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Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen! Liebe Zuseher! Zu später Stunde geht es nun noch um ein sehr wichtiges Thema. Wie so oft, wenn es um Themen geht, die die LGBTIQ-Community betreffen, ist der Ausgangspunkt ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes. Es sind die Höchstgerichte, die den Fortschritt bewirkt haben, und nicht, wie man sich wün­schen würde, der Gesetzgeber.

Es geht heute um eine längst beschlossene und erledigte Sache, nämlich um das Er­kenntnis des Verfassungsgerichtshofes, mit dem die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare genauso wie die eingetragene Partnerschaft für verschiedengeschlechtliche Paare geöffnet wurde.

Nicht nur, dass ein bereits erfolgtes höchstgerichtliches Urteil nicht angemessen um­gesetzt wurde, auch die Tatsache, dass ein höchstgerichtliches Urteil überhaupt not­wendig war, ist in der LGBTIQ-Politik in Österreich schon eine Tradition und ein Ar­mutszeugnis für die österreichische Politik.

Was aber ist das Problem? Warum bedarf es überhaupt dieses Antrages, den wir heu­te in erster Lesung diskutieren? – Seit der Öffnung der Ehe für alle durch den VfGH hat die Politik, nämlich die schwarz-blaue Vorgängerregierung, keine weiteren Schritte ge­setzt, um die absurden bürokratischen und rechtlichen Hürden, die sich den betroffe­nen Personen in der Praxis weiterhin stellen, aus dem Weg zu räumen.

All jene Personen, die nach der Einführung der eingetragenen Partnerschaft im Jahr 2010 eine solche eingegangen sind und nun, da die Eheschließung für diese möglich ist, gerne heiraten möchten, können das schlichtweg nicht machen, da es keine Über­gangsregelung für diese vielen Menschen, für diese vielen Paare gibt. Sie müssten sich gegen ihren Willen offiziell trennen und verlören diverse sozialrechtliche Ansprü­che. Was passiert zum Beispiel, wenn in dieser gleichgeschlechtlichen eingetragenen Partnerschaft ein Kind geboren wurde?

Das alles sind für die Betroffenen enorm wichtige und emotionale Fragen. Die Verant­wortung, dies zu regeln und Lösungen zu finden, liegt klar bei der Politik und nicht erst wieder beim Verfassungsgerichtshof. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Grünen.)

So wie auch bei der gleichgeschlechtlichen Ehe für binationale Paare, die wir NEOS im Sommer mit einem Antrag hier durchsetzen konnten, braucht es auch da ganzheitliche Lösungen, und zwar rasch. Dafür wird unser vorliegender Antrag sorgen.

Wir haben einen durchdachten und detaillierten Initiativantrag eingebracht, um diese Unklarheiten zu reparieren und unbürokratisch einen verfassungskonformen Zustand und Rechtssicherheit für die betroffenen Menschen herzustellen. Der Gesetzgeber – das habe ich schon angesprochen – hätte viel früher tätig werden und das Gesetz re­parieren müssen, aber – ich habe es durch den Zwischenruf von Herrn Kickl schon gehört –: Ein Blödsinn ist das alles! (Abg. Kickl: Hab ich gar nicht gesagt!) – Das hat man in den letzten beiden Jahren gemerkt, weil Sie alles getan haben – nicht nur in dieser Thematik, sondern auch zum Beispiel die dritte Geschlechtskategorie betref­fend –, um weiter zu schikanieren und die Verfassungswidrigkeit in anderen Wegen weiterleben zu lassen. (Abg. Kickl: Na na, nur um nicht die Willkür zum Prinzip zu er­heben!)

Das verwundert natürlich nicht, dass ÖVP und FPÖ in diesen Bereichen weiter schika­nieren und nichts zum Besseren bewegen wollten. Dass diese Schikane aber, die ich gerade angesprochen habe, mit keinem Wort im türkis-grünen Regierungsprogramm erwähnt wird, verwundert und enttäuscht mich doch sehr. Als Wählerklientel war die LGBTIQ-Community den Grünen sehr wohl recht. Über Jahre und bei allen Veranstal­tungen in der Community haben die Grünen bisher zumindest zu Recht eine promi­nente Rolle eingenommen. Nun, da die Grünen das erste Mal an der Regierung be­teiligt sind, lassen sie ausgerechnet beim Thema LGBTIQ so massiv aus.

Ich bin aufrichtig darüber enttäuscht, dass eine Partei, die die Grund- und Menschen­rechte der LGBTIQ-Community noch im Wahlprogramm 2019 als einen ihrer Leuchttür­me bezeichnet hat, derart vor der ÖVP einknickt. Im neuen Regierungsprogramm fin­det sich kein Wort zur Umsetzung dieses VfGH-Erkenntnisses im Ehe- und Familien­recht. Es findet sich kein Wort zur Entschädigung von homosexuellen Strafrechtsopfern bis 2002. Es findet sich kein Wort zur Beendigung des diskriminierenden Blutspende­verbots für Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben. Es findet sich kein Wort zum endgültigen Verbot von Konversionstherapien, also den skandalösen Umpo­lungsversuchen von LGBTIQ-Personen. (Abg. Gabriela Schwarz: ... verboten! Das ist längst beschlossen!) Es findet sich kein Wort zum Verbot geschlechtszuweisender Operationen bei Kindern und Jugendlichen, also von nicht medizinisch indizierten Ge­nitalverstümmelungen an intergeschlechtlichen Kindern.

Ich frage mich, wo im nicht vorhandenen LGBTIQ-Kapitel die grüne Handschrift bleibt. (Abg. Gabriela Schwarz: Wenn es die gesetzliche Regelung gibt, muss man sie nicht erfinden!) Was soll sich die LGBTIQ-Community bei diesem Regierungsprogramm den­ken? Ich finde – das sagen übrigens auch alle NGOs im LGBTIQ-Bereich im Ein­klang –, dieses Programm hätte die ÖVP auch alleine schreiben können. (Ruf bei der SPÖ: Hat sie eh!) – Ja, hat sie eh, das stimmt.

Nun, da die Grünen so massiv in diesem wichtigen Bereich auslassen, werden wir NEOS hoffentlich auch gemeinsam mit der SPÖ umso mehr dranbleiben, die beste­henden Missstände Schritt für Schritt zu beheben, und der LGBTIQ-Community als verlässlicher Partner zur Seite stehen.

Dieser vorliegende Antrag wird für die Grünen der erste Lackmustest in Bezug auf ein Minimalniveau sein, denn es geht da ja nur darum, ein Erkenntnis des Verfassungsge­richtshofes umzusetzen. Wir werden also genau darauf schauen, ob Sie ein verlässli­cher Partner für sexuelle Minderheiten bleiben oder ob Sie die Handlanger für die rechtskonservative Familien- und Gleichstellungspolitik der ÖVP machen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Steinacker: Also hallo?!)

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Jachs. – Bitte.