14.54
Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren in dieser Debatte nicht nur das Epidemiegesetz, sondern auch eine geringfügige Änderung im Sanitätergesetz hinsichtlich der Blutabnahme zur schnelleren Diagnostik und damit zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus, wozu diese Maßnahme beitragen soll.
Neben dieser Maßnahme sind auch laufend – Kollege Wurm hat es gerade angesprochen – Blutspenden und insbesondere Blutplasmaspenden erforderlich – vor allem Letztere, also Blutplasmaspenden von genesenen Covid-19-Patienten, um damit Betroffene zu therapieren. Umso unverständlicher ist es, dass sich Österreich und besonders Sie, Herr Bundesminister, weiterhin weigern, vom pauschalen Blutspendeverbot für Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben – in der Abkürzung des Roten Kreuzes MSM –, abzurücken, sodass diese weiterhin von einer Blutspende ausgeschlossen bleiben.
Es haben uns letzte Woche Betroffene geschrieben, die positiv getestete Covid-19-Patienten waren, genesen sind und gern einen Beitrag leisten würden, aber pauschal davon ausgeschlossen werden. Dass Sie weiterhin verhindern, dass es da zu einer Änderung kommt, ist für mich total unnachvollziehbar, weil ja auch die Grünen jahrelang dafür gekämpft haben.
Jede einzelne Blut- und Blutplasmaspende kann Leben retten. Andere Länder wie Bulgarien, Italien, Portugal, Spanien und Polen haben das bereits wesentlich fortschrittlicher als Österreich gelöst. Sie knüpfen den Ausschluss nämlich an das individuelle Risikoverhalten und nicht an das Geschlecht der Sexualpartner. Und jetzt kommt das Beste: Überall hört man seit Wochen den Aufruf des Roten Kreuzes, man benötige dringend Blutspenden und insbesondere Blutplasmaspenden von Covid-19-Genesenen, und gleichzeitig werden von Covid-19 genesene Männer, die Sex mit Männern haben, weiterhin abgelehnt.
Dem nicht genug: Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes 2015 ist ein lebenslanger Ausschluss von MSM unionsrechtswidrig, nämlich ein Verstoß gegen die Grundrechtecharta, und seit 2019, seit der Novellierung der Blutspenderverordnung, ist eigentlich auch in Österreich vorgesehen, dass man – unter Anführungszeichen – „nur mehr“ zwölf Monate ausschließt.
Dass das Rote Kreuz nach der Novellierung der Blutspenderverordnung weiterhin lebenslang ausschließt, finden wir einfach nicht in Ordnung. Sogar in Deutschland hat der konservative Gesundheitsminister Jens Spahn angekündigt, zu einer Öffnung zu kommen, einen entsprechenden Vorschlag zu präsentieren, und deswegen fordern wir auch Sie auf, dass wir diese Regelung ändern.
Deswegen bringe ich den folgenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Blutspende öffnen - Leben retten!“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die diskriminierungsfreie Blutspende zu ermöglichen. Dazu kann nach § 3 BSV eine Formulierung, angelehnt an die im Jahr 2010 vorgeschlagene Bestimmung, eingefügt werden: § 3a. Bei der Befragung des Spenders zu seinem Gesundheitszustand und dessen Dokumentation sowie der diesbezüglichen Aufklärung und Information dürfen keine diskriminierenden Formulierungen verwendet werden.‘ Außerdem soll der standardisierte Anamnesebogen (Empfehlung der Blutkommission vom 3.12.2019) von der Blutkommission so überarbeitet werden, dass eine Diskriminierung von MSM ausgeschlossen ist.“
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Ich appelliere insbesondere an die Grünen, die Werte, für die sie in den letzten Jahren gekämpft haben, nicht aufzugeben und unserem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
14.58
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Blutspende öffnen - Leben retten!
eingebracht im Zuge der Debatte in der 27. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 485/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sanitätergesetz geändert wird (13. COVID-19-Gesetz) (131 d.B.) – TOP 12
Besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Krise sind Menschen dringender denn je auf Blutspenden angewiesen. Diese helfen in Notfällen Leben zu retten und werden dazu verwendet, lebenswichtige Arzneimittel herzustellen - zurzeit eine absolute Priorität in der medizinischen Forschung. Daher rufen das österreichische Rote Kreuz oder andere Blutspendeorganisationen nun fast täglich über die Medien dazu auf, Blut zu spenden( https://wien.orf.at/stories/3038908/; und https://www.kleinezeitung.at/kaernten/feldkirchen/5793262/Drei-Termine_Trotz-Corona_Rotes-Kreuz-sucht-dringend-nach; und https://www.meinbezirk.at/c-lokales/rotes-kreuz-spenden-sie-plasma-wenn-sie-von-corona-genesenen-sind-und-retten-sie-leben_a4027263) - einerseits, weil sich jetzt die Blutkonservenknappheit zusätzlich verschärft, andererseits, weil z.B. Blutplasma von Personen, die am Corona-Virus erkrankt und wieder genesen sind, das Leben anderer Erkrankter retten kann, was auch bereits geschehen ist. Dennoch halten das Rote Kreuz sowie der grüne Gesundheitsminister (siehe 299/AB) bei der Blutspende weiterhin am pauschalen Ausschluss von Männern fest (bzw. gilt für sie eine "Rückstellung"), die Sex mit Männern haben (MSM) und das trotz des akuten Bedarfs. Der pauschale Ausschluss von MSM beruht auf der diskriminierenden Annahme, dass ihr Sexualverhalten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung per se als sexuelles Risikoverhalten zu bewerten sei, ohne, dass dieses sexuelle Risikoverhalten genauer definiert oder abgefragt würde. Die Nachfrage für lebensrettende Blutspenden ist unter normalen Umständen schon sehr hoch, Österreich braucht lt. Angaben des Roten Kreuzes bislang jährlich rund 350.000 Blutkonserven. Durch die Corona-Pandemie gehen noch viel weniger Menschen zur Blutspende und es mangelt besonders an Blutspenden von Corona-Genesenen, deren Blut wertvolle Antikörper gegen das Virus enthält. Diese Situation lässt das Festhalten am pauschalen Ausschluss einer wesentlichen Bevölkerungsgruppe besonders absurd erscheinen.
Die Grundlage für diesen pauschalen Ausschluss bildet ein Anamnesebogen, der die Eignung potenzieller Spender_innen überprüft. Dieser Anamnesebogen enthält unter anderem die Frage, ob Spender_innen innerhalb der letzten zwölf Monate Sex mit Männern hatten. Wird diese Frage mit Ja beantwortet, werden MSM für zwölf Monate gesperrt. Auch Frauen, die Sex mit MSM hatten, werden übrigens von der Blutspende ausgeschlossen. Rechtliche Basis für dieses Vorgehen ist die Blutspendeverordnung (BSV). Diese sieht gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 lit. s einen dauernden Ausschluss von Personen vor, bei denen dauerndes Risikoverhalten für eine Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten, insbesondere mit HIV oder HBV, als Risikofaktor anamnestisch festgestellt wird. Als zeitlich begrenzter Ausschlussgrund (Rückstellung) wird in § 6 Abs. 2 Z 15 der BSV normiert, dass nach ärztlicher Beurteilung Personen, die sich einem Risiko für eine Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten, insbesondere mit HIV und HBV, ausgesetzt haben, für die Dauer von zwölf Monaten ab diesem Ereignis auszuschließen sind.
Sich auf die geltende Rechtslage in Österreich berufend, hält das BMASGK in einer Anfragebeantwortung (652/AB, XXVI GP.) fest:
"Ein genereller Ausschluss homosexueller Männer von der Blutspende ist daher weder durch die geltende Rechtslage in Österreich begründet noch durch eine geltende rechtliche EU Bestimmung, sondern beruht auf der Auslegung und Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen durch die jeweilige Blutspendeeinrichtung. Andererseits muss festgehalten werden, dass die Verantwortung und die Haftung für die einwandfreie Beschaffenheit des Arzneimittels Blut und Blutbestandteile in vollem Umfang beim Hersteller, d.h. bei der Blutspendeeinrichtung, liegt."
Natürlich müssen Blutspendeeinrichtungen sorgfältig überprüfen, ob das gespendete Blut nicht gesundheitsgefährdend für Empfänger_innen ist. Die Überprüfung der Eignung für eine Blutspende muss aber vom tatsächlichen sexuellen Risikoverhalten einer Person ausgehen und dieses auch definieren, nicht pauschal einer Personengruppe unterstellen - nämlich MSM. Diese Vorgehensweise ist klar diskriminierend. Sexuelle Praktiken, wie sie MSM praktizieren, werden von verschiedengeschlechtlichen Sexualpartner_innen ebenso praktiziert. Außerdem legt ein Mann, der in einer langjährigen Beziehung mit einem Mann ist, bestimmt kein höheres sexuelles Risikoverhalten an den Tag als ein Mann oder eine Frau mit wechselnden Sexualpartner_innen des anderen Geschlechts. Nicht nur ist der pauschale Ausschluss von MSM aufgrund ihrer sexuellen Orientierung eindeutig diskriminierend, sondern entsteht durch das Nicht-Definieren des gemeinten sexuellen Risikoverhaltens auch ein blinder Fleck bei Menschen, die verschiedengeschlechtlichen Sex haben.
Im Zuge der Erstellung des standardisierten Anamnesebogens wurden auch die Fragen hinsichtlich sexuellen Risikoverhaltens überarbeitet. Die Fragen und die Einschätzung der Antworten aufgrund des Algorithmus (BMASGK: "Standardisierte Algorithmen und Fragen eines standardisierten Anamnesebogens - Empfehlungen für mobile Blutspendeeinrichtungen", S. 8 und S. 38) lauten nun wie folgt:
Hier ist deutlich zu sehen, dass MSM nach wie vor von einer Blutspende ausgeschlossen bzw. rückgestellt werden. Auch ist klar, dass eine 12-monatige "Rückstellung" faktisch einem Totalausschluss gleichkommt. Diese Diskriminierung ist untragbar. Dessen war sich übrigens auch schon der ehemalige Gesundheitsminister Alois Stöger bewusst, der für eine Umformulierung der Fragestellungen im Fragebogen plädierte und vorschlug, die Blutspenderverordnung zu ändern (siehe Anfragebeantwortung 5879/AB, XXIV. GP):
"Um den Anliegen homosexueller Männer nach Nicht-Diskriminierung Rechnung zu tragen, habe ich einen Begutachtungsentwurf zur Änderung der Blutspenderverordnung in Auftrag gegeben. In diesem Entwurf ist vorgesehen, dass die Blutspenderverordnung um einen §3a erweitert werden soll, der wie folgt lautet: §3a. Bei der Befragung des Spenders zu seinem Gesundheitszustand und dessen Dokumentation sowie der diesbezüglichen Aufklärung und Information dürfen keine diskriminierenden Formulierungen verwendet werden."
Umgesetzt wurde eine solche Bestimmung nie. Die damalige SPÖ-Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser hat in weiteren Anfragebeantwortungen angegeben, die Blutkommission zu beauftragen, sich mit der Thematik des Ausschlusses/der Rückstellung von MSM zu beschäftigen. Entsprechende Arbeiten, die in der Blutkommission dazu stattgefunden haben, dürften augenscheinlich keine Berücksichtigung in den aktuellen Empfehlungen bzgl. eines standardisierten Fragebogens und des Algorithmus gefunden haben.
Eine weitere Überarbeitung des Anamnesebogens, der weiterhin Fragen enthält, die den Sexualverkehr von MSM automatisch als Risikoverhalten einstufen, ist daher nach wie vor dringend notwendig. Besonders die Corona-Krise, die zu einer weiteren Verschärfung der Blutkonservenknappheit führt, macht hier ein rasches Umdenken und Handeln besonders wichtig, um Menschenleben zu retten. Auch andere Länder wie z.B. die USA lockern bereits ihre Regelungen und reduzieren zumindest die Rückstellung von MSM auf 3 Monate, auch wenn Infektionskrankheiten, wie HIV, bereits wesentlich rascher festgestellt werden können. Frankreich hat die Rückstellungsfrist immerhin auf 4 Monate reduziert, andere Länder wie Bulgarien, Italien, Lettland, Polen, Portugal und Spanien stellen bereits jetzt ausschließlich auf das individuelle Sexualverhalten von Spender_innen ab und nicht pauschal auf die sexuelle Orientierung. Auch Österreich muss hier ins 21. Jahrhundert nachziehen und vom nicht zielführenden und diskriminierenden pauschalen Ausschluss von MSM von der Blutspende gerade in der Corona-Krise absehen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Der Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die diskriminierungsfreie Blutspende zu ermöglichen. Dazu kann nach § 3 BSV eine Formulierung, angelehnt an die im Jahr 2010 vorgeschlagene Bestimmung, eingefügt werden: § 3a. Bei der Befragung des Spenders zu seinem Gesundheitszustand und dessen Dokumentation sowie der diesbezüglichen Aufklärung und Information dürfen keine diskriminierenden Formulierungen verwendet werden." Außerdem soll der standardisierte Anamnesebogen (Empfehlung der Blutkommission vom 3.12.2019) von der Blutkommission so überarbeitet werden, dass eine Diskriminierung von MSM ausgeschlossen ist. "
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Bitte.