11.57

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Monika Vana (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Abgeordnete! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich bin es aus dem Wiener Landtag noch ge­wöhnt – ich habe jahrelang direkt nach Abgeordneten der FPÖ geredet –, und es ist immer wieder eine Herausforderung, auf die sachliche Ebene zurückzukommen. Herr Kollege aus dem Europaparlament, wenn Sie von Klimahysterie reden, haben Sie die Herausforderungen der Zeit nicht verstanden. Ich glaube, Sie sind es, der heute eine Themenverfehlung begangen hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe der Abg. Belakowitsch und Kassegger.)

Ich möchte aber vielmehr meiner Freude Ausdruck verleihen, auch als Europaparla­mentarierin hier im Nationalrat sprechen zu können. (Zwischenruf des Abg. Hafen­ecker. – Ruf bei der FPÖ: Wie sind Sie aus Brüssel gekommen eigentlich?) Ich denke, der Dialog zwischen EU-Ebene und nationalen Parlamenten, aber auch Landtagen, wo wir ja auch das Rederecht eingeführt haben, ist kaum zu überschätzen und ein Beitrag zur europäischen Demokratie. Ich denke, die Entwicklung der europäischen Demokra­tie ist neben der Klimakrise und neben der sozialen Frage und dem sozialen Zusam­menhalt wohl eine der wichtigsten Aufgaben für uns Abgeordnete – und das auch grenzüberschreitend.

Zum Thema der heutigen Europastunde, zur Onlinekonzernbesteuerung: Das ist für uns Europaabgeordnete natürlich auch ein aktuelles, wie schon angesprochen wurde, aber auch kein neues Thema. Wir im Europaparlament, und da darf ich für die meisten meiner KollegInnen reden, setzen uns seit Jahren für Steuergerechtigkeit ein (Abg. Be­lakowitsch: Und was ist bis jetzt herausgekommen?), für eine Digitalsteuer, aber na­türlich auch, weil es heute auch angesprochen wurde, für eine Finanztransaktions­steuer (Abg. Kickl: Offenbar sehr effizient!), aber für eine Finanztransaktionssteuer, die kein Etikettenschwindel ist, sondern die ihren Namen auch verdient und wirklich die Verursacher und Verursacherinnen – wobei man sich da das „innen“ fast sparen kann, es sind hauptsächlich Männer – auch zur Kasse bittet.

Gestern war Finanzministerrat, erneut auch zum Thema Finanztransaktionssteuer und Digitalsteuer und erneut ohne Ergebnis. Und warum? Warum haben wir seit Jahren keine Ergebnisse bei der Steuergerechtigkeit in Europa? Einerseits wegen des man­gelnden politischen Willens insbesondere der Konservativen und der Rechten, aber vor allem auch wegen eines Konstruktionsfehlers in den europäischen Verträgen – ich nenne es so –, und das ist das Einstimmigkeitsprinzip im Ministerrat bei Steuerfragen. (Beifall bei den Grünen.) Ich denke, dieses Einstimmigkeitsprinzip beschert uns in vielen, vielen Fragen, die für Europa sehr wichtig wären, zum Beispiel auch in der So­zialpolitik, ein Begräbnis erster Klasse bei sehr wichtigen Vorhaben. Deshalb ist es na­türlich begrüßenswert, um hier auch Kritik gleich vorwegzunehmen, dass es nationale Vorstöße in diesen Fragen gibt, zum Beispiel die Digitalbesteuerung in Österreich.

Wir haben uns auch im Koalitionsübereinkommen – darüber freue ich mich ja sehr – für die Zukunft Europas darauf geeinigt, die Einstimmigkeit beziehungsweise die Mehr­stimmigkeit in weiteren Bereichen voranzutreiben. Ich als Grüne finde, dass die Steu­erfrage neben der sozialen Frage eine dringende wäre, und es wäre dringend, dort auch zu Mehrheitsentscheidungen zu kommen.

Als Europaparlamentarierin ist es für mich klar: Die EU muss entschlossen und rasch bei der Frage der Steuergerechtigkeit, bei der Frage der Digitalsteuer handeln. Für uns Grüne ist auch klar, dass die Rechnung nicht weiter die europäischen BürgerInnen oder auch die Klein- und Mittelbetriebe zahlen dürfen, denen hier in Europa Milliar­den – Milliarden! – durch fehlende Besteuerung von Unternehmen, durch Steuerbetrug, durch Steuerhinterziehung, durch Steuervermeidung entgehen. Wir Grüne setzen uns im Europaparlament diesbezüglich seit Jahren massiv für eine Korrektur ein.

Fairness im Binnenmarkt erfordert, dass alle gerechte Steuern zahlen. Es ist Aufgabe der Politik und damit von uns Abgeordneten, Steuergerechtigkeit herzustellen. (Beifall bei den Grünen.)

Das Koalitionsübereinkommen ist da ganz klar, ich darf es zitieren: Die „Einführung ei­ner Digitalsteuer für [...] Großkonzerne auf internationaler oder europäischer Ebene“ und konsequentes Vorgehen „gegen internationale Steuerverschiebungen [...] und Steuervermeidung“ ist ein Kernstück der Arbeit dieser Bundesregierung.

Was also ist – und zwar dringend – zu tun? Ich sage es Ihnen ehrlich, ich liebe den Lissabon-Vertrag, weil er für alles, was man machen will, eigentlich wirklich eine Rechtsgrundlage schafft – es gibt kaum eine Ausnahme –, man muss sie nur suchen, und wir haben sie gefunden. Man kann das Einstimmigkeitsprinzip im Europäischen Rat natürlich auch umgehen. Laut Artikel 116 ist Mehrstimmigkeit auch in Steuerfragen dann möglich, wenn der Binnenmarkt verzerrt wird und andere Maßnahmen geschei­tert sind. Ich denke, an dieser Stelle befinden wir uns, das heißt, die Kommission ist da aufgefordert, möglichst rasch einen neuen Vorschlag zu bringen, um eine Digitalsteuer umzusetzen.

Weiters brauchen wir in Europa selbstverständlich eine gemeinsame Unternehmensbe­steuerung, zum Beispiel bei der Körperschaftsbemessungssteuer, wir brauchen Steu­ertransparenz multinationaler Unternehmen und zero tolerance im Vorgehen gegen Steuersümpfe.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz, bitte!

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Monika Vana (fortsetzend): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich auf eine Zusammenarbeit auch in den nächsten Jahren mit Ihnen, zum Beispiel in der „Zukunft Europas“, wo wir gemeinsam für diese Fragen kämpfen, für Österreich und für ein starkes Europa. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.01

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schell­horn. – Bitte. (Abg. Hörl: Jetzt bin ich gespannt! – Abg. Schellhorn – auf dem Weg zum Rednerpult –: Du kannst ruhig gespannt sein!)