11.11

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zu Beginn gleich mit Herrn Minister Nehammer befassen. Wissen Sie, Herr Minister, auch wenn Sie noch so unqualifizierte Angriffe gegen die Freiheitliche Partei starten, können diese nicht von den Defiziten Ihres Umgangs mit dem Coronavirus ablenken. Sie können sich noch so bemühen, aber diese Defizite werden von Tag zu Tag sichtbarer. (Beifall bei der FPÖ.)

Niemand von uns hat irgendeine Polizistin oder irgendeinen Polizisten in dieser Re­publik verhöhnt oder verächtlich gemacht, wie Sie es behauptet haben – das Gegenteil ist der Fall! Man muss die Polizisten und Polizistinnen in dieser Situation vor Ihnen schützen, denn eine Verhöhnung, Herr Bundesminister, ist etwas ganz anderes: Das ist das, was Sie machen, wenn Sie den eigenen Polizisten im Burgenland zum Schutz vor dem Coronavirus Grippeschutzmasken austeilen – Produktion: Jahr 2005, Ablauf­datum: Jahr 2010. Selbst wenn ich die Toleranzgrenze noch dazurechne – das ist das alte Glumpert, das aus den Zeiten des Vogelgrippevirus noch irgendwo herumgelegen ist –, ist das keine effektive Schutzmaßnahme für unsere Polizistinnen und Polizisten, und gleichzeitig schicken Sie hunderttausend Masken nach China! (Beifall bei der FPÖ.)

So etwas zu machen, das ist eine Verhöhnung unserer Polizistinnen und Polizisten, und nicht, Kritik an Ihren Maßnahmen zu üben. Das schreibe ich Ihnen ins Stamm­buch. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich glaube, es ist kein falscher Befund, wenn man in Österreich davon spricht, dass das Land zumindest seit einigen Tagen in einer Art Coronafieber liegt. Nicht, dass die Ersten gleich wieder zu jammern beginnen – das hat überhaupt nichts mit Panikmache zu tun. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) – Hören Sie zu, wie ich das meine! Wenn ich von einem Coronafieber spreche, dann meine ich damit nicht, dass die Zahl der Neuerkrankungen irgendwelche Dimensionen annehmen würde, bei denen man sich berechtigterweise größere Sorgen machen müsste. Das ist Gott sei Dank nicht der Fall, und ich glaube, wir sind auch in der guten Situation, dass wir keine Szenarien vor uns haben, dass uns keine Entwicklungen bevorstehen, an die man nur mit Schrecken denken kann – wenn man etwa auf den Bildern aus China sieht, welche Maßnahmen dort notwendig sind, um dieses Virus einzudämmen.

Nein, Gott sei Dank, so ist es in Österreich nicht. Seien wir alle froh und hoffen wir, dass dieser Zustand möglichst lange anhält. Am besten wäre es, wenn es ein dauer­hafter Zustand wäre, denn wenn ich in eine Situation käme, in der ich darauf ange­wiesen wäre, von dieser Regierung entsprechend koordiniert und informiert zu werden, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann würde es nämlich traurig ausschauen, und ich werde Ihnen auch sagen, warum das so ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich habe mit dem Coronafieber, in dem dieses Land liegt, etwas anderes gemeint. Ich habe damit gemeint, dass weite Teile der Bevölkerung in einem Zustand der Verunsi­cherung sind, in einem Zustand der Unklarheit, was Information und Organisation be­trifft (Abg. Steinacker: Deswegen gibt es jetzt die Erklärung der Bundesregierung!), und die Regierung leistet durch ihr Tun und Unterlassen unheilvolle Beiträge zu diesem Zustand, anstatt für Aufklärung zu sorgen.

