10.49

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer, ken­nen Sie den Unterschied zwischen der aktuellen Regierung und der Experten­regie­rung Bierlein? – Bei der Regierung Bierlein hat man die Experten gekannt. (Heiterkeit und Beifall bei den NEOS sowie Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Stimmt nicht!)

Heute gilt: „Wer nichts weiß, muss alles glauben.“ – Das gilt für Sie, geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen, das gilt für die Bürgerinnen und Bürger, und das gilt leider auch für die Bundesregierung. Dass wir am Anfang alle gleich wenig über das Sars-Virus gewusst haben, steht außer Streit, nur hätte man die Zeit ab spätestens Anfang März nützen müssen, um neue Erkenntnis zu gewinnen und die Datenbasis für die Arbeit, die jetzt bevorsteht, zu schaffen.

Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Anschober haben es versäumt, die fünf Wochen seit dem Lockdown zu nützen, um Daten zu gewinnen, auf Basis derer wir arbeiten können. Wir wissen nicht, wer die wegen Covid-19 Hospitalisierten sind. Wir wissen nicht, wie alt sie sind, ob sie Vorerkrankungen hatten beziehungsweise welche Vorerkrankungen sie hatten. Das wissen wir auch über die Intensivpatienten nicht. Wir wissen über die Verstorbenen, wie alt sie waren. – Super! Jetzt ist der Minister draufgekommen, man könnte nachschauen, wie viele von den Hospitalisierten vorher in einem Pflegeheim oder in einem Altersheim waren. – Oh, im Ministerium sind die Blitzdenker am Werk! Beforscht werden die Daten dann schon. – Nein, beforschen kann man, wenn man die Daten hat; diese hätte man erheben müssen, und zwar von Beginn an.

Man sollte, wenn man das noch nicht getan hat – man hat es noch nicht getan –, sofort anfangen, bei allen PCR-Tests zu schauen: Wie alt ist der Getestete? Was ist seine Postleitzahl? Welches Gewicht und welche Größe hat er? Hat er Vorerkrankungen? Vielleicht auch: Welche Medikation hat er? Dann kann man ablesen, was sich daraus entwickelt, wer schwerere Verläufe hat, wer mildere Verläufe hat. – Das alles inter­essiert nicht. Wichtig sind schöne Pressekonferenzen, wichtig sind schöne Auftritte – gerne auch zwei, drei am Tag –, damit Sie, geschätzte Zuschauerinnen und Zu­schauer, beeindruckt sind und ehrfürchtig den hehren Worten lauschen.

Man glaubt jetzt, man habe Daten. Schaut man sich die Tabellen an, sieht man, dass an einem Tag auf einmal 30 000 PCR-Tests dazugekommen sind. Es ist kein Wunder, dass die Bürger dem, was Sie veröffentlichen, nicht mehr glauben. Nach Ostern sind 55 Coronatote von den Toten auferstanden, da in der Statistik der Sterbefälle auf einmal die Zahl gesunken ist. Da wird beliebig so lange gezählt und geschoben, bis das Bisschen an Daten, das wir haben, so ist, wie es die Regierung gerne aussehen lassen würde.

Jetzt öffnen wir viele Bereiche des Lebens wieder. Es ist gut, dass wir das tun. Wir wissen, es gibt die Gefahr eines Wiederaufflammens der Infektionen, dem könnte man mit einer systematischen Teststrategie begegnen. Systematisch würde bedeuten, dass es in verschiedenen Regionen strukturierte, repräsentative Testungen gibt, um neue Herde sofort zu erkennen und damit man auch regional einschreiten kann. Die Daten müssten in Echtzeit erfasst werden und im Hintergrund müssten Algorithmen laufen, die erkennen, wo sich Muster ergeben. Das muss man von Experten erstellen lassen; keine Frage, das ist keine einfache Sache, aber man müsste es tun – T, U, N –, dann könnte man auch sofort eingreifen.

Sie aber machen das Gegenteil: In dem, was Sie uns als Teststrategie verkaufen, steht wörtlich drinnen: „Die Testung asymptomatischer Personen hat keine Priorität.“ Alle, die sich mit Corona befasst haben, wissen, dass asymptomatische Verläufe häufig sind und dass Menschen auch ansteckend sind, wenn sie einen asymptomatischen oder präsymptomatischen Verlauf haben – also krank sind, infiziert sind, aber die Erkran­kung noch nicht ausgebrochen ist, die Symptome sich noch nicht zeigen. Die wollen Sie gar nicht testen. – So kann das nicht funktionieren! Wenn man Fachleute gefragt hätte, dann hätte man das anders gemacht; aber wichtig ist das Beeindrucken, wichtig ist die Show, wichtig, würde ich fast sagen, ist das Entertainment des Publikums.

Es wird willkürlich gehandelt: Warum sind die Bundesgärten so lange geschlossen geblieben? Warum liegt die Grenze für Geschäfte, die wieder öffnen dürfen, bei einer Größe von 400 Quadratmetern? Warum sind die Schulen zu? – Dafür gibt es keine Evidenz, das wird alles nach Gefühl und frei nach Schnauze gemacht. Je weniger Wissen wir haben, umso mehr kann man mit der Angst und mit der Unsicherheit der Menschen regieren.

Noch etwas zur Beschaffung: Sie haben Probleme mit der Beschaffung von Masken und Sie haben Probleme mit der Beschaffung von Testkits. – Es gibt Unternehmen, die vom Ministerium und vom Roten Kreuz nicht einmal eine Antwort bekommen. Die Biochemiefirma, die den Lask und Red Bull Salzburg mit PCR-Tests ausstattet und dort regelmäßig Tests durchführt, hat keine Antwort von Ihnen und vom Roten Kreuz bekommen, und dann sagen Sie: Wir haben nicht genug Testkapazitäten, weil die Reagenzien fehlen! Diese Firma verkauft jetzt ihre Kapazitäten nach Deutschland. – Das ist das, was diese Regierung geschafft hat! (Beifall bei den NEOS.)

Sie haben keinen Plan, Sie wollen keinen Plan, Sie wollen die Bürger, die Untertanen in Angst. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Belakowitsch: Genau!)

10.54

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Schwarz ist zu Wort gemel­det. – Bitte.