9.14

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Wir treffen heute zusammen in einer Zeit der Herausforderung, in einer Zeit der Krise, in einer Situation, in der es wichtig ist, dass wir alle zusammenstehen. Die Ausbreitung des Coronavirus trifft uns nicht überraschend, sie trifft uns auch nicht unvorbereitet, aber dennoch konfrontiert uns dieses Virus in Europa und in Österreich mit einer Härte, wie es sich viele von uns gar nicht vorstellen können.

Wir müssen uns vor Augen führen, dass unser gesamtes Nachbarland Italien unter Quarantäne steht, dass es dort sterbende Menschen gibt, die sich von ihren Ange­hörigen nur noch telefonisch verabschieden können, weil die Ansteckungsgefahr zu groß ist, dass dort Ärzte entscheiden müssen, wen sie behandeln, weil die Kapazitäten in den Spitälern nicht mehr ausreichen, um alle zu behandeln, die Hilfe brauchen. Sehr geehrte Damen und Herren, ich sage Ihnen das nicht, um Panik zu verbreiten, sondern ich sage das in aller Deutlichkeit, weil ich in den letzten Tagen immer noch mit Menschen zu tun habe, auch in der Politik, die das verharmlosen, die das nicht wahrhaben wollen, die das nicht begreifen können oder den Ernst der Lage nicht sehen.

Ich habe gemeinsam mit der Bundesregierung bereits in den letzten Tagen ange­kündigt, dass ab morgen unsere sozialen Kontakte in Österreich auf ein Minimum redu­ziert werden müssen, dass Österreich auf einen Notbetrieb heruntergefahren werden muss. Das bedeutet, dass Schulen keinen Unterricht mehr abhalten; für eine Betreu­ung für all jene, die es dringend brauchen, wird gesorgt. Geschäfte bleiben mit Aus­nahme der notwendigen Versorgung an Lebensmitteln, Medikamenten und anderem geschlossen.

Darüber hinaus werden wir mit den Beschlüssen, die heute zu fassen sind, noch wei­tere entscheidende Schritte zur Eindämmung des Virus setzen können. Versamm­lun­gen werden auf Zeit zukünftig gänzlich untersagt. Weiters wird die Bewegungsfreiheit in unserem Land im öffentlichen Raum massiv eingeschränkt. Das bedeutet, dass Sportplätze, Spielplätze und andere Plätze der öffentlichen Begegnung geschlossen werden.

Die Österreicherinnen und Österreicher werden aufgefordert, sich selbst zu isolieren, das bedeutet, soziale Kontakte ausschließlich mit jenen Menschen zu pflegen, mit denen sie zusammenleben. Nachdem sich die ursprüngliche Sorge vieler Menschen um die Lebensmittelversorgung Gott sei Dank im Lauf des gestrigen Tages entspannt hat und wir feststellen können, dass die Zahl der Hamsterkäufe abnimmt, werden ab Dienstag die Restaurants vollständig geschlossen sein, da die Lebensmittelversorgung über Supermärkte und Lieferservices gewährleistet ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Österreicherinnen und Österreicher, es gilt: Bleiben Sie zu Hause! Es gibt künftig nur drei Gründe, das Haus zu verlassen: Erstens, Berufsarbeit, die nicht aufschiebbar ist; zweitens, dringend notwendige Besorgungen wie etwa von Lebensmitteln oder in der Apotheke; und drittens, wenn Sie anderen Menschen helfen müssen, die Ihre Unterstützung brauchen, wie Pflegebedürftige oder Menschen mit Behinderungen. Wenn Sie das dringende Bedürfnis verspüren, sich die Füße zu vertreten – ich werde das oft gefragt –, dann tun Sie das ausschließlich alleine oder mit den Menschen, mit denen Sie in der Wohnung zusammenleben. Halten Sie Abstand zu anderen und treffen Sie sich keinesfalls mit Menschen, mit denen Sie nicht zusammenleben!

Da es eine spezielle Situation im Bundesland Tirol gibt, wird Landeshauptmann Platter um 11 Uhr weitere Schritte für das Land Tirol verkünden, die insbesondere für dieses Bundesland Gültigkeit haben.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Wir alle in der Bundesregierung sind uns dessen bewusst, dass das massive Einschränkungen für jeden Einzelnen sind, aber diese Schritte sind notwendig, um die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung zu verteidigen und um insbesondere die ältere Generation in unserem Land zu schützen. Es geht bei diesen Maßnahmen nicht um uns als junge Menschen, es geht bei diesen Maßnahmen darum, unsere Eltern- und Großelterngeneration zu schützen. Wir alle gemeinsam müssen diese Maßnahmen setzen, um das Virus auszuhungern. Wir müs­sen sicherstellen, dass sich die Verbreitung verlangsamt, sodass in den Spitälern die notwendigen Kapazitäten zur Versorgung der Bevölkerung Österreichs gegeben sind.

Um diese konsequenten Maßnahmen im Inland zu unterstützen und ein weiteres Ein­schleppen des Virus von außen nach Österreich zu verhindern, werden die Einreisebe­stimmungen weiter verschärft. Künftig werden auch Reisende aus Großbritannien, den Niederlanden, Russland und der Ukraine nicht mehr direkt nach Österreich einreisen können, Flugverbindungen in diese Länder werden eingestellt.

Neben der Aufgabe, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, muss natürlich die Versorgungssicherheit in Österreich gewährleistet sein. Ich kann allen Österreiche­rinnen und Österreichern garantieren, dass das auch der Fall ist. Das gilt für die Supermärkte genauso wie für die Apotheken; das gilt für alles, was es für das tägliche Leben braucht. Damit das aber auch langfristig gesichert ist, habe ich die Vertei­di­gungsministerin angewiesen, die bevorstehende Ausmusterung von Grundwehrdienern zu stoppen und die Bereitschaft einiger Einheiten der Miliz herzustellen. Sie werden die Polizei unterstützen und so eine notwendige strategische Reserve für logistische Herausforderungen sein.

Darüber hinaus habe ich die für den Zivildienst zuständige Ministerin Elisabeth Köstinger ersucht, die Dienstzeit bestehender Zivildiener zu verlängern und weitere Zivildiener, die in den letzten fünf Jahren im Sanitäts- und Pflegebereich aktiv Dienst versehen haben, zu mobilisieren, damit potenzielle Engpässe im Pflegebereich sowie in der 24-Stunden-Betreuung durch Unterstützung der Zivildiener vermieden werden können. Ich danke jetzt schon allen jungen Männern, die da gebraucht werden, die sich jetzt schon bereithalten müssen, falls der Dienst an der Republik und insbesondere an der Bevölkerung im fortgeschrittenen Alter notwendig ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Krise führt natürlich auch zu enormen wirt­schaftlichen Herausforderungen. Viele Menschen machen sich Sorgen, wie es mit ihrem Arbeitsplatz weitergeht, und viele Unternehmerinnen und Unternehmer fragen sich zu Recht, wie es weitergehen soll, wenn ihre Geschäftsgrundlage zumindest auf Zeit gänzlich wegbricht. Daher wollen wir heute – hier mit Ihnen gemeinsam, sehr ge­ehrte Abgeordnete im Hohen Haus – ein umfassendes Coronakrisenpaket beschließen, um den Standort und die Beschäftigten zu unterstützen.

Das mit 4 Milliarden Euro dotierte Paket baut auf drei Säulen auf. Zum Ersten: Arbeits­plätze sichern durch Sonderbetreuungszeiten, durch Kurzarbeit und andere Maßnah­men; zum Zweiten: die Liquidität in den Unternehmen durch Kreditgarantien, Über­brückungskredite und Steuerstundungen erhalten; und zum Dritten: in Härtefällen hel­fen, insbesondere bei EPUs und Familienunternehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, ich bedanke mich bei Ihnen aus­drücklich dafür, dass Sie die heutige Sitzung ermöglicht haben und so die Chance geben, dass dieses Hilfspaket beschlossen werden kann und dass wir auch die not­wendigen gesetzlichen Maßnahmen auf den Weg bringen, um die Bevölkerung best­möglich zu schützen. Damit sind wir als Republik auch in dieser schwierigen Zeit hand­lungsfähig und können Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch Arbeitneh­merin­nen und Arbeitnehmer bestmöglich unterstützen.

Ich möchte mich heute vor allem bei Vizekanzler Werner Kogler für die ausgezeichnete Zusammenarbeit und das wirklich vertrauensvolle Verhältnis in dieser außerge­wöhn­lichen Situation bedanken. Ich möchte dem Gesundheitsminister und dem Innenminis­ter danken, die die Hauptverantwortung für die medizinische Versorgung, aber auch für die öffentliche Sicherheit in unserem Land tragen. Ich danke dem Finanzminister, der Wirtschaftsministerin, der Arbeitsministerin und den Sozialpartnern, dass es möglich war, so schnell ein Wirtschaftspaket auszuverhandeln und auf den Weg zu bringen.

Mein Dank gilt darüber hinaus allen Österreicherinnen und Österreichern, die in nächs­ter Zeit durch Verzicht und bewusste Entschleunigung ihren wichtigen Beitrag dazu leisten, dass sich das Virus nicht weiter ausbreitet oder die Ausbreitung zumindest verlangsamt wird. Ich weiß aus der eigenen Familie, wie schwierig das für manche Menschen ist, ich weiß aus der eigenen Familie, wie viel Überzeugungsarbeit teilweise notwendig war und notwendig ist, aber glauben Sie mir, es ist die einzige Möglichkeit, die wir haben.

Ich möchte mich heute ganz besonders bei all jenen Menschen bedanken, die im Mo­ment Übermenschliches leisten. Das sind alle, die in dieser schwierigen Situation tagtäglich ihren Dienst tun. Das sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesund­heitsbereich, in der Pflege, die Polizistinnen und Polizisten, die Angestellten des Bun­desheers und die Zivildiener. Es sind aber vor allem auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Supermärkten und in den Apotheken, die im Moment mit besonderen Stresssituationen zu kämpfen haben. Ich danke ihnen allen für diesen unschätzbaren Beitrag für die österreichische Gesellschaft. (Allgemeiner Beifall.)

Liebe Österreicherinnen und Österreicher, es werden herausfordernde, schwierige und auch schmerzhafte Wochen werden, eine kritische Zeit, in der wir die Ausbreitung des Virus mit aller Kraft und Konsequenz eindämmen und verlangsamen müssen, in der Hoffnung, dass wir gesellschaftlich, wirtschaftlich und auch sozial nach Ostern wieder­auferstehen können und unser Leben so, wie wir es schätzen und lieben, fortsetzen können. Eines aber muss uns bis dahin bewusst sein: Wir stehen vor einer Aufgabe, die niemand alleine bewältigen kann. Wir stehen vor einer Aufgabe, bei der alle ge­meinsam zusammenstehen müssen, wir stehen vor einer Aufgabe, bei der jeder eine Verantwortung hat, und wir stehen vor einer Aufgabe, bei der jeder seinen Beitrag leisten muss. Als Team, als Team Österreich können wir auch diese Herausforderung bewältigen, und dafür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.27

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Kogler. – Bitte.