15.14

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Bundesregierung! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich zu den aktuellen Er­eignissen und zu den Diskussionen der letzten Stunde hier im Parlament Grundsätzli­ches sagen! Eine funktionierende Demokratie und damit auch ein handlungsfähiges Parlament muss zu jeder Zeit und gerade jetzt mit aller Kraft sichergestellt sein. (Beifall bei SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es sind Tausende Menschen, die tagtäglich daran arbeiten, unsere Grundversorgung in dieser schwierigen Zeit in welchen Bereichen auch immer sicherzustellen, Tausende Menschen, bei denen wir uns bedanken müssen. So wie wir uns auf diese Menschen verlassen, darauf, dass sie unsere Grundversorgung in den Spitälern und anderswo sicherstellen, müssen sich alle Menschen in Österreich auch auf uns, auf das Parla­ment, verlassen können, denn das Parlament ist der stabile Anker gerade in schwieri­gen Zeiten wie diesen für unser Land. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS. – Abg. Leichtfried: Die ÖVP sieht das nicht so!)

Es wurde heute schon erwähnt, und wir kennen die erschreckenden Zahlen: Von Mon­tag bis Mittwoch dieser Woche waren es 74 000 Menschen, die beim AMS angemeldet wurden – 2 Prozent aller arbeitenden Menschen in Österreich, ja, in nur drei Tagen; Tausende Familien, die unverschuldet von einem Tag auf den anderen vor einer unge­wissen Zukunft stehen. Ich sage Ihnen: Wir müssen wirklich alles dafür tun, dass diese Entwicklung der letzten drei Tage sich nicht in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten fortsetzt. Wir müssen alles dafür tun, dass dieses Virus nur die größte Ge­sundheitskrise in unserer jüngeren Geschichte verursacht und nicht auch zur größten sozialen Krise seit dem Zweiten Weltkrieg führt.

Wir wissen, dass die Europäische Zentralbank einen Schirm in der Größenordnung von 750 Milliarden Euro aufspannt. Österreich stellt ein 38-Milliarden-Euro-Hilfspaket zur Verfügung – bei 80 Milliarden Euro Bundesbudget. Das ist richtig, das ist notwendig, das ist alternativlos. Es muss jeder Betrieb, der Hilfe und Unterstützung braucht, es müssen vor allem auch die Kleinstbetriebe und die kleinen Betriebe diese Unterstüt­zung bekommen, mit einem Ziel: damit Arbeitsplätze in Österreich gesichert sind. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Was es somit braucht, ist vor allem eine Jobgarantie all jener Betriebe, die diese Unter­stützung jetzt bekommen sollen und bekommen werden. Das bedeutet, dass die Unter­stützungsleistungen an eine Arbeitsplatzgarantie geknüpft sein sollen; denn eines muss klar sein: Eine Massenarbeitslosigkeit wollen und können wir uns nicht leisten. Die ist zu verhindern. Das gilt neben dem Schutz der Gesundheit als unser großes Ziel.

Wir müssen verhindern, dass unser Land nach dieser Krise vielleicht ein anderes ist. Wir müssen verhindern, dass der soziale Friede etwas ist, woran wir uns vielleicht spä­ter nur noch vage erinnern. Das gilt es mit aller Kraft zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese außergewöhnlichen Zeiten bedürfen außergewöhnlicher Maßnahmen. Das wur­de heute am Vormittag schon mehrmals gesagt. Meine sehr geehrten Damen und Her­ren von der Bundesregierung! Sie werden heute vom Parlament so wie auch schon in der letzten Sondersitzung am Sonntag, vor einigen Tagen, mit sehr weitreichenden und in der Geschichte der Zweiten Republik einmaligen Befugnissen und Instrumenten aus­gestattet. Dafür erwarten wir uns alle etwas, sehr geehrte Damen und Herren der Bun­desregierung, nämlich dass Sie sorgsam damit umgehen, dass Sie mit diesen Ihnen von uns gegebenen Befugnissen in dieser schweren Zeit verantwortungsvoll umgehen. Ja, wir verstehen die Notwendigkeit dafür in dieser einmaligen Situation, aber eines muss ganz klar sein: Diese Maßnahmen müssen für die Dauer der Krise befristet sein und für keinen Tag länger. (Beifall bei SPÖ, FPÖ, NEOS und Abgeordneten der Grü­nen.)

Die Bundesregierung muss uns, das österreichische Parlament, regelmäßig einbinden und regelmäßig über die weiteren Schritte informieren.

Ja, diese außergewöhnliche Zeit bedarf außergewöhnlichen Denkens, außergewöhnli­cher Entscheidungen und Maßnahmen, auch und vor allem bei der Bekämpfung dieser Virusseuche. Für die Bekämpfung der gesundheitlichen Folgen brauchen Sie allerdings keine neuen Instrumente, denn Sie haben sie bereits, und ich appelliere daher sehr dringend: Machen Sie davon Gebrauch und nützen Sie sie! Das Epidemiegesetz, das genau für solche Situationen vor Jahrzehnten, vor etwa 100 Jahren, geschaffen wurde, gibt Ihnen die rechtliche Grundlage dafür.

Wir brauchen ein gemeinsames, ein einheitliches und zentral gesteuertes Vorgehen für alle notwendigen Maßnahmen. Ob in Ischgl, in St. Christoph oder in St. Anton, ob in Tirol, in Oberösterreich oder in Niederösterreich: Die Behörden in ganz Österreich brauchen einheitliche Vorgaben. Es braucht ein einheitliches, klares Handeln.

Das Gesundheitspersonal muss überall gleich geschützt werden. Um es deutlich zu machen: Unser Gesundheitspersonal braucht ein einziges, ein Schutzkonzept, nicht neun oder vielleicht mehr als 200 unterschiedliche Empfehlungen – denn wir haben mehr als 200 Krankenanstalten und Spitäler in Österreich.

Ja, es braucht überall dieselben klaren fachlichen Regeln, sei es für den Arbeitneh­merschutz für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die unsere Grundversorgung sicherstellen, sei es für den Schutz des medizinischen Personals, sei es für den Um­gang mit Heimkehrern, die tagtäglich in Flugzeugen an unseren Flughäfen oder auf anderem Weg woanders ankommen, sei es für das Vorgehen bei Quarantänefällen, Verdachtsfällen, Erkrankungsfällen, für das Vorgehen beim Schließen von Kinderspiel­plätzen oder Parkanlagen. Es braucht eine rasche und sichere Entscheidungsfindung für alle, die in unserem Land am Management im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus beteiligt sind, für alle Institutionen und für alle Personen.

Ja, dekretieren Sie, verordnen Sie, erteilen Sie Weisungen! Tun Sie, was auch immer notwendig ist, um das zu bewerkstelligen, denn, sehr geehrte Damen und Herren, in ei­ner solchen Krise kann der Föderalismus nicht die einzige Antwort sein! Das Virus kennt nämlich keinen Unterschied zwischen verschiedenen Bundesländern und schon gar nicht zwischen unterschiedlichen Gemeinden oder Spitälern. Die Lage, sehr ge­ehrte Damen und Herren, ist ernst und die Zeit wird sehr knapp! Unsere Unterstützung haben Sie. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grü­nen und NEOS.)

15.22

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kickl. – Bitte.