10.44

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es waren Robert Schuman, Paul-Henri Spaak, Louise Weiss, Anna Lindh, Altiero Spinelli und viele andere, die einen Traum gelebt haben, einen Traum, der hieß: aus den Trümmern und der Verzweiflung des Zweiten Weltkriegs hin zu einem neuen Europa, zu einem Europa, das anders ist, das dieser Kontinent noch nie zuvor gesehen hat. Es gab auch in Österreich Menschen, die unser Land in dieses Europa führen wollten und auch geführt haben: Es waren Busek, Mock, Ederer, Vranitzky und viele andere, die für unser Land diesen Traum wahrgemacht haben, diesen Traum, auf einem Kontinent zu leben, wo erstmals nicht mehr das Recht des Stärkeren gilt – wie in der gesamten europäischen Geschichte zuvor –, sondern die Stärke des Rechts; ein Traum, der Millionen von Menschen mitan­gesteckt und in Bann gezogen hat und der die Faszination dieser Europäischen Union eigentlich ausgemacht hat.

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich aber diese Europäische Union verändert, sie ist eine Union, die anders geworden ist, die nicht mehr die Union des Friedens ist, nicht mehr die Union der Gerechtigkeit, des Ausgleichs, sondern sie ist eine Union des Egoismus und der Gier geworden, eine Union des Nationalismus, die plötzlich eine zweifache Mitgliedschaft vorgesehen hat: Wenn es etwas zu holen gibt, sind wir Mitglied, und wenn es darum geht, Solidarität zu leisten, dann geht uns diese Europäische Union nichts mehr an!, und eine Union der Gier der Superreichen, wo Steuerdumping nicht bekämpft wird, sondern zur Regel wird, und wo die Bedingungen für die Menschen, die jeden Tag hart für ihr Geld arbeiten müssen, schlechter geworden sind. – Das ist nicht die Union der GründerInnen, das ist nicht die Union, der wir beitreten wollten und beigetreten sind. Das ist das Europa, in dem die Le Pens, die Wilders, die Orbáns, die Kaczyńskis, aber auch die Straches, die Kickls, die Blümels und die Kurze das Sagen haben.

Das ist ein Europa, das das Abbild dessen ist, was jetzt bei uns passiert: ein Europa, in dem es auf der einen Seite Armut und Ungerechtigkeit gibt und Almosen gegeben werden und auf der anderen Seite die Superreichen immer reicher werden. Das ist nicht das Europa, das wir haben möchten, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Was es braucht, ist: Schluss mit dem Steuerdumping (Abg. Wöginger: Sehr unter­schiedliche Oppositionspositionen!), her mit der Finanztransaktionssteuer, einheitliche Körperschaftsteuersätze, Schluss mit dem Lohndumping und endlich eine europäische Klimapolitik! Das ist das, was notwendig ist.

Da Sie, geschätzte Damen und Herren von der FPÖ, diese Europastunde mit Arbeits­plätzen und auch finanzieller Gerechtigkeit tituliert haben, muss ich sagen: Sie hätten ja zwei Jahre lang Gelegenheit gehabt, zu versuchen, das mit Ihrer türkisen Ex umzu­setzen! (Abg. Belakowitsch: Sie auch!) Was haben Sie gemacht? – Das Gegenteil haben Sie gemacht. Sie haben dafür gesorgt, dass dieses Europa nationalistischer geworden ist und dass dieses Europa schlechter für Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer geworden ist – gemeinsam mit Ihrem türkisen Ex-Partner. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann ist diese neue Regierung gekommen (Ruf bei der FPÖ: Ich glaube, in der SPÖ stehen die Zeichen auf Generationenwechsel!), diese neue Regierung in dieser wich­tigsten Zeit für die Europäische Union. Es war kurz die Hoffnung da, dass es vielleicht etwas besser wird, aber diese Hoffnung war nur ein kurzer Schein, denn was kommt aus Österreich? – Unkoordiniertes Torpedieren der Europäischen Union, der europäischen Idee durch den Bundeskanzler, und die Grünen beschweren sich inzwischen schon per Brief bei Frau Merkel darüber. Das alles ist wirklich sehr kurzsichtig im Hinblick auf Europa. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.  Abg. Kickl: Ich glaube, in der SPÖ kündigt sich ein Generationenwechsel an!)

10.48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Steger. – Bitte.