11.01

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vize­kanzler! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Herr Minister Nehammer, ich habe Ihnen gut zugehört. Ich stimme Ihnen voll zu (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), Ihrer Feststellung (Zwischenruf bei der ÖVP), dass wir dieser ernsten Situation und Thematik nicht mit Polemik begegnen sollen; aber im Sinne eines konstruktiven Umgangs mit dieser ernsten Situation muss schon eines klar sein: Dieser Appell gilt für uns alle, insbesondere auch für Sie, Herr Bundes­minister! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Kickl: Bravo! Bravo!)

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber in den letzten Tagen wurde ich sehr oft kontak­tiert, via Twitter, Facebook, SMS, Whatsapp (Abg. Michael Hammer: Und von Partei­mitgliedern! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), wurde auf der Straße angespro­chen – spätestens seit dem Wochenende, seit dem starken Ansteigen der italienischen Fallzahlen, und seit gestern natürlich, seit den ersten österreichischen Fällen. Seit we­nigen Minuten wissen wir, dass ein dritter Fall in Wien aufgetreten ist.

Diese Gespräche und diese Nachrichten haben vor allem einen zentralen Inhalt: Die Menschen haben ein Bedürfnis, eine Antwort zu bekommen; das große Thema ist Co­rona. Die Menschen stellen Fragen, egal wo, auf der Straße oder wo auch immer man ihnen begegnet; diese Fragen sind einfach und sie sind naheliegend. Die Frage, die immer gestellt wird, lautet: Wie kann ich mich schützen? Wie kann ich meine Kinder schützen? Wie gefährlich ist das Virus und was kommt noch auf uns zu? – Diese Fragen werden oft gestellt, und man könnte sich jetzt fragen: Sind sie übertrieben? – Nein, diese Fragen sind nicht übertrieben. Ist es überraschend, dass sie jetzt in dieser hohen Zahl gestellt werden? – Nein, das ist nicht überraschend.

Haben wir es mit einer Krise zu tun, sehr geehrte Damen und Herren? – Ich persönlich gehe mit dem Wort Krise sehr vorsichtig und sorgfältig um und bin auch der Meinung, dass das Wort Krise im politischen Diskurs viel zu oft verwendet wird. Hier und heute aber, im Hinblick darauf, was wir in den letzten Wochen gesehen haben, müssen wir schon sagen: Das ist eine Epidemie – vor dem Hintergrund des Ansteigens der Zahlen auf mehr als 80 000 Fälle weltweit innerhalb weniger Wochen, auf mehr als 300 Fälle innerhalb weniger Tage in Italien und auf drei Fälle innerhalb weniger Stunden in Ös­terreich, mit einer nicht zu unterschätzenden Zahl an Todesfällen.

Diese Entwicklung macht Sorge, verunsichert und bringt die Menschen dazu, viele Fra­gen zu stellen. Es ist gerechtfertigt, jetzt und heute von einer Krise zu sprechen, von einer Krise in Österreich, in Europa, weltweit, von einer Gesundheitskrise, die grenz­überschreitend ist. Ja, unser gemeinsames Ziel kann nur sein und muss sein, diese Krise – Sie haben es gesagt, Herr Bundesminister Anschober – gemeinsam zu lösen, gemeinsam zu meistern.

Wir meistern Krisen dann besonders gut und effizient, wenn wir zusammenarbeiten, wenn wir zusammenstehen, Schulter an Schulter, die Behörden mit der Regierung, mit dem Parlament, mit der Bevölkerung, mit den Ärzten, der Pflege, der Wissenschaft und natürlich auch mit den internationalen Organisationen, die es weltweit gibt. Es geht in der Bewältigung und beim Management dieser Krise nur um eines: Es geht um die Ge­sundheit der Österreicherinnen und Österreicher, und es gibt im Leben der Menschen nichts Bedeutenderes als die Gesundheit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich gebe Ihnen auch recht, wenn Sie beide sagen, parteipolitisches Hickhack hat da nichts verloren, Ängste schüren hat da nichts verloren, Panikmache hat da absolut nichts verloren und ist fehl am Platz – ist eigentlich immer fehl am Platz, nennen wir es beim Namen! Es gilt, Verantwortung zu übernehmen, wir alle müssen Verantwortung übernehmen. Verantwortung zu übernehmen heißt, Probleme zu lösen. Verantwortung zu übernehmen heißt, ehrliche, transparente Antworten auf Fragen, die gestellt wer­den, zu geben.

Die Österreicherinnen und Österreicher wollen informiert werden, und ich gehe weiter: Sie müssen informiert werden. Ich habe deshalb vor wenigen Tagen vorgeschlagen, eine Informationsoffensive zu Corona zu starten, weil Krisenkommunikation das Um und Auf des Krisenmanagements und auch des damit hoffentlich verbundenen Erfolgs ist. Ich bin froh, dass Sie vonseiten der Bundesregierung diese Anregung und Forde­rung sehr rasch aufgenommen haben, und ich hoffe, dass sie auch bald zur Gänze umgesetzt wird, weil Unsicherheit, Ängste und Sorgen nicht das sind, was man in die­ser Situation braucht. Den Ängsten kann man eben nur mit Information, Aufklärung und Transparenz begegnen, und diese müssen wir geben.

Es ist Information, die jetzt am meisten zählt, die am wichtigsten ist, und sie muss ver­ständlich sein, in einer Sprache, die verständlich ist, die leicht zugänglich ist, eine In­formation, die transparent und ehrlich ist und die auch sagt, was wir zum jetzigen Zeit­punkt nicht wissen. Das ist ein neues Virus, und – ich gebe meinem Vorredner recht – wir wissen auch noch nicht, wie sich die nächsten Wochen entwickeln, ob wir wirklich vor einer Pandemie stehen und in wenigen Wochen seitens der WHO der Pandemie­zustand ausgerufen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Um in dieser Krise bestmöglich zusammenzuar­beiten, braucht es einen guten, einen ehrlichen Austausch zwischen der Regierung, dem Parlament und uns Parteien. Deswegen ist es gut, dass Sie hier heute Ihre Er­klärung abgeben, und es ist sehr gut, dass wir morgen dieses wichtige Thema auch im Nationalen Sicherheitsrat gemeinsam diskutieren und beraten. Da wird es mir um Fragen gehen wie: Auf welche Szenarien ist die Regierung in welcher Form und wie vorbereitet? Das durchzuspielen ist ganz wichtig. Wie sind Ihre Pläne, Ihre Stufen- und Einsatzpläne? Wie schaut die medizinische Versorgungskapazität aus, was Isolierein­heiten betrifft, was Beatmungsgeräte betrifft, was Medikamente, die man in diesen Si­tuationen braucht, betrifft? Auch: Gibt es Expertinnen und Experten, die Ihnen in Form von Beiräten, zum Beispiel im medizinischen Bereich, zur Verfügung stehen, und wenn ja, welche? Wie schauen Sicherheitsvorkehrungen für möglicherweise exponiertes Per­sonal aus – Personal im Bereich der Sicherheit an Flughäfen, Personal, das im Rei­nigungsdienst in den verschiedensten exponierten Bereichen bis hin zur Bahn und an­deren Verkehrsmitteln arbeitet, Lkw-Fahrer, die möglicherweise in diese Regionen fah­ren?

All das sind Fragen, die wir auch beantwortet haben wollen. Wer leitet zentral das Kri­senmanagement in Österreich? Wer trifft die Letztentscheidung und wer hat die Ver­antwortung dafür? Es gibt drei Ministerien, die involviert sind, manchmal auch das Au­ßenministerium, dann sind es vier. Es gibt neun Bundesländer, die involviert sind. Ja, und es gibt auch eine Krankenversicherung, eine Sozialversicherung, die involviert und ein wichtiger Partner sein muss. Wer ist der zentrale Krisenkoordinator? Wer koor­diniert die Bundesländer in engmaschigen Sitzungen und Strukturen? – Das sind Fra­gen, die wir Ihnen morgen stellen werden (Abg. Kickl: Da hätten wir heute gern schon Antworten gehabt!) und die hoffentlich auch beantwortet werden.

Diese Fragen gilt es, zu stellen, und ich bin auch sehr froh, dass Sie, Herr Minister An­schober, erst gestern gesagt haben, dass Sie der Forderung nach einem zentralen Ge­sundheitskrisenmanagement insofern nachkommen wollen, als Sie eine Struktur im Gesundheitsministerium, nämlich eine Krisenmanagementstruktur, die jahrzehntelang gut funktioniert hat, die unter Schwarz-Blau, unter Ministerin Hartinger-Klein, vor zwei Jahren zerschlagen wurde, wieder aufbauen wollen. Es fehlt der zentrale Gesundheits­krisenmanager. Ich bin sehr froh, dass Sie angekündigt haben, sich zu bemühen, diese Ministerienstruktur wieder aufzubauen und wieder zu errichten. (Beifall bei der SPÖ.)

Nur bin ich davon überzeugt: Es muss rasch gehen. Wir brauchen diese funktionie­rende Struktur nicht erst in ein paar Monaten, wir brauchen sie rasch. Wir müssen rascher werden, wir müssen effizienter werden, denn ein Ziel muss erreichbar sein: Wir dürfen dem Virus nicht hinterherhinken, wir müssen dem Virus einen Schritt voraus sein.

In diesem Sinne wünsche ich mir Transparenz und Information. Das schafft Vertrauen, und Vertrauen ist die notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewältigung der Gesundheitskrise Corona. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.11

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Klubobmann Herbert Kickl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Klubobmann.