10.29

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie heute gemeinsam mit dem Herrn In­nenminister ganz einfach darüber informieren, wie die Lage in Sachen jener Epidemie ist, die uns seit zwei Monaten weltweit in Atem hält und die eine große Herausfor­derung für alle Gesundheitsbehörden, für alle Sicherheitsbehörden sowie für die ge­samte Bevölkerung darstellt, weil es darum geht, zu verhindern, dass aus einer regio­nalen Epidemie eine globale Pandemie wird. Das ist unser Ziel. Daran arbeiten wir in einer extrem guten, engen Vernetzung – international wie auch regional hier in Öster­reich –, in einer sehr guten Zusammenarbeit zwischen den Behörden, sowohl auf Re­gierungsebene als auch in den einzelnen Bundesländern, die allesamt auf die eine oder andere Art und Weise betroffen sind.

Alle Experten der Welt sagen uns, wir treten jetzt in die entscheidende Phase ein, da­hin gehend, ob es zu dieser Pandemie kommt oder nicht. Die nächsten zwei bis drei Wochen werden darüber eine Entscheidung bringen.

Ich sage Ihnen am Beginn meiner Ausführungen ein bisschen etwas darüber, wie die Dinge weltweit stehen. Es gibt derzeit 82 168 bestätigte Erkrankungsfälle – das sind die Zahlen von heute Früh –, davon mit rund 79 000 Erkrankungen in China den abso­lut allergrößten Anteil. Interessant ist aus meiner Sicht, dass es international zwei Bot­schaften gibt, nämlich einerseits eine sehr hohe Zahl von Todesfällen – mittlerweile müssen wir mehr als 2 800 Todesfälle weltweit verzeichnen –, andererseits gleichzeitig aber auch das Phänomen, dass es bereits 32 000 Menschen gibt, die wieder geheilt sind. Das ist die positive Aussage und Perspektive.

Das heißt, Corona ist absolut kein Todesurteil, ist absolut kein Urteil in Richtung einer unbedingt schweren Erkrankungssituation. China hat bei den ersten 45 000 Erkrankten eine Analyse durchgeführt, wie der Verlauf dieser Erkrankung ist, und es hat sich he­rausgestellt, dass in rund 81 Prozent der Erkrankungsfälle ein absolut leichter Erkran­kungsverlauf vorliegt. Das heißt aber nicht, dass wir das Thema auf die leichte Schulter nehmen, ganz im Gegenteil; 2 800 Todesfälle sind Mahnung genug.

Wir haben befürchtet, dass auch Europa davon betroffen sein wird. In Zeiten wie die­sen – mit der Globalisierung, mit internationalen Handelsbeziehungen, einer aktiven Rei­setätigkeit, die wir alle lieben, an die wir uns gewöhnt haben und die einen Teil unseres Lebens darstellt – war zu erwarten, dass dieses Virus auch nach Europa kommt. Seit vergangenem Wochenende ist es mit den Ausbrüchen, die in Italien zu verzeichnen sind, so richtig angekommen.

Es gibt in Italien – ich habe gerade am Dienstag die Möglichkeit gehabt, länger mit dem italienischen Gesundheitsminister zu reden – mittlerweile rund 330 Erkrankungen. Das große Problem in Italien ist, dass man zwar sehr offensiv mit der Bekämpfung von Co­rona umgeht – in einem sehr breiten italienischen Konsens, im Übrigen –, dass wir aber bis zum heutigen Tag den sogenannten Patienten uno nicht kennen. Das heißt, die eigentliche Quelle der Ansteckung ist unbekannt. Wir wissen nur, dass es bei Pa­tient eins – das war jene Person, die in Oberitalien als erste mit einer schweren Lun­genentzündung in eine Klinik eingeliefert wurde – nicht perfekt gelaufen ist, was die akute, schnelle Behandlungssituation betrifft.

