14.33

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Dr. Hofer auf der Zuschauergalerie! Ich darf mich bei Ihnen zuallererst für den ausführlichen Bericht bedanken. Vielen Dank an Sie und an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Sie leisten tagtäglich wertvolle Arbeit, denn gerade die Behindertenanwaltschaft ist eine wichtige Anlaufstelle für Personen, die sonst oft alleingelassen werden. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Ich finde es höchst problematisch, dass Menschen mit Behinderungen immer noch an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werden, sei es aufgrund von baulichen Bar­rieren, die eine komplette Teilnahme am alltäglichen Leben nicht ermöglichen, oder aufgrund der Ungleichbehandlungen in der Arbeitswelt. Inklusion in den Arbeitsmarkt ist eine wichtige Voraussetzung für die Inklusion auch in unsere Gesellschaft. Durch Arbeit können Menschen ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben führen. Das sollte auch für Menschen mit Behinderung gelten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten von Grünen und NEOS.)

Finanzielle Abhängigkeit geht meistens auch mit sozialer Abhängigkeit einher. Derzeit sind etwa 24 000 Menschen mit Behinderung in Einrichtungen der Tagesstruktur, sprich Beschäftigungstherapie, tätig. Das sind allerdings rechtlich gesehen keine Arbeitsver­hältnisse, weshalb die betroffenen Menschen nicht eigenständig kranken- und pen­sionsversichert sind und anstatt eines Lohns lediglich Taschengeld erhalten. Damit bleiben diese Menschen mit Behinderung ewig im Status von Kindern. Wer arbeiten geht, soll Lohn erhalten und nicht nur mit Taschengeld abgespeist werden. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.) Nur so kann es möglich werden, in Zukunft auch Pensions­versicherungsansprüche zu erwerben und eine eigenständige Pension zu erlangen.

Ich möchte auch noch auf die persönlichen Assistenz zu sprechen kommen. Assistenz am Arbeitsplatz ist bundesweit geregelt, für Assistenz im Freizeitbereich sind allerdings die Länder zuständig. Dort gibt es extrem unterschiedliche Regelungen. Man kann sa­gen, das Angebot reicht von relativ zufriedenstellend bis praktisch nicht vorhanden. Wir fordern daher die Schaffung eines Inklusionsfonds, um österreichweit einheitliche Re­gelungen für die persönliche Assistenz im Freizeitbereich sicherzustellen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Hamann.)

Wir sollten Menschen mit Behinderungen einen Platz in der Mitte unserer Gesellschaft bieten. Damit sie dort auch im wahrsten Sinne des Wortes ankommen können, soll schnellstmöglich ein Umdenken im Bereich der Barrierefreiheit einsetzen. Barrierefrei­heit soll als verpflichtendes Unterrichtsfach in den Bereichen Bau, Verkehr und Medien eingeführt werden. Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ra­sche Maßnahmen im Bereich Barrierefreiheit“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Anregungen des Behindertenanwaltes vor allem im Bereich der Barrierefreiheit rasch umzusetzen:

- Verankerung eines Pflichtinhaltes ‚Barrierefreiheit‘ in den einschlägigen Ausbildungs­vorschriften in den Bereichen Bau, Verkehr und Medien

- Vergabe von Wohnbauförderungen nur bei einer barrierefreien Planung und Umset­zung im Sinne der einschlägigen Ö-Normen

- Keine Aufweichung der OIB (Österreichisches Institut für Bautechnik) Richtlinie 4 (Barrierefreiheit)“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

14.37

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Verena Nußbaum, Genossinnen und Genossen

betreffend rasche Maßnahmen im Bereich Barrierefreiheit

eingebracht im Zuge der Debatte zu III 69 dB

Barrierefreiheit ist ein Grundrecht. Solange dieses nicht umgesetzt ist, sind alle Be­kundungen Menschen mit Behinderungen gleichzustellen, nur Sonntagsreden. Men­schen mit Behinderungen muss die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ohne Ein­schränkungen ermöglicht werden. Der Bericht des Anwaltes Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderung zeigt eindeutig, dass die Umsetzung der Barrierefreiheit zu langsam erfolgt.

Ein Beispiel: Das Österreichische Institut für Bautechnik („OIB“) ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Mitglieder die Bundesländer sind. Das OIB veröffentlicht, um landes­spezifische Bauordnungen zu harmonisieren, sog. „OIB-Richtlinien“ (u.a. betreffend Barrierefreiheit = OIB RL4), welche von den Ländern in den Bauordnungen als ver­bindlich erklärt werden können.

OIB Richtlinien werden durch Beschlussfassung der Generalversammlung (der Mitglie­der) des Vereins erzeugt und unterliegen daher nicht derselben Inklusion bzw. Partizi­pation der Zivilgesellschaft insb. Interessensvertretungen der Menschen mit Behinde­rung.

Im Gegensatz dazu, sind Menschen mit Behinderungen im Normerzeugungsverfahren („ÖNORM“) nach dem Bundes-Normengesetz 2016 explizit Beteiligte (§ 2 Zif. 6 i.V.m. § 4 Abs 2 Zif 2)

Um beispielsweise Baukosten in den Ländern zu senken, werden einzelne OIB-Richt­linien (z.B. RL 4 Barrierefreiheit) angepasst i.S. einer „Verschlechterung“ der Barriere­freiheit für Menschen mit Behinderungen. Die OIB-Richtlinie wird von den Bundeslän­dern per Bauordnung als verbindlich erklärt. Das OIB verweist auf § 5 Abs 1 Zif 9 Normengesetz, wonach eine Norm nicht den Gesetzen widersprechen darf. (implizit: Das höhere Niveau der Barrierefreiheit gem. ÖNORM widerspricht dem geringeren Ni­veau der verbindlich erklärten OIB RL, die Norm müsste in dieser Argumentation an die „schlechtere“ OIB RL angepasst werden)

Auf diese Weise könnten die Bundesländer ohne Beteiligung der Interessensvertretung betroffener Menschen die Standards für Barrierefreiheit in großem Maße frei definieren.

Die Bundesregierung ist daher gefordert rasch zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Anregungen des Behindertenanwaltes vor allem im Bereich der Barrierefreiheit rasch umzusetzen:

•           Verankerung eines Pflichtinhaltes „Barrierefreiheit“ in den einschlägigen Ausbil­dungsvorschriften in den Bereichen Bau, Verkehr und Medien

•           Vergabe von Wohnbauförderungen nur bei einer barrierefreien Planung und Umsetzung im Sinne der einschlägigen Ö-Normen

•           Keine Aufweichung der OIB (Österreichisches Institut für Bautechnik) Richt­linie 4 (Barrierefreiheit)

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Dr. Dagmar Belakowitsch. – Bitte, Frau Abgeordnete.