Ich meine aber mit Fieber auch eine Art Reizüberflutung – ich möchte schon fast sa­gen: ein Hyperventilieren – seitens der Medien in diesem Zusammenhang. (Abg. Ot­tenschläger: Und das werfen Sie jetzt der Regierung auch noch vor?) Da gibt es ja ein regelrechtes Berichtsstakkato, der Medienkonsument wird in gewisser Weise fast er­schlagen: eine Sondersendung nach der anderen, Breaking News am laufenden Band, Liveticker von irgendwelchen Verdachtsfällen (Abg. Ottenschläger: Was kann da jetzt die Regierung dafür?), die man dann aufplustert, als ob es tatsächliche Infektionsfälle wären, und so weiter und so weiter. Ich denke, dass es notwendig ist, die Damen und Herren auch einmal an ihre Verantwortung im großen Gesamten zu erinnern, ohne dass das vonseiten der Medien gleich als Majestätsbeleidigung aufgefasst wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe Verständnis dafür, dass es einen Kampf um Marktanteile gibt, und ich verste­he auch, dass es eine gewisse Gier nach Klicks gibt, weil damit Werbeeinschaltungen verbunden sind, aber ich glaube, es gibt in einer solchen Situation auch einen notwen­digen Beitrag zur Gesamtverantwortung, und dem können sich auch die Medien nicht entziehen.

Jetzt bin ich wieder bei Ihnen (in Richtung Regierungsbank): Ich mache hier Ihre Ar­beit. Warum erledigen Sie das mit den Medien nicht? Warum höre ich das, was ich jetzt gesagt habe, nicht von Ihnen, vonseiten der Regierung (Abg. Loacker: Es gibt so schöne Krisenstabsfotos! So schöne!), indem Sie die Verantwortlichen auch einmal in die Pflicht nehmen? Ich erledige gerne Ihre Arbeit, wenn Sie dazu nicht in der Lage sind! (Beifall bei der FPÖ.)

Das eigentlich Schlimme an der ganzen Situation ist aber, dass es der gesamten Re­gierung – und jetzt bin ich wieder (in Richtung Regierungsbank weisend) bei Ihnen – trotz einer Vielzahl von Auftritten – von Inszenierungen darf man ja nicht mehr spre­chen, das ist ja jetzt ein verpöntes Vokabel – nicht gelingt, dieses Durcheinander zu entwirren und kommunikativ und organisatorisch endlich einmal Klarheit im Kampf ge­gen das Coronavirus zu schaffen. Dabei kommen Sie sehr, sehr rasch an ein Ende. Die schwarzen Sprechroboter geraten dabei mit ihrem Bausatz: Deutsch in 300 Wor­ten – das ist ja das Rhetorikprogramm, durch das alle durchmarschieren müssen – an die Grenzen der Leistungsfähigkeit. Es reicht nicht aus, um dieser Krise entsprechend entgegenzutreten, und das ist das eigentliche Problem.

Ich denke an Ihr Fünfpunkteprogramm, das Sie präsentiert haben – zu Beginn dieser Woche wurde es der Öffentlichkeit präsentiert –, und ich nehme nur Punkt eins heraus. Der erste Punkt ist ja immer der wichtigste, und der erste Satz ist der wichtigste im ersten Punkt. Dieser erste Satz Ihres Projekts, Ihres Krisenbekämpfungsplans besagt, dass der Gesundheitsminister und der Innenminister den Bundeskanzler jeden Tag informieren. Das ist Punkt eins des Krisenbekämpfungsplans der österreichischen Bun­desregierung gegen das Coronavirus.

Jetzt sage ich Ihnen etwas: Von Ihren innerkoalitionären Huldigungsritualen wird die österreichische Bevölkerung nichts haben, wenn es darum geht, den Kampf gegen dieses Virus mit aller Entschlossenheit zu führen. Das können Sie sich untereinander ausmachen, aber die Wirkung dieser Maßnahme auf Corona ist gleich null – die ande­ren vier Punkte sind aber auch nicht viel aussagekräftiger. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau darin liegt das Problem: keine klare Struktur und Koordination, was das Organi­satorische betrifft, keine klare Koordination und keine klare Information. (Abg. Stein­acker: Er will’s nicht verstehen!) Informationspolitik ist etwas anderes, als einen Fle­ckerlteppich zu präsentieren. Informationspolitik heißt nicht, dass möglichst viele unter­schiedliche Personen zu möglichst vielen Zeiten in möglichst viele Mikrofone hinein­sprechen sollen. Das ist, glaube ich, Ihre Interpretation von Informationspolitik, aber so wird das nichts.

Sie haben darüber hinaus auch auf Regierungsebene ein heilloses Durcheinander, was die Kompetenzbereiche betrifft; permanent pfuscht einer dem anderen in Berei­chen, die ihn eigentlich gar nichts angehen, ins Handwerk. Ich habe ja schon Angst, Herr Gesundheitsminister, dass Sie ein Opfer des ÖVP-Projekts, das sich betreutes Regieren nennt, geworden sind. Bei Frau Zadić haben wir ja schon gesehen, wie weit das führt, wenn jeder seinen eigenen Sachwalter gestellt bekommt. Da muss man ein bisschen aufpassen. Es geht aber darum, die Kompetenzen klipp und klar auseinan­derzuhalten.

Jetzt frage ich Sie, meine zuständigen Herren Minister: Seit wann wissen Sie eigent­lich, dass das Coronavirus auf dem Vormarsch nach Europa und damit wohl auch nach Österreich ist? Ich denke, Sie werden es nicht kürzer wissen als wir alle. Wir wissen es seit etwa Mitte Jänner. Jetzt frage ich Sie: Warum, verdammt noch einmal (Ruf bei der ÖVP: Hallo!), ist es bis zum heutigen Tag nicht gelungen, eine – und ich betone: eine – zuständige zentrale Stelle für die Koordination der Information der Bevölkerung zu etablieren? Es geht um eine, nicht viele (Zwischenrufe bei der SPÖ), denn nur mit einer solchen Stelle können Sie diesen Fleckerlteppich ausschalten. (Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS).

Ich frage die beiden Minister, wer eigentlich dafür verantwortlich ist, dass man es ver­absäumt hat, einen ganz naheliegenden Schritt zu setzen und zum Beispiel eine Do­main wie www.coronavirus.at für sich zu reservieren. Das wäre ja in meinen Augen eine Kommunikationsplattform der österreichischen Bundesregierung. Wer ist dafür verantwortlich, dass man so etwas verschlafen hat? Das ist ja der Begriff, der überall gegoogelt wird, und das wäre die Seite, auf der jeder landen würde, der jetzt mühsam in einer Art Schnitzeljagd versucht, sich Informationen aus dem Netz zusammenzu­holen, von denen man gar nicht weiß, von welcher Qualität und wie aktuell sie sind. (Abg. Steinacker: Es gibt ja die Hotline! ... Das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischen­rufe bei ÖVP und Grünen.) Wer hat das verabsäumt?

Ich frage Sie, meine Herren aufseiten der Bundesregierung: Wo ist die Coronavirus­app? Wir leben im Jahr 2020, für alles gibt es eine App – das ist eine programmier­technische Kleinigkeit, so etwas herzustellen. Sie aber haben das alles verschlafen, obwohl man damit einen unmittelbaren Zugang zum Smartphone eines jeden, das er täglich privat und natürlich auch bei der Arbeit braucht, hätte.

Ich frage Sie, weil Kommunikation ja nicht nur eine Holschuld der Bevölkerung, son­dern auch eine Bringschuld der Regierung ist: Wo, bitte, ist die aktive Kommunika­tionskampagne der Bundesregierung? Wo sind die durchgeschalteten Spots im TV, in den sozialen Medien, auf verschiedenen Websites, im Radio? Wo ist das alles und warum gibt es das nicht in dieser Form, sodass derjenige, der das sieht, weiß: Das ist eine Information, die das Gütesiegel der österreichischen Bundesregierung trägt, da­rauf kann ich mich verlassen!? – Das alles werden die Leute verzweifelt suchen, doch so etwas gibt es schlicht und ergreifend nicht.

