprochen. Ich finde es schon wichtig, zu fragen, wa­rum Sie Maßnahmen planen. Ist es ein Gag für die Zeitung? Geht es darum, ein biss­chen den Stammtisch zu bedienen? Geht es darum, antimuslimische Ressentiments zu schüren? (Abg. Taschner schüttelt den Kopf.) Oder gibt es eine Überlegung da­hinter?

Sie haben hier heute ausgeführt, dass es die Freiheit eines jeden Mädchens, einer je­den jungen Frau sein soll, sich frei zu entscheiden, und dass es ja eine Religionsmün­digkeit gebe. Das genau war unsere Argumentation vor eineinhalb Jahren, als noch un­ter Türkis-Blau das Kopftuchverbot für Volksschülerinnen vorgeschlagen wurde, wozu wir gesagt haben: Na ja, also wenn es um die Freiheit und die Chancen der Mädchen geht und wir da ein Problem haben, müssen wir das doch an der Religionsmündigkeit festmachen.

Na gut, aber was machen Sie nun, was macht Ihre Ministerin für Integration? – Sie denkt über ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen nach. Das hat mit Religionsmündigkeit gar nichts zu tun. Diese sind mündig, sie können frei entscheiden. (Ruf bei der FPÖ: Na ja!) Sie müssen einmal darlegen, worum es Ihnen wirklich geht: echte Lösungen basierend auf klaren Gedanken oder Showpolitik. (Beifall bei den NEOS.)

10.54

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Studentinnen und Studenten der FH für Journalismus herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Marchetti. – Bitte.