9.09

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte MinisterInnen! Werte ZuseherInnen vor den Bild­schirmen! Ich beginne gleich mit dem, was in dieser Rede jetzt am häufigsten genannt wurde: Es ist richtig, ich habe letzte Woche in einem Interview gesagt, dass es ein zynischer Sabotageakt ist, wie die Opposition hier in Bezug auf das Epidemiegesetz vorgegangen ist, und diese Wortwahl war ganz sicher überzogen; da gebe ich Ihnen, Frau Rendi-Wagner, komplett recht.

Das hat sich im Übrigen nicht auf das Veto des Bundesrates bezogen, sondern auf die Verschiebung, darauf, dass es nicht möglich war, bereits vor zwei Wochen einen Termin für den Bundesrat zustande zu bringen (Ruf: Ach sooo! – Zwischenruf des Abg. Martin Graf), was ermöglicht hätte, dass das Epidemiegesetz bereits am 1. Mai in Kraft getreten und damit auch die Veranstaltungsregelung neu gemacht worden wäre. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Diese Formulierung war definitiv überzogen: Ich war sehr verärgert über diesen Vor­gang, weil wir versucht haben, jeden einzelnen Kritikpunkt, der von Ihnen eingebracht worden ist, zu berücksichtigen. Wir haben ein Wochenende durchgearbeitet, um zu schauen, wie wir das einbauen können, und es ist dann nichts mehr an Argumentation übrig geblieben außer der formalen Argumentation, dass man gerne eine Begut­ach­tung gehabt hätte.

Da bin ich vollkommen bei Ihnen: Wir hätten bei all unseren Gesetzen auch gerne eine Begutachtung gehabt. Wir sind jedoch in einer Zeit der Pandemie und haben Geset­zesgrundlagen in einer unglaublichen Geschwindigkeit gebraucht. (Abg. Kickl: ...! Das wird euch noch auf den Kopf fallen!) Sie waren ja auch alle dabei, haben das auch ermöglicht und haben viele der Pakete gemeinsam mit uns beschlossen. (Abg. Yildirim: Das ist eine Herabwürdigung des demokratischen Prozesses!) – Lassen Sie mich einmal ausreden!

Selbstverständlich ist es das gute Recht der Opposition, zu blockieren und zu filibus­tern. Ich sage das als Klubobfrau einer Partei, die mit Sicherheit den Rekord an Filibus­terreden in diesem Parlament hält. (Beifall bei den Grünen.) Es ist das gute Recht der Opposition, Geschäftsordnungstricks anzuwenden. All das zu tun ist das gute Recht der Opposition. Ob es allerdings vernünftig ist, das ist eine andere Frage, und darauf hat sich meine Kommentierung bezogen. (Abg. Scherak: Vernünftig ist, wenn es die ...!)

Frau Rendi-Wagner, Sie haben hier gesagt, wir hätten mit unseren Maßnahmen gegen die Menschlichkeit entschieden. – Ich verstehe schon, wir haben jetzt eine extrem intensive Phase hinter uns, und es ist natürlich völlig legitim und auch richtig und gut, wenn es wieder mehr Kritik gibt. Was ich allerdings nicht verstehen kann, ist, wie schnell man vergisst, dass man eigentlich selber mit dabei war. Man hat Bestim­mungen entweder selber gefordert oder mitbeschlossen, doch jetzt soll all das nicht recht gewesen sein. – Das ist schon sehr bequem, Frau Rendi-Wagner, das ist sehr bequem, und ich finde das nicht redlich! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das ist auch nicht redlich gegenüber der Bevölkerung, die in dieser Phase darauf angewiesen war, dass sie sich darauf verlassen kann, dass wir hier vernünftig agieren. (Zwischenruf der Abg. Yildirim.)

Sie sagen, dass ein 100 Jahre altes Gesetz so super gewesen sei. – Ich möchte dazu nur ein paar Beispiele nennen: Das Epidemiegesetz sieht vor, nach einer Begehung per Bescheid Betriebe zu schließen. Wie hätten wir das denn bewältigen sollen, für ganz Österreich Hunderttausende Bescheide nach einer Begehung mit einem Einspruchsverfahren auszustellen? – Das wäre absolut unmöglich gewesen! Dieses Gesetz ist zum Beispiel für einen einzelnen Tuberkulosefall gebaut. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Matznetter: Es geht um die Entschädigung! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: ... Entschädigung!)

Anderes Beispiel für die Tauglichkeit dieses Gesetzes: Das Epidemiegesetz sieht vor, dass per Anschlag an Haustüren markiert werden kann, wo jemand, der infiziert ist, wohnt. Solch ein Gesetz halten Sie für tauglich im Umgang mit einer Epidemie bezie­hungsweise Pandemie im Jahr 2020? – Ich nicht, und deshalb haben wir diese Geset­zesänderungen auch so beschlossen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Sie sagen: Wir brauchen das größte Konjunkturpaket der Zweiten Republik. – Ja. Dieses Konjunkturpaket brauchen wir, und ich bin auch froh, dass die SPÖ inzwischen erkannt hat, dass Klimaschutz ein ganz zentraler Punkt dabei ist, und das werden wir auch liefern. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sie sprechen davon, dass wir gegen die Menschlichkeit entschieden hätten. – Wir werden zum Beispiel, um einen weiteren Schritt zu setzen, 700 Millionen Euro zur Verfügung stellen, damit Vereine und NGOs in dieser Krise abgefedert werden können. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das ist verantwortungsvolle Politik. Ich weiß, es ist in der Opposition anders, da hat man oft die Verantwortung nicht zu tragen. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Da kann man kommentieren, seine Meinung ändern, plötzlich etwas anderes behaup­ten gegenüber dem, was man davor behauptet hat. (Abg. Kickl: Da sind Sie Welt­meister!) Herr Kickl! Ich erinnere noch einmal daran, dass Ihnen der Lockdown nicht scharf genug war. Jetzt sagen Sie aber plötzlich: Das ist der Coronawahnsinn. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: Stellen Sie sich nicht blöder, als Sie sind!)

Immer wieder einmal ein solcher spontaner Sinneswandel, das ist in der Regierung nicht möglich und nicht dienlich, vor allem nicht dienlich zur guten Bewältigung dieser Krise, und deswegen werden wir diesen Weg entschieden weitergehen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Sie können entscheiden, ob Sie uns dabei mit sinnvoller Kritik unterstützen oder ob Sie nicht argumentierbare Punkte bringen und Ihre Meinung im Hinblick darauf ändern, was Sie vor drei Wochen noch selber gesagt haben. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Loacker ist zu Wort gemel­det. – Bitte.