Wo sind die Informationsfolder? Wo sind die Flugblätter und die Inserate, die zu einer solchen Kampagne dazugehören? (Abg. Loacker: Inserate?) Wo ist das alles? (Abg. Loacker: Inserate?!) – Ja, da hätten Regierungsinserate einmal Sinn, Abgeordneter Loacker! Da hätten sie einmal Sinn – aber all das gibt es nicht, und das ist ein Vorwurf, den man Ihnen machen muss. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil Sie so viel davon reden, dass Sie auf den Fall der Fälle perfekt vorbereitet sind: Das haben wir gesehen, als die einzige Hotline – für die Sie heute schon wieder mehrere Nummern in der Weltgeschichte herumgeschmissen haben, die sich ohnehin keiner merkt –, also eine dieser Hotlines beim geringsten Andrang sofort in die Knie gegangen ist, weil der Ansturm auf diese Hotline zu groß gewesen ist. Nennen Sie das eine gute Vorbereitung auf das, was eigentlich zu erwarten gewesen ist? – Bei mir schaut das anders aus.

Nennen Sie das eine gute Vorbereitung, wenn Sie den sogenannten Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit – der im Übrigen gar kein Generaldirektor für die öffentli­che Sicherheit ist, sondern nur ein Stellvertreter, weil Sie diese Position seit neun Mo­naten nicht besetzen (Zwischenruf bei der ÖVP – Heiterkeit der Bundesministerin Tan­ner); ich sage es Ihnen nur dazu: der macht das, eine Schlüsselfunktion im österreichi­schen Sicherheitsgetriebe, als Nebenjob – ins Fernsehstudio, in eine der wichtigsten Nachrichtensendungen dieses Landes schicken und er dort dahindilettierend die ganze Situation noch verschärft, weil er plötzlich davon spricht, dass man Mineralwasser ein­lagern soll, und damit den Eindruck erweckt, als hätte unser Trinkwasser und Leitungs­wasser irgendetwas mit der Übertragung des Coronavirus zu tun? – Das ist ja ein Akt der Verantwortungslosigkeit, was da im Namen des Sicherheitsapparates passiert! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Matznetter und Steinacker.)

Ich glaube aber, dass es das gewesen ist, was Sie gemeint haben, als Sie gesagt ha­ben, Sie werden jetzt mit aller Härte gegen das Virus vorgehen. Das sind Auftritte wie diese des Herrn Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit, der ein solcher gar nicht ist – denn von Grenzkontrollen oder von einer Quarantäne etwa von Illegalen sind Sie Lichtjahre entfernt! Ich bin schon bei Ihnen, Herr Gesundheitsminister, wenn Sie sagen, dass es schwierig ist, eine entsprechende Kontrolle durchzuführen, aber Sie tun ja gerade so, als ob dieses Virus nicht auch in Form von Menschengestalt – logi­scherweise – den Weg über unsere Grenzen finden würde. Wenn es unsere Zielrich­tung und unsere gemeinsame Stoßrichtung ist, eine Ausbreitung zu verhindern, dann liegt es doch wohl bitte auf der Hand, dass alles unternommen werden muss, um ein weiteres Hereinschleppen dieses Virus hintanzuhalten. Dazu höre ich aber nichts! (Bei­fall bei der FPÖ.)

Wahrscheinlich ist es so, dass Sie sich nicht zu dieser Maßnahme durchringen können, weil als Sicherheitsausrüstung nur die abgelaufenen Vogelschutzmasken (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch) aus dem Jahr 2005 zur Verfügung stehen und Sie mit diesen natürlich die Polizisten nicht guten Gewissens an die Grenze stellen können. Das ist die Wahrheit hinter Ihrer Passivität in dieser Angelegenheit.

Ich kann Ihnen nur sagen, meine Herren Bundesminister: Machen Sie endlich Ihre Ar­beit! Frei nach Sebastian Kurz: Leisten Sie einmal in dieser so wichtigen Frage einen substanziellen Beitrag, der dieses Land vorwärtsbringt und der Bevölkerung die Un­sicherheit nimmt, die jetzt in weiten Teilen Ihrer verfehlten Kommunikationspolitik ge­schuldet ist! Die Leute können es sich eh irgendwie richten, aber das geht in der jetzigen Situation; ich möchte mich nicht darauf verlassen, dass das alles funktioniert, wenn die Entwicklung tatsächlich eine negative Dynamik aufnimmt. Ich habe in den vergangenen Wochen kennengelernt, dass Sie in dieser Situation heillos überfordert sind. (Beifall bei der FPÖ.)

11.24

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.