Das war die Vergangenheit. Wir müssen uns auf jeden Fall darauf einstellen, dass die Zahl der Coronafälle insgesamt in Europa auch in den nächsten Wochen noch zu­nimmt – das muss man realistisch sehen – und dass damit auch Österreich zuneh­mend betroffen sein wird.

Wir haben in Österreich bis heute Morgen, bis heute Vormittag 445 Testungen durch­geführt. Im Augenblick sind zwölf Personen in Quarantäne. Die Situation konzentriert sich natürlich zunächst einmal auf Innsbruck mit den zwei konkreten Erkrankungs­fällen, die wir seit Dienstag dieser Woche kennen. Es wird dort von den Behörden sehr professionell agiert und gut gehandelt. Es wird für eine breite Information der Bevölke­rung gesorgt, und es wird genau das verwirklicht, was unsere Strategie ist, nämlich dort, wo eine Erkrankung auftritt, möglichst schnell zu begrenzen, einzugrenzen – das ist unsere einzige Handlungsmöglichkeit, die wirklich erfolgreich sein kann.

Zwei Erkrankungen gibt es also bisher; leider habe ich vor ein paar Minuten den Anruf des Gesundheitsstadtrates von Wien erhalten, dass es zusätzlich einen Fall in Wien gibt, der bestätigt ist. Das war zu erwarten, das war zu befürchten. Ich bin absolut überzeugt davon, wie ich die Wiener Gesundheitsbehörden kenne, dass perfekt re­agiert wird, dass gut gehandelt wird und dass die Strategie, die wir in Österreich abge­sprochen und geplant haben, eins zu eins konsequent umgesetzt wird.

Wir hatten am Dienstag dieser Woche eine Krisenkonferenz der Gesundheitsminister der Europäischen Union plus Schweiz plus Gesundheitskommissarin plus Weltgesund­heitsorganisation und europäische Gesundheitskontrollbehörde ECDC in Rom, und da haben wir gemeinsam ein Vorgehen paktiert, das de facto eins zu eins dem entspricht, was wir in Österreich verwirklichen. Ich möchte Ihnen das kurz präsentieren, denn ich glaube, es ist wichtig, dass wir das auch gemeinsam tragen. Aus meiner Sicht ist so ei­ne Krisensituation eine Situation, in der wir alle zusammenstehen müssen, in der nicht der Zeitpunkt für politische Kleinigkeiten, für kleine Auseinandersetzungen ist, sondern in der wir gemeinsam versuchen müssen, unsere Bevölkerung bestmöglich zu schüt­zen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Wir setzen in dieser Situation in Europa und natürlich auch in Österreich ganz stark auf die Information der Bürgerinnen und Bürger, erstens betreffend die Vorsorgemaßnah­men. Ja, es klingt manchmal ein bissl banal, aber Händewaschen – richtiges Hände­waschen – ist die beste Antwort auf diese Situation. Mittlerweile gibt es viel Informa­tionsmaterial darüber, wie das funktioniert – also handeln und es mehrmals täglich tun!

Der zweite Informationsschwerpunkt betrifft die Reisetätigkeit. Wir sind natürlich in un­serer Reisetätigkeit selbstbestimmt, aber wir sollten uns, denke ich, gut überlegen, ob es im Augenblick Sinn macht – ich glaube nicht –, in die unmittelbar betroffenen Re­gionen Italiens zu fahren. Das heißt nicht, dass man Italien meiden sollte, ganz im Ge­genteil. Es gibt aber sehr klar definierte Gebiete, in erster Linie in der Lombardei, in de­nen derzeit – nach sehr konsequentem Vorgehen der italienischen Behörden – insge­samt elf Gemeinden gesperrt sind, in denen der Ausbruch sehr aktiv und sehr stark war und teilweise auch noch ist. – Das ist der zweite Punkt, die Reisetätigkeit.

Das Dritte ist die Informationsoffensive dahin gehend, dass wir Bürgerinnen und Bürger darüber informieren wollen, was bei Symptomen zu tun ist. Die Symptome ähneln lei­der – in der jetzigen Situation ist das schwierig – ein bisschen den Grippesymptomen, das heißt Fieber, das heißt Husten, aber in erster Linie trockener Husten; Atemnot kommt dazu – das ist ein wichtiger Punkt zur Unterscheidung von Grippesymptomen.

Bei Symptomen bitte nicht zum Arzt fahren, nicht den eigenen Haushalt verlassen, sondern die Hotline 1450 anrufen, direkt Kontakt mit den dortigen Behörden, mit dem medizinischen Personal aufnehmen! Dann erfolgt die Detailberatung, was zu tun ist, ob die Situation bei der betroffenen Person tatsächlich ernst zu nehmen ist, ob möglicher­weise ein Verdachtsfall vorliegt. Wenn ein Verdachtsfall vorliegt, dann machen wir in Österreich konsequent lieber fünf Testungen zu viel als eine zu wenig, in allen Berei­chen. Wie gesagt, die Zahl ist mittlerweile bereits auf 445 angewachsen.

Im nächsten Schritt – ganz, ganz wichtig –, falls positiv, ist unsere Strategie in ganz Europa und in Österreich die Strategie der Eingrenzung, der Abgrenzung, einerseits, was die betroffene Person betrifft, andererseits aber auch, was das Umfeld betrifft, um eine Ausbreitung möglichst zu vermeiden.

Der vierte Punkt unseres Maßnahmenprogramms ist, dass wir ganz stark auf interna­tionale, auf europäische Zusammenarbeit setzen. Wir haben eine ausgezeichnete eu­ropäische Gesundheitskontrollbehörde und ein, wie ich meine, perfektes Informations­system – das Early Warning and Response System –, das dafür sorgt, dass es uns so­fort gemeldet wird, wenn eine Spur, wenn irgendein Hinweis auf Österreich auftaucht, wenn etwa ein betroffener Patient in Italien befragt wird, seine Anamnese vorgenom­men wird und er auch befragt wird, was seine Reisetätigkeit war und mit welchen Per­sonen er konkret Kontakt hatte. Das geht innerhalb weniger Minuten und wir können dann diesem Verdacht auch konkret nachgehen.

Der große fünfte Punkt, über den, wie ich annehme, Kollege Nehammer intensiver in­formieren wird, ist unsere gemeinsame Einsatzgruppe – früher hat man gesagt: der ge­meinsame Krisenstab –, in der wir uns täglich eigentlich rund um die Uhr hervorragend abstimmen und in die auch täglich die Bundesländer eingebunden sind. Wie gesagt, der Herr Innenminister wird das sicher im Detail ausführen.

Wir setzen auf eine ganz enge Zusammenarbeit. Viren kennen keine Grenzen: Sie sind nicht beeindruckt davon, wenn man einen Grenzbalken runterlässt, sondern Viren sind dann beeindruckt, wenn wir mit den richtigen Maßnahmen der Abgrenzung und ei­nem ‑ ‑ (Abg. Kickl: ... sie können nicht ohne Träger ...!) – Das habe ich mir gedacht, dass darauf der Herr Klubobmann gleich reagiert. (Abg. Kickl: Na stimmt ja ...! – Wei­tere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Lieber Abgrenzung als Eingrenzung des Landes: Ab­grenzung vom Virus, das ist die Antwort. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Wir setzen also auf intensive Zusammenarbeit, wir setzen auf eine Politik der Sachlich­keit, wir setzen auf eine Politik des konsequenten Handelns und wir setzen auf eine Politik der ruhigen Hand. Stehen wir in dieser Situation gut zusammen, damit wir diese Herausforderung gut gemeinsam meistern! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.41

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf, bevor ich dem Bundesminister für In­neres das Wort erteile, die Schülerinnen und Schüler der HTL Ybbs recht herzlich im Hohen Haus willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt der Herr Innenminister. – Bitte.