10.41

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Damen und Herren hier auf der Galerie und auch zu Hause vor den Fernsehgeräten! Wie Sie wissen, hat das Coronavirus vor einigen Tagen auch Österreich erreicht. Es ist wichtig, da ein realistisches Bild zu zeichnen – so wie der Gesundheitsminister es ge­rade ausgeführt hat. Ich möchte eines gleich vorweg bestätigen: Die Zusammenarbeit zwischen Innenministerium und Gesundheitsministerium sowie mit allen weiteren be­troffenen Ressorts funktioniert hervorragend. Sie ist wichtig, auch in ihrer Effizienz; das zeigt, dass man dann schnell und entschlossen handeln kann – so wie der Gesund­heitsminister es vorher ausgeführt hat.

Ich darf Ihnen jetzt ein aktuelles Lagebild geben, das der Einsatzstab heute Früh wie­der erarbeitet hat. Es gab mehr als 400 Testungen in Österreich, bis vor Kurzem noch mit zwei positiven Testungen, mittlerweile gibt es, wie wir erfahren haben, eine dritte positive Testung in Wien. Auch da greifen jetzt sofort alle Maßnahmen.

Während wir hier sitzen, tagt der Einsatzstab und bespricht alle notwendigen Maßnah­men mit Wien, mit dem dortigen Einsatzstab – einerseits von der polizeilichen, aber na­türlich vor allem auch von der gesundheitsbehördlichen Seite her. Aktuell stehen 16 Men­schen in Österreich unter Quarantäne. Das ist eine wichtige Maßnahme, um – wie der Gesundheitsminister gesagt hat – alles dafür zu tun, dass man das Virus eindämmt, dass es sich nicht schneller verbreiten kann. Auch da leistet die Polizei eine wertvolle Arbeit, weil sie diese Maßnahmen überwacht und unterstützt.

Genauso gilt – und das ist ganz besonders wichtig –: Kommt es zu einem Erkran­kungsfall, führt die Polizei die Befragungsmaßnahmen durch – wo sich die betreffende Person bewegt hat, mit wem sie Kontakt gehabt hat –, um auch in diesem Fall rasch Maßnahmen zu ergreifen. Wieder ist das Ziel, das Virus bestmöglich einzudämmen.

Was wissen wir zu den bisherigen Fällen? – Jeder Fall, den wir jetzt auch im Einsatz­stab bewältigt haben, ist wieder ein Fall, aus dem wir lernen, um beim nächsten besser werden zu können. Wie Sie wissen, gab es am Dienstag in Tirol gemeinsam mit der Polizei einen Einsatz der Gesundheitsbehörden, um das Umfeld der infizierten Perso­nen abzuklären. Es stellte sich dabei heraus, dass eine der Infizierten in einem Hotel gearbeitet hat. Daraufhin wurde das Hotel gesichert, es konnte niemand mehr hinein und hinaus. Warum war das notwendig? (Abg. Kickl: Da habe ich aber was anderes gesehen! Na bitte, während er das gesagt hat ... Drehtür ...! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ.)  Der Gesundheitsminister hat vorhin gerade angeführt, dass wir die Situation nicht für Polemik nutzen sollten. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwi­schenruf des Abg. Kickl. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Meine sehr geehrten Abgeordneten der Opposition, wenn Sie genau recherchiert hät­ten, würden Sie wissen, dass die betroffene Person, die beim Verlassen des Hotels zu sehen war, kontrolliert worden ist und vom Amtsarzt freigegeben worden ist, weil diese betroffene Person keinen Kontakt zu weiteren Personen im Hotel hatte. Ich bitte Sie daher, in einer so sensiblen Situation wie dieser nicht mit Häme und Spott zu reagie­ren. (Abg. Belakowitsch: Genau! Ihr habt ...!)

Besonnenheit ist jetzt angebracht, das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist an­gebracht. Polizistinnen und Polizisten waren dort vor Ort im Einsatz, und ihnen mit Spott, mit Lachen und Gelächter zu begegnen, sehr geehrte Kollegen von der FPÖ, ist genau die falsche Antwort in so einer Situation (Beifall bei ÖVP und Grünen – Abg. Kickl: Warten Sie! Warten Sie ...!), denn wenn wir der Bevölkerung das Gefühl vermit­teln wollen, dass wir auch hier im Hohen Haus gemeinsam in der Lage sind, einer he­rausfordernden Situation für die Republik, für die Gesundheit und Sicherheit der Men­schen zu begegnen, dann ist es besser – auch an die Kolleginnen und Kollegen der SPÖ gerichtet, die mit Häme kommentiert haben –: Informieren Sie sich genau – der Einsatzstab steht jederzeit dazu bereit –, bevor Sie hier mit Spott und Hohn auf die Ar­beit der Ärztinnen und Ärzte und der Polizistinnen und Polizisten am Einsatzort reagie­ren! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Belakowitsch: Falsch! … ihre Arbeit ...! – Zwischenruf des Abg. Vogl. – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Nun zurück zum Fall in Tirol: Es waren umfassende Sicherungsmaßnahmen notwen­dig. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzei­chen.) Es war wichtig, dass rasch gehandelt worden ist, dass das Umfeld analysiert worden ist. Es wurde daraufhin auch ein Bewegungsprofil der betroffenen Personen er­stellt, das genau zeigt, wo sie sich am Tag aufgehalten haben. Der Landeseinsatzstab Tirol hat daraufhin die Informationen auch der Bevölkerung bekannt gegeben, weil auch da ersucht wird, sich, wenn es Kontakt mit den infizierten Personen gegeben hat, rasch an die Landeswarnzentrale in Tirol zu wenden, um eventuelle Symptome abzu­klären.

Kärnten war ein besonders dramatischer Fall: Eine 56-jährige Patientin ist verstorben. Es gab auch da den Verdacht auf eine Coronavirusinfektion. Es wurden auch in dieser Apartmentanlage sofort Sicherungsmaßnahmen durch die Polizei vorgenommen, um eben zunächst einmal abzuklären: Gibt es einen bestätigten Fall – ja oder nein? Als Gott sei Dank das Ergebnis negativ war, konnte auch die Quarantäne, die Isolierung dieses Gebäudes aufgehoben werden. Gleichzeitig gilt es, der Familie der verstorbe­nen Patientin, die jetzt gerade sicher schwere Stunden durchmacht, meine Anteilnah­me auszudrücken.

Nun zu der Schule in Wien: Wie Sie wissen, gab es da den Verdacht, eine Lehrkraft könnte infiziert sein. Daraufhin wurde die Schule gesichert, bis abgeklärt werden konn­te, dass Gott sei Dank in diesem Fall eine negative Testung auf den Coronavirus vor­liegt. Warum war die Sicherung notwendig? – Sie wissen, es gab nachher auch eine Diskussion, ob die Maßnahme sinnvoll und richtig war. (Abg. Belakowitsch: Gar nicht war sie notwendig, ... sinnlos ...!)

Ich möchte Ihnen die Frage stellen: Was wäre gewesen, wenn die Patientin infiziert ge­wesen wäre? Was ist die Aufgabe der Polizei und auch der Ärztinnen und Ärzte vor Ort in so einem Fall? – Rasch abzuklären, mit wem sie Kontakt hatte, mit wem sie inten­siven Kontakt hatte, und man kann dann genau nach einem festgelegten Ablaufplan die notwendigen Schritte bis zur Isolierung der betroffenen Personen setzen. Warum ist auch das wichtig? – Um wiederum eine Ausbreitung des Virus einzudämmen und gleichzeitig für die betroffenen Personen Sicherheit herzustellen, dass sie eben nicht betroffen sind, im besten Fall, dass sie gesund sind, damit auch da Sicherheit gegeben ist.

Die Veränderung in Norditalien, die stärkere Ausbreitung der Krankheit dort, hat ja auch in Italien selbst zu massiven Maßnahmen geführt. Ich bin in enger Abstimmung mit der italienischen Innenministerin, der Einsatzstab ist in enger Abstimmung mit den italienischen Sicherheitsbehörden.

Was ist unser Ziel? – Der Gesundheitsminister hat es ausgeführt: Unser Ziel ist, das Netz engmaschig zu machen, um Sicherheit für die Republik, für die Menschen hier gewährleisten zu können. Was heißt das? – Dass wir auch in der Lage sind, grenz­überschreitende Warnungen sofort umzusetzen. Wo ist das gelungen? – Sie wissen, es gab für einen Zug von Italien Richtung Deutschland Hinweise, dass sich möglicher­weise mit dem Coronavirus infizierte Personen in dem Zug befinden. Es konnte rasch abgeklärt werden, dass das nicht so war. Die Personen wurden getestet und es wurde Gott sei Dank ein negatives Ergebnis festgestellt. Auch da wurden aber Isolierungs­maßnahmen gesetzt, indem der Zug angehalten wurde und die Personen nicht aus­steigen durften, bis klar war, dass keine Infektion vorliegt. Dann konnten die Passa­giere ihre Reise wieder sicher fortsetzen.

Bei all diesen Maßnahmen steht immer die Frage im Raum: Ist es angemessen und gerechtfertigt? – Ja, das ist eine Frage, der sich die Gesundheitsbehörden, die Sicher­heitsbehörden immer stellen müssen, weil es immer auch um einen Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte geht. Gleichzeitig – bei Abwägen dieser Fragen und unter Wah­rung der Sorgsamkeit – ist es notwendig, so wie der Gesundheitsminister gesagt hat, dass man dann auch Maßnahmen setzt, um herauszufinden: Gibt es eine Infektion – ja oder nein? Wie schnell kann ich das Umfeld abklären? – Das ist alles erfolgt.

In allen Fällen, auch bei im Nachhinein erfolgten Evaluierungen, sind die betroffenen Personen – sei es im Zug, sei es im Hotel, und seien es jetzt selbst die, die aus Si­cherheitsgründen in Isolierung sind, solange die Inkubationszeit noch nicht abgeschlos­sen ist, um definitiv festzustellen, dass keine Infektion vorliegt – vollkommen kooperativ gewesen, haben die Maßnahmen der Polizei, der Ärztinnen und Ärzte vor Ort best­möglich unterstützt.

Was unser aller gemeinsames Ziel ist, wissen auch diejenigen, die davon betroffen sind: Es gilt, rasch abzuklären, ob es eine Infektion gibt; wenn ja, kann rasch medizi­nisch geholfen werden, und wenn nein, gibt es auch für die Personen, die von Seu­chenisolierungsmaßnahmen betroffen sind, dann die Gewissheit, dass sie sicher nach Hause zurückkehren können.

Das Innenministerium ist für die zivile Sicherheit in der Republik verantwortlich. Wie ar­beiten Gesundheitsministerium und Innenministerium in so einer Situation zusam­men? – Der Einsatzstab im Innenministerium tagt permanent – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, auch jetzt –, mittlerweile mit Expertinnen und Experten des Gesundheitsministeriums, aller anderen betroffenen Ressorts, wie des Verkehrsminis­teriums, sowie des Roten Kreuzes und des österreichischen Samariterbundes, um rasch und eng abgestimmt zu sein, sollte es wieder zu einem Einsatzfall kommen. Wenn das so ist – wie jetzt gerade in Wien –, gibt es eine Liveschaltung mit allen Bun­desländern, in welcher die Einsatzstäbe miteinander kommunizieren, den Fall genau besprechen, um dann in weiterer Folge alle notwendigen Maßnahmen einzuleiten, die eines bewirken sollen: das Virus einzudämmen.

Wir vonseiten des Innenministeriums haben zu diesem Zweck das Gesundheitsminis­terium mit einem zusätzlichen Callcenter unterstützt und können aus dem Einsatzstab heraus mittlerweile über 1 100 Anrufe bewältigen. Das Ziel dabei ist, für alle Maß­nahmen, die die Bundesregierung und die Gesundheitsbehörden setzen, Transparenz zu wahren und die besorgten Bürgerinnen und Bürger zu informieren. Ja, wir haben in Österreich die Situation, dass die Menschen große Sorge haben. Es ist unsere Ver­antwortung als Politik, diese Sorge ernst zu nehmen, die richtigen Antworten darauf zu liefern, aber mit Sicherheit auch die Sorgen nicht unnötig zu verstärken oder gar Panik zu verbreiten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

In diesem Zusammenhang ist es mir wichtig, diejenigen, die uns zuhören, darauf hin­zuweisen, dass es zwei Telefonnummern gibt, die infrage kommen, um richtig aufgeho­ben zu sein, wenn man Sorgen hat.

Sind Sie von Symptomen unmittelbar betroffen, dann wählen Sie bitte die Telefon­nummer 1450! Es ist nämlich wichtig, bereits zu Hause abzuklären, ob Sie unmittelbar betroffen sind, und dann, wenn Sie Symptome haben, den Hausarzt oder andere Sa­nitätsdienste anzufordern, die zu Ihnen nach Hause kommen, und eben nicht zu tun, wovor der Gesundheitsminister gewarnt hat: noch zusätzlich aus dem Haus zu gehen und andere zu infizieren. – 1450 ist die Nummer, die Ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht, wenn Sie selbst Symptome verspüren.

Wenn Sie sonstige Fragen zum Thema Coronavirus haben, dann wählen Sie bitte die Nummer 0800 555 621! Da bekommen Sie alle Informationen rund um das Thema Coronavirus, die für Sie zu Hause hilfreich sein können. Wie gesagt, allein im Call­center des Einsatzstabes sind auf dieser Nummer bereits über 1 100 Anrufe bewältig­bar.

Wichtig in solch einer herausfordernden Situation ist es auch, dass man rasch Tes­tungen durchführen kann. Es gibt immer wieder Verdachtsfälle, und gleichzeitig ist es sowohl das Bedürfnis der Gesundheitsbehörden, der Sicherheitsbehörden als auch der betroffenen Personen, rasch Gewissheit – gibt es eine Bestätigung: ja oder nein? – zu bekommen. Das heißt: Der Einsatzstab hat alle Bundesländer angewiesen, Verbindung mit den jeweiligen Labors aufzunehmen, sodass ein 24-Stunden-Betrieb gesichert ist, um diese Testungen rasch durchzuführen. Zum Beispiel ist das Labor der Ages in die­sem Fall schon einsatzbereit.

Der Erlass des Gesundheitsministeriums, der den Standard festlegt, wie in solchen Si­tuationen vorzugehen ist – nämlich bundeseinheitlich –, ist in diesen Stunden am Fer­tigwerden und wird den Gesundheitsbehörden demnächst zugehen. Die Polizei hat be­reits vor zwei Wochen in jeder Landespolizeidirektion sogenannte Kompetenzteams zusammengesetzt, die rasch zum Einsatzort kommen können, sollte dort tatsächlich eine Coronainfektion vorliegen.

Was aber auch ganz wichtig ist: Jede Staatsbürgerin, jeder Staatsbürger, jeder, der in Österreich lebt, kann selbst einen Beitrag dazu leisten, das Virus einzudämmen und nicht zu verbreiten. Was kann ich also tun? – Wie der Gesundheitsminister schon vor­geschlagen hat: Ganz wichtig ist es, die Hygienemaßnahmen zu setzen. Das kann je­der von uns, das ist nicht weiter schwierig. Gleichzeitig ist es aber wichtig, eigenver­antwortlich zu handeln. Was meine ich damit? – Wenn Sie selbst an sich feststellen, dass Sie Krankheitssymptome haben, dann rufen Sie bitte den Arzt und fangen Sie nicht an, sich selbstständig wieder quer durch die Gesellschaft zu bewegen, wodurch das Infektionsrisiko erhöht werden würde!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Der Einsatzstab im Innenminis­terium unter der Führung des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit General Lang – ein sehr erfahrener Mann im Umgang mit besonderen Herausforderungen –, das Gesundheitsministerium, die Gesundheitsbehörden, die Landeshauptleute, also all jene, die derzeit für die Sicherheit der Bevölkerung Verantwortung tragen, arbeiten eng zusammen. Der heutigen Sitzung hier im Hohen Haus folgt eine Konferenz mit den Landeshauptleuten und dem Bundeskanzler, um das weitere Vorgehen eng abge­stimmt durchzuführen.

Mein Ersuchen und mein Appell noch zum Abschluss: Lassen Sie uns diese Heraus­forderung entschlossen und mit aller Klarheit bewältigen, aber verzichten wir auf politi­sches Kleingeld! Schauen wir darauf, dass die Menschen genau das kriegen, was sie von der Politik erwarten: Sicherheit und Klarheit im Umgang mit Herausforderungen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.55

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke für die beiden Berichte.

Wir gehen nun in die Debatte ein. Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte.