17.08

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Es gibt in unserem Land knapp 2,4 Millionen Familien, und von diesen 2,4 Millionen Familien sind 1,2 Millionen, also knapp die Hälfte, auch von der aktuellen Arbeitsmarkt- und Wirt­schaftskrise wirtschaftlich betroffen. Die Betroffenheit, der Einkommensverlust ist meis­tens darauf zurückzuführen, dass man in Kurzarbeit geraten ist, dass man in Arbeits­losigkeit geraten ist, oder auch darauf, dass man Unternehmerin oder Unternehmer in unserem Land ist und der Umsatz von einem Tag auf den anderen ausgeblieben ist.

Diese Familien, die von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit wirklich betroffen sind, stehen oft vor zentralen Fragen, und diese sind jetzt nicht mit irgendwelchen Floskeln wegzureden, sondern da geht es beinhart darum, ob sie am Anfang des Monats die Miete überweisen oder ob sie das Geld aufheben, um in diesem Monat das Essen für ihre Familie zu bezahlen. Es geht darum, dass sie sich fragen, wie sie die Zukunft gestalten, wie der Schulbeginn der Kinder im Herbst sein wird. Das sind also nicht immer Familien, die ausreichend angespart haben, sodass sie das auch entsprechend finanzieren können.

Es gibt Familien, die gerade ein neues Haus gebaut haben, die einen hohen Kredit haben. Es gibt Alleinerziehende, und obwohl der andere Elternteil gewillt ist, brechen jetzt die Alimente weg, weil auch er in Kurzarbeit ist.

All diese Geschichten passieren, und ich frage mich, wie die Maßnahmen der Bun­desregierung zur Realität der Menschen passen. Meistens tun sie das nicht, und so auch heute.

Wenn ich mir anschaue, welche Aufgaben vor uns liegen und wie lange die Krise dauern kann, sehe ich, dass eines ganz klar ist: Wir sprechen davon, dass wir in der Politik, als Republik, einen langen Atem für die Betroffenen brauchen werden. Ich glaube nicht, dass in zwei, drei, vier Monaten all jene Menschen, die jetzt betroffen sind, wieder in einer Beschäftigung sein werden. Genau dabei ist ein wesentlicher Punkt, dass es bei den politischen Instrumenten Treffsicherheit braucht – und die fehlt. Ich möchte nur zwei Beispiele herausnehmen, damit Sie wissen, wovon ich spreche.

Ich möchte einerseits den Kinderbonus erwähnen, der an sich für all jene Familien, die betroffen sind, tatsächlich begrüßenswert ist. Ich rede von den 1,2 Millionen Familien, die Einkommenseinbußen haben. Da ist es sehr nachvollziehbar, dass man neben dem Härteausgleich und verschiedenen anderen Zuschüssen einen zusätzlichen Bonus einführt. Er wird dort helfen, aber ich frage mich – und jetzt gehe ich weiter zur Treff­sicherheit –: Alle Abgeordneten hier im Haus, die Kinder haben, für die sie Familien­beihilfe beziehen, erhalten diesen Kinderbonus. Viele Menschen, die bei uns in der Ver­waltung arbeiten, oder Menschen, die einen anders gearteten sicheren Job haben, erhalten diesen Bonus. Wir können sagen: Hätten wir Überschüsse, wäre es kein Prob­lem, aber angesichts dessen, dass wir einen langen Atem brauchen werden und die Unterstützung auch tatsächlich den betroffenen Familien zugutekommen soll, halte ich es für falsch, 600 Millionen Euro auszugeben und auch all jene zu belohnen, die derzeit gerade nicht so sehr in der Krise stecken. Wir müssen zielgerichteter sein.

Ein zweiter Punkt, der als politischer Erfolg der ÖVP zu verbuchen ist, betrifft die Frage: Warum jetzt die Bauernpensionen? Wir sprechen in diesem Jahr bereits von 50 Millionen Euro, die als jährlicher Bonus an die Bauern und Bäuerinnen ausbezahlt werden. Das sind – ich habe mir das durchgerechnet und die „Wiener Zeitung“ hat einen Bericht darüber geschrieben – knapp 110 000 Bezieherinnen und Bezieher. Ich will den Menschen nicht ihre Pension madig machen, wenn es aber um krisenbedingte Maßnahmen geht, sehe ich nicht, warum eine Gruppe, die zufälligerweise der ÖVP sehr nahesteht, einen Bonus bekommen soll und viele andere Gruppen, die tatsächlich betroffen sind, nicht. All das ist nicht treffsicher und hilft den Familien im Moment überhaupt nicht.

Es ist – und da möchte ich schon eine klare Sprache sprechen – verantwortungslos, denn es gibt zwei Punkte: Es gibt nicht nur die Betroffenen, sondern auch diejenigen, die nachher die Zeche bezahlen müssen. Die 40, 50, 60, 70, 80 Milliarden Euro, die wir aufgrund der Krise ausgeben, werden nicht alle die jetzige Generation bezahlen, wenn wir uns anschauen, wie langsam wir unsere Staatsschulden abbauen, sondern die nächste Generation wird das voll schultern müssen. Wir geben gerade nicht nur für betroffene Menschen Geld aus – da ist es richtig –, sondern auch für viele, bei denen das nicht der Fall ist. All das werden unsere Kinder und Enkelkinder dann wieder abtra­gen müssen.

Stattdessen – und das ist der Punkt, an dem ich mich ganz stark an Sie wende, Frau Familienministerin – wäre es sinnvoll und mehr als wichtig, dass in Ihrem Haus wirklich die Hausaufgaben gemacht werden. Es gibt so viele Dinge, die nicht funktionieren. Ich beginne wieder einmal beim Familienhärteausgleich: 108 000 Menschen haben einen Antrag gestellt. Die ersten bekommen jetzt das Geld, viele haben jetzt eine Nummer bekommen, aber wir reden davon, dass sechs Wochen lang niemand eine Antwort und fast niemand Geld bekommen hat und mittlerweile tröpfchenweise Geld fließt. Die Menschen warten darauf, dass sie überhaupt eine Antwort bekommen. Der erste Schritt, der von Ihrem Haus jetzt zu machen wäre, wäre ein täglicher Bericht – also eine Kurzinformation –, wie lange man derzeit durchschnittlich wartet, bis man Antwort bekommt, und wie viele Anträge noch offen sind, damit die Menschen wissen, wann das Geld kommt.

Der zweite Punkt ist: Wir haben die Kurzarbeit verlängert – das ist löblich –, wir haben aber nicht die Möglichkeit geschaffen, dass man beim Härtefallfonds auch für mehr als drei Monate Förderungen beantragen kann. Wenn die Situation länger andauert, wird man auch eine Möglichkeit für eine längere Förderung aus dem Härtefallfonds brauchen.

Der dritte Punkt ist, dass es natürlich eine Anpassung des Kinderbetreuungsgeldes für Unternehmerinnen und Unternehmer, die nächstes Jahr das Kinderbetreuungsgeld beanspruchen werden, brauchen wird, weil nämlich das, was dieses Jahr durch die Bundesregierung an Umsatz gestrichen wurde, durch den Härtefallfonds vielleicht teilweise ausgeglichen wird, jedoch beim Kinderbetreuungsgeld jedenfalls fehlen wird.

Der vierte Punkt ist, dass es keine Koppelung verschiedener Härtefonds mehr geben darf. Wenn man derzeit als Unternehmer kein Geld bekommt, bekommt man als Familie plötzlich auch kein Geld mehr. Das muss losgelöst voneinander betrachtet werden.

Der letzte Punkt – und damit ende ich auch schon –: Man hört, dass es nicht nur extern bei den Familien mit den Anträgen und Auszahlungen nicht funktioniert, sondern dass es auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht funktioniert. Frau Ministerin, Sie sollten Ihr Haus in Ordnung bringen – im Sinne der Familien, aber auch im Sinne Ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

17.15

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Schnedlitz. – Bitte.