16.28

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer zu Hause vor den Bildschirmen! Ich bemühe mich wirklich redlich, diese Debatte zu verstehen und habe versucht, mir selbst zu erklären, wie wir zu gewissen Aussagen kommen und wie Sie uns vielfach belehrend – das rechtfertigt scheinbar die Macht, die Sie vom Volk bekommen haben – erklären, wie die Welt aus­schaut.

Ich muss ehrlich sagen, das ist Themenverfehlung, denn wir reden über die Entwicklung einer Krise, und zwar einer Wirtschaftskrise, die zu bewältigen ist. Wenn die Kollegen sagen, wir sind jetzt im Krisenmodus, dann möchte ich sagen: Wenn wir über den Krisenmodus reden, reden wir nicht über die Gesundheitskrise – die haben wir mit viel Kompetenz, mit viel Wohlwollen von allen und Gott sei Dank mit viel Glück gut geschafft, weil wir eben Gott sei Dank nicht so hohe Ansteckungsraten hatten wie andere Länder, die aber für uns wichtige Handelspartner sind und zum Beispiel 23 Milliarden Euro in die Wirtschaft zwischen Österreich und Italien investieren. Da braucht man nicht so über­heblich zu sein und darüber nachzudenken, ob man in Europa irgendetwas finanzieren will oder nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir reden von einer Epidemie, die dann zu einer Pandemie geworden ist, weil sie nicht nur Österreich betrifft. Das ist in Ordnung, das ist auch so, aber es ist so wie bei einer Schularbeit: Wenn man den Rechenfehler in der ersten Zeile macht, dann zieht man ihn durch – und genau da sind wir jetzt. Wir haben – und nicht, weil wir recht haben wollten, sondern weil das für uns der Punkt war, der den Schadenersatz in diesem Krisenmodus am besten und am schnellsten abdeckt – immer darum gebeten – auch wenn wir mitgestimmt haben, aber mit einem Änderungsantrag –, nach dem Epidemiegesetz abzuwickeln. Es geht nicht darum, ein Förderpaket auf die Reise zu bringen, es geht darum, den Menschen den Schaden zu ersetzen, und das ist etwas ganz anderes. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht auch nicht darum, zu sagen: Super, wir haben bei den Arbeitslosen 100 000 weniger. Ja, warum? – Weil wir inzwischen wieder aufgesperrt haben, das ist der ganz normale Fakt. Das ist nicht das Verdienst irgendeiner politischen Maßnahme – es tut mir leid –, das ist das Verdienst der Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schellhorn.)

All die Pakete, die wir auf den Weg schicken – das ist in der Krise wahrscheinlich so –, kommen jetzt logistisch nicht an. (Abg. Schellhorn: Völlig richtig!) Das heißt, sie kommen nicht bei dem an, der sie braucht, und der, der sie dann brauchen wird, kann nicht bezahlen, weil es bei ihm auch nicht ankommt. In diesem Modus befinden wir uns, und das können wir uns nicht leisten. Ich bitte Sie wirklich dringend – auch die Kollegen von der ÖVP in der Regierung –, einzugestehen und anzuerkennen, dass Ihre Ideologie nicht krisenkompatibel ist. (Beifall bei der SPÖ.) Es geht nicht darum, ob Sie ÖVP-Werte durchziehen oder ob Sie die Macht haben oder nicht, es geht um die Menschen und um den Standort Österreich. Österreich hat es nicht verdient, so ein Chaos zu erleben. (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was ich am Allerübelsten finde: Kein einziger Politiker hat jemals einen Arbeitsplatz geschaffen, und jetzt erklären Sie uns, dass eine Einmalzahlung von 400 Euro nach drei Monaten genug für jemanden ist, der sich unverschuldet in Arbeitslosigkeit befindet, der einen Schaden durch die Abwicklung der Gesundheitskrise, weil alle zugesperrt haben, erlitten hat. Diesen Schaden hätte er nicht, wenn man nach dem Epidemiegesetz abge­wickelt hätte.

Ich sage Ihnen eines: Die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent kommt vor allem und in erster Linie den Klein- und Mittelbetrieben zugute, die 60 Prozent des Um­satzes in Österreich machen, denn wenn die Menschen kein Geld mehr haben, dann werden sie nämlich nicht bei diesen einkaufen, nicht bei diesen tanken, nicht in die Gastronomie gehen und kein Konzert besuchen. Und dann frage ich Sie: Wie wollen Sie, nachdem Sie ganz Österreich in die Armut begleiten, Ihre Budgets aufstocken, denn Sie werden keine Steuern mehr einnehmen? (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb möchte ich wirklich betonen: Es geht der Opposition, jedem von uns, überhaupt nicht darum, recht zu haben. In einer kleinen Gemeinde oder in einer größeren Stadt geht es in der Krisensituation darum, dass alle Parteien das Bestmögliche zur Rettung aus dieser Situation und für die Menschen machen. Es geht nicht darum, ob Sie in der Regierung sitzen oder nicht und wie lange Sie dort sitzen. Es geht darum, dass die Menschen endlich wieder ein normales Leben führen können, nicht geprägt von Angst, nicht geprägt von Unsicherheit. Nicht einmal die Menschen, die Geld haben, investieren, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht. Ich weiß nicht, warum das bei Ihnen nicht ankommt. Steigen Sie aus Ihrem Paralleluniversum aus! Wir haben täglich mit diesen Menschen zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich würde ehrlich sagen, dass wir zusammenhalten müssen und dass Sie sich halt auch einmal etwas von Menschen, die es erlebt haben, sagen lassen müssen. (Abg. Kirchbaumer: Wir haben es nicht erlebt, oder?) Ich wünsche Ihnen nicht, dass Sie Arbeitslosigkeit erleben, ich wünsche Ihnen nicht, dass Sie in Armut geraten, aber die Menschen, die schon dort sind, wissen nicht, wie es weitergeht, die haben null.

Ich möchte Ihnen nur sagen, Sie haben mit der Aushebelung dieses Epidemiegesetzes – die Verteilaktion war ja politisch irgendwie reizvoll, denn dann ist man ja lässig, wenn man Geld vergeben kann – die Unternehmer sogar um die Betriebsunter­brechungsver­sicherung gebracht, weil durch diese Veränderung nicht gezahlt wird. Die Unternehmer haben keine Mindestsicherung, sie haben aus der Versicherungsleistung nichts und sie haben kein Arbeitslosengeld. (Zwischenrufe der Abgeordneten Tanja Graf und Hörl.) Und dann wollen Sie mir erklären, dass Arbeitsplätze geschaffen und dann Leute eingestellt werden? Wer wird sie denn einstellen, wenn die Unternehmen nicht mehr existieren? (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Tanja Graf.)

Deshalb ist das Fazit aus dieser Geschichte - - (Abg. Vogl: Zeit!) – Zeit! Entschuldigung! Ja, dann bringe ich noch einen Antrag ein (Heiterkeit bei der SPÖ), wenn ich auf die Zeit schauen muss, und zwar einen Antrag steuerlicher Natur.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Kollegin, Sie haben noch 4 Minuten Zeit. (Allgemeine Heiterkeit. – Abg. Vogl: Danke! – Abg. Wurm: Der Präsident hilft, Markus!)

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (fortsetzend): Ja, ich habe jetzt leider meinen Antrag oben am Platz, es tut mir leid. – Nein, ich habe ihn, Entschuldigung!

Es geht um folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „1.000 Euro Steuersenkung ab 1.7.2020“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert – zur Sicherung der Kaufkraft und Ankurbelung der Konjunktur – eine Steuersenkung für kleine und mittlere Einkommen im Ausmaß von zumindest 1.000 Euro pro Jahr ab 1.7.2020 sicherzustellen. Für Einkommen unterhalb der Steuergrenze ist eine permanente Erhöhung der Negativsteuer vorzusehen.“

*****

Ich kenne Ihr (in Richtung ÖVP) Klientel ganz genau, weil ich auch meinen Beitrag in der Wirtschaftskammer zahle. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schellhorn: Sehr gut!)

16.35

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Pamela Rendi-Wagner

Genossinnen und Genossen

betreffend 1.000 Euro Steuersenkung ab 1.7.2020

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag der Abgeordneten

Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Michael Schnedlitz und weiterer Abgeordneter betreffend Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)

Deutschland steuert dem größten Wirtschaftseinbruch seit der Nachkriegszeit mit einem Konjunkturprogramm von 130 Milliarden Euro entgegen. Wie bei den Wirtschaftshilfen handelt Deutschland rasch und entschlossen. Die österreichische Bundesregierung dümpelt hingegen geradezu dahin. Aufgrund völlig unzulänglicher Wirtschaftshilfen hat man binnen weniger Wochen 200.000 zusätzliche Arbeitslose produziert. In Deutschland beträgt der Anstieg – gemessen an der Bevölkerung – nicht mal 50 Prozent des Anstiegs von Österreich. Warum? Weil man in Deutschland einfach klar und entschlossen reagiert hat.

Heute wissen wir: In Österreich waren die Wirtschaftshilfen zu gering und zu büro­kratisch. Was in Deutschland 24 Stunden gedauert hat, dauerte in Österreich deutlich länger als 24 Tage. Nun wiederholt die Regierung bei der Ankurbelung der Konjunktur denselben Fehler, den sie schon bei den Wirtschaftshilfen gemacht hat. Die Maßnahmen kommen spät und sind zu klein dimensioniert. Die Einmalzahlung an Arbeitslose von 450 Euro ist ein sozialpolitischer Hohn für die Betroffenen. Für die Stabilisierung der Kaufkraft bringt diese Maßnahme nichts, genauso wenig wie für die Ankurbelung der Konjunktur, zumal die Zahlung erst im Oktober fließen soll.

Die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer soll, nach wochenlangem Drängen der SPÖ, nun doch vorgezogen werden. Allerdings gilt das nur für einen Bruchteil der Steuersenkung. Der Eingangssteuersatz soll noch in diesem Jahr von 25 auf 20 Prozent abgesenkt werden. Das bringt einem Arbeitnehmer mit einem Bruttogehalt von 2.000 Euro in etwa 30 Euro pro Monat. Das reicht für eine Stärkung der Kaufkraft und eine Ankurbelung der Konjunktur bei weitem nicht.

Eine Steuersenkung – wie sie die SPÖ seit längerem fordert – bei welcher die ersten 1.700 Euro steuerfrei gestellt werden, bringt allen Menschen mit einem Einkommen von 1.700 Euro oder mehr eine Steuersenkung von mehr als 1.000 Euro pro Jahr.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert – zur Sicherung der Kaufkraft und Ankurbelung der Konjunktur - eine Steuersenkung für kleine und mittlere Einkommen im Ausmaß von zumindest 1.000 Euro pro Jahr ab 1.7.2020 sicherzustellen. Für Einkommen unterhalb der Steuergrenze ist eine permanente Erhöhung der Negativsteuer vorzusehen.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.