10.19

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren und vor allem geschätzte Bürgermeisterkollegin­nen und -kollegen sowie Gemeindemandatare! Bei den Tagesordnungspunkten 1 bis 6 reden wir heute wieder über Hilfspakete im Zuge der Covid-19-Krise und unter anderem über ein Kommunalinvestitionspaket, das wir Freiheitlichen mit mehreren Anträgen hier im Parlament seit Wochen gefordert haben und das jetzt umgesetzt wird.

Vorausgeschickt seien vielleicht ein paar allgemeine Sätze betreffend Gemeinden: Wir haben in Österreich Steuereinnahmen von rund 130 Milliarden Euro, die sich wie folgt aufteilen: Circa zwei Drittel entfallen auf den Bund, circa 22 Prozent gehen an die Länder und 11 Prozent an die Gemeinden. Die Gemeinden sind die einzige Gebietskörper­schaft, die mit diesem Geld seit Jahren auskommt. Beim Bund war es zuletzt erstmals seit 65 Jahren wieder der Fall, dass er mit dem Geld, das er von den österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zur Verfügung gestellt bekommen hat, ausgekom­men ist.

Ich möchte auch noch ein paar Worte zum Antrag der NEOS sagen. Diese haben im Ausschuss einen Antrag gestellt, dass die Gemeinden mehr Transparenzbestimmungen unterliegen sollten, da sie intransparent sind. Sie fordern oder sie schreiben in ihrem Antrag, das BMF müsse dafür Sorge tragen, dass die Vergabe von Geldern nicht im stillen Kämmerlein stattfindet.

Frau Kollegin Doppelbauer! Liebe KollegInnen von den NEOS! Das mit dem stillen Käm­merlein war woanders, das war in Brüssel – das hat Herr Martin Schulz einmal erwähnt, dass dort Milliarden im stillen Kämmerchen verschoben werden – und nicht in den ös­terreichischen Gemeinden. Man sollte daher einmal in diese Richtung nachdenken. (Bei­fall bei der FPÖ.) Das ist eben der Zentralismus, den Sie fordern. Brüssel ist noch keine Gemeinde Österreichs – sollte es so weit kommen, dann müssen wir über diesen Antrag nachdenken.

Dann vielleicht noch ein Wort zu den 15 Milliarden Euro, die den Gemeinden von den 130 Milliarden zur Verfügung stehen, damit man einen Vergleich hat: Diese 15 Milliarden Euro sind das Gesamtbudget der österreichischen Gemeinden – circa 2 000 Gemeinden haben dieses Gesamtbudget von 15 Milliarden. Gleich viel haben Sie, die Grünen und die Schwarzen, mit der Regierung in die Cofag geschoben. Da entscheiden jetzt zwei Vorstände mit ihrem Aufsichtsrat über 15 Milliarden Euro, also über ein Budget, das gleich hoch ist wie jenes, über das alle österreichischen Gemeinden verfügen – und das ohne Kontrolle, bei völligem Entzug der Kontrollmöglichkeit durch das Parlament. Die entscheiden frei und vergeben 15 Milliarden Euro, das ist wirklich bedenklich.

Jetzt vielleicht zum Thema Kommunalinvestitionsgesetz. Wir haben dieses seit Wochen gefordert, aber leider hat man es – wie bei allen anderen Hilfspaketen – wieder äußerst verkompliziert und hat dementsprechende Vorgaben festgelegt. Das Programm regelt mittlerweile in 18 Punkten, für welche Investitionen dieses Geld in den einzelnen Ge­meinden verwendet werden darf. Darunter sind Punkte, bei denen ich mir wirklich die Frage stelle: Was hat das mit Investitionen zu tun? Wenn ich etwa lese, dass mit maximal 3 Prozent des Geldes, das der Gemeinde zusteht, Sommerferien finanziert werden kön­nen, dann weiß ich nicht, inwiefern das der Wirtschaft helfen soll. Was ist das für eine Investition? Und was ist das für ein Verhältnis? Wir zahlen, in einer kleinen Gemeinde, in unserem Kindergarten jedes Jahr 100 000 Euro dazu – und jetzt bekommen wir aus dem Investitionspaket 100 000 Euro, könnten also 3 000 Euro für die Sommerbetreuung in den Kindergärten verwenden. Das ist also ein völliger Schwachsinn! Das ist sinnlos, wird auch nicht passieren. Das Geld wird auch nicht dafür eingesetzt werden, wird keinen Betreuungsplatz schaffen, wird also keine Wirkung in der Wirtschaft erzielen.

Man hätte das Ganze in einem einzigen Punkt festlegen können, nämlich indem man den Gemeinden ermöglicht, dass sie mit dem Geld einfach gemeindeeigene Infrastruktur ausbauen können, den Ausbau damit finanzieren können. Damit wäre alles gesagt ge­wesen. Jetzt hat man sich Gott sich Dank darauf geeinigt, dass man Straßen sanieren darf; ich habe aber schon im Ausschuss gesagt: Sanieren allein ist zwar ein wichtiger Punkt, weil ja jede Gemeinde und vor allem der Bürgermeister auch in der Haftung steht, was den Erhalt der Straßen betrifft, aber warum ist nicht auch Neubau von Straßen da­von umfasst? Wenn man heute sagt, es kann ein Wohnbau errichtet werden, dann ist es oft so, wenn man mit Wohnbaugenossenschaften zusammenarbeitet, dass die Wohn­baugenossenschaft den Wohnbau errichtet und die Gemeinde die Aufschließung macht und die öffentliche Straße baut. Das darf aber die Gemeinde mit diesem Investitions­paket jetzt wieder nicht!

Ich habe im Ausschuss schon zu den Grünen gesagt, dass ich auch noch kein Elektro­auto fliegen gesehen habe. Warum man gegen Straßen ist, weiß ich daher nicht. Dass man es heute einmal generell und grundsätzlich für böse hält, eine Straße zu errichten, kann ich nicht nachvollziehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb bringen wir noch einen Abänderungsantrag ein, um noch besser zu ermögli­chen, dass das Geld wirklich dort ankommt. Herr Kollege Wöginger – du sitzt ja selber in einer Gemeinde –, ich glaube, es ist wichtig, dass das Geld ankommt und dass es in weiterer Folge direkt in die Wirtschaft geht und in Projekte investiert wird. Das muss man so aufmachen, dass das funktioniert. Deshalb bringe ich – als Ergänzung zu den 18 Punkten, die ihr schon in eurem Antrag angeführt habt – folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der Antrag 542/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesgesetz, zur Unterstützung von kommunalen Investi­tionen 2020 (Kommunalinvestitionsgesetz 2020 – KIG 2020), in der Fassung des Aus­schussberichtes (226 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. Im § 2 Abs. 2 lautet die Z 15:

„15. Neubau, Verlegung, Instandhaltung und Sanierung von Gemeindestraßen“

2. Im § 2 Absatz 2 werden nach der Z 15 folgende Z 16 und 17 angefügt:

„16. Errichtung, Instandhaltung und Sanierung Gemeindeeigener und Touristischer In­frastruktur

17. Maßnahmen zum Erhalt der Nahversorgung“

*****

Ich glaube, auch die Nahversorgung ist in den Gemeinden ein wesentlicher Punkt. In diese müssen viele Gemeinden investieren, und das sollte man dementsprechend erwei­tern. Es fällt euch auch kein Stein aus der Krone – wenn ihr wollt, dass das Geld in den Gemeinden ankommt, solltet ihr diesem Antrag zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein weiterer Punkt, den ich auch im Ausschuss schon angesprochen habe – auch das ist ein konstruktiver Vorschlag von uns, es ist gar keine Kritik, ich will es einfach nur noch einmal sagen, weil viele Bürgermeister wissen, wovon ich spreche –, ist die Liquidität der Gemeinden. Wir müssen den Gemeinden die Liquidität zur Verfügung stellen, damit sie diese Investitionen auch tätigen können. Da gibt es natürlich mehrere Ansätze. Der eine Ansatz ist, dass man die Möglichkeit schafft, dass sie zumindest Kredite aufnehmen können. Diese Möglichkeit hat man vielen Gemeinden genommen, indem man die Haf­tungsobergrenze auf 75 Prozent der ordentlichen Einnahmen herabgesetzt hat; sie war vorher mit 120 Prozent festgelegt. Die Herabsetzung ist 2016, 2017 unter der SPÖ-Re­gierung passiert, und diese Regelung sollte man zumindest für die Zeit der Krise wieder aufmachen.

Ich stelle daher auch dazu einen Antrag, der wie folgt lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Haftungsober­grenze für Gemeinden“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG vom 16. August 2017 betreffend die Regelungen zu den Haftungsobergrenzen auszusetzen und den Berechnungsfaktor für die Haftungsobergrenze von Gemeinden zumindest bis zum 31.12.2022 wieder mit 120% festzulegen.“

*****

Es ist einfach wichtig, dass diese Liquidität gegeben ist.

Ich mache euch noch einen Vorschlag oder bringe noch eine Idee: Ansonsten könnte man vielleicht einen Ertragsanteileausfallfonds einrichten, über den man den Gemein­den die Ertragsanteile zumindest zum Teil ersetzt, damit die Liquidität gegeben ist, damit sie ihre Hausaufgaben erledigen können, damit sie auch Investitionen tätigen können. Und in weiterer Folge werden sowieso wir alle diese Schulden, die wir jetzt eingehen, zurückzahlen müssen. Es ist also völlig egal, ob die Schulden der Bund macht, ob sie das Land macht oder ob die Gemeinden sie machen, irgendwann wird sie der Steuer­zahler zahlen müssen. Wichtig ist aber, dass jetzt wieder Schwung in die Wirtschaft kommt, dass die Gemeinden investieren können.

In diesem Sinne: Weniger ist oft mehr. Herr Finanzminister, vielleicht sollten Sie weniger Regeln für Ihre ganzen Hilfspakete erfinden, damit sie dann auch in der Wirtschaft an­kommen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Kollross.)

10.27

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1, Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 542/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, zur Unterstützung von kommunalen Investitio­nen 2020 (Kommunalinvestitionsgesetz 2020 – KIG 2020) (226 d.B.), in der 38. Sitzung des Nationalrates, am 18.6.2020

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der Antrag 542/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, zur Unterstützung von kommunalen Investi­tionen 2020 (Kommunalinvestitionsgesetz 2020 – KIG 2020), in der Fassung des Aus­schussberichtes (226 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. Im § 2 Abs. 2 lautet die Z 15:

„15. Neubau, Verlegung, Instandhaltung und Sanierung von Gemeindestraßen“

2. Im § 2 Absatz 2 werden nach der Z 15 folgende Z 16 und 17 angefügt:

„16. Errichtung, Instandhaltung und Sanierung Gemeindeeigener und Touristischer In­frastruktur

17. Maßnahmen zum Erhalt der Nahversorgung“

Begründung

Die im Antrag vorgesehenen Maßnahmen sollen im Bereich Gemeindestraßen um den Bereich Neubau, Verlegung und Instandhaltung von Gemeindestraßen ergänzt und um die Bereiche Touristische Infrastruktur und Maßnahmen zum Erhalt der Nahversorgung erweitert werden. Diese Bereiche sind wichtige Faktoren für Gemeinden und Städte; die entsprechenden Investitionen dienen den Standorten bzw. stärken und sichern auch weiterhin die Regionalität und Daseinsvorsorge.

*****

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Haftungsobergrenze für Gemeinden

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1, Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 542/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, zur Unterstützung von kommunalen Investitio­nen 2020 (Kommunalinvestitionsgesetz 2020 – KIG 2020) (226 d.B.), in der 38. Sitzung des Nationalrates, am 18.6.2020

Mit der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG vom 16. August 2017 haben Bund und Län­der die Regelungen zu den Haftungsobergrenzen vereