10.48

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Wir befinden uns in einer noch nie dagewesenen Krise, die Coronakrise zieht eine noch viel stärkere wirtschaftliche Krise nach sich, die uns wahrscheinlich noch lange beschäftigen wird. Wir haben in Österreich 1,6 Millionen Menschen, die arbeitslos oder in Kurzarbeit sind, Tausende Unternehmen, die ums Überleben kämpfen, Tausende Vereine, die vor dem Nichts stehen, viele Menschen, die nicht wissen, wie es weiter­gehen soll. Und in dieser Situation sollen wir nun das so dringend benötigte Geld in Milliardenhöhe an die EU zahlen, damit sie es nach Italien und Spanien weiterverteilen kann. Anstatt das Geld für die eigene Bevölkerung, für die eigenen Unternehmen, Ver­eine, Organisationen zu verwenden, sollen wir für die Schulden anderer Länder zahlen und haften, die vor allem deswegen so schlecht dastehen, weil sie schon vor der Coronakrise so schlecht dagestanden sind. Ich verstehe es einfach nicht. Ich verstehe es nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich verstehe nicht, warum es auch die anderen Parteien in diesem Haus nicht stört, dass gerade diejenigen, die am schlechtesten gewirtschaftet haben, die sich nicht an die Maastrichtkriterien, an die Vorgaben, gehalten haben, nun diejenigen sind, die am meis­ten bekommen sollen – sie sollen ungefähr die Hälfte der gesamten Hilfszahlung bekom­men. Das sind jene Länder, die schon immer wirtschaftlich schlecht dagestanden sind; und diejenigen, die schon immer die Europäische Union finanziert haben, sollen auch dieses Mal wieder zahlen: die Nettozahlerstaaten. Was ist denn das bitte schön für ein Anreizsystem, sehr geehrte Damen und Herren? Solidarität ist schön und gut, aber wo ist die Solidarität mit der eigenen Bevölkerung? (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger: Die Frage geht an die FPÖ!)

Die EU sieht Hilfspakete in der Höhe von fast 1,3 Billionen Euro vor, das sind 1 300 Mil­liarden Euro. Zuerst waren es 540 Milliarden Euro, und nun sollen laut Merkel und Macron auch noch 750 Milliarden Euro an Krediten und Zuschüssen folgen. Ich finde es ja fast lustig, dass sich Bundeskanzler Kurz hingestellt und dagegen aufbegehrt hat – man wolle keine Zuschüsse –, mit dem Ergebnis, dass wir nun sowohl Zuschüsse als auch Kredite haben, und zwar nicht mehr 500 Milliarden Euro, sondern 750 Milliarden Euro. Ich gratuliere zu diesem Verhandlungserfolg, sehr geehrte ÖVP! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie Ihren eigenen Worten folgen würden, dann dürften Sie diesen Hilfszahlungen niemals zustimmen. Sie sagen zwar jetzt, Sie werden nicht zustimmen, doch ich kann schon den gewaltigen Knall Ihres Umfallers hören, der in Kürze folgen wird.

Ich kann Ihnen sagen, dieses Geld – egal, ob Zuschüsse oder Kredite – werden wir sowieso nie wieder sehen. Es wird nie zurückgezahlt werden, denn diese Länder werden auch in ein paar Jahren nicht in der Lage sein, es zurückzuzahlen. Das sind also Geldgeschenke – egal, in welcher Form –, die am Schluss im EU-Haushalt und damit wieder einmal bei den Nettozahlern picken bleiben.

Doch das Schlimmste ist aber, dass die Krise in der EU wieder einmal dafür missbraucht wird, die eigene Macht und die eigenen Kompetenzen zu erweitern, und zwar in zwei­facher Hinsicht. Das erste Mal soll nämlich der EU gestattet werden, selber Schulden aufzunehmen und Finanzmittel auf dem Kapitalmarkt zu besorgen. Das wäre eine unglaubliche Kompetenzerweiterung und ein unglaublicher Tabubruch, vor dem ich nur warnen kann, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Die EU nimmt Schulden auf und die Mitgliedstaaten werden dafür haften. Kurz hat angekündigt, zuzustimmen, solange es nur eine temporäre Schuldenunion ist. Werte ÖVP, dazu kann ich nur sagen, das ist eine Wunschvorstellung. Wir haben noch jede Kompetenz, die wir an die EU abgegeben haben, nie wieder zurückbekommen, und das wird auch in diesem Fall nicht der Fall sein, sehr geehrte Damen und Herren.

Der zweite Tabubruch wird auch demnächst kommen, nämlich betreffend die Frage der Finanzierung dieser Mittel. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder es wird über den EU-Haushalt finanziert werden, das heißt, die Mitgliedsländer werden dafür zahlen, oder eben über EU-Steuern. Das wäre der nächste gewaltige Tabubruch, sehr geehrte Damen und Herren, weil die Europäische Union derzeit keine Steuerhoheit hat. Wenn wir diese abgeben, dann bedeutet das, wir würden einen der größten Lenkungs­mecha­nismen abgeben, den ein Staat hat, sehr geehrte Damen und Herren, und dann wird die EU auch in Zukunft neue Steuern einführen, und dann wird die Europäische Union in Zukunft nicht nur dem Nationalstaat, sondern auch direkt den Bürgerinnen und Bürgern in die Börsen greifen können, und das wird es mit uns sicher nicht geben. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit diesen Hilfszahlungen werden also alle EU-Verträge gebrochen, in denen klar und deutlich steht: no Bail-out, keine Haftung für Schulden anderer Staaten, und das aus dem einfachen ökonomischen Grundprinzip heraus, dass das Einstehen für Schulden dazu führt, dass immer mehr Schulden gemacht werden. Natürlich soll man Krisen­ländern in Notsituationen helfen, aber es ist immer eine Frage des Maßes und auch eine Frage dessen, wie man selber wirtschaftlich dasteht, sehr geehrte Damen und Herren.

Ich kann nur sagen, diese Hilfspakete widersprechen allen EU-Verträgen. Der öster­reichi­sche EU-Beitrag wird seit Jahren erhöht, und das wird auch jetzt wieder der Fall sein, wenn wir dem zustimmen. Die Schulden in der EU werden seit Jahren gewaltig erhöht, die Staatsanleihenkäufe werden seit Jahren gewaltig erhöht. Nun folgt auch bald eine Verschuldung der Europäischen Union. Wir werden in eine ungerechte Schulden- und Transferunion schlittern. Wir schlittern in eine gewaltige Wirtschafts- und Währungs­krise, und ich bin immer wieder in den Ausschusssitzungen schockiert, dass die einzige Gefahr für die Europäische Union, die die anderen Parteien in diesem Haus sehen, immer noch die rechten Parteien sind. Ich sage nur: Wie blind kann man sein? (Beifall bei der FPÖ.)

10.54

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Vana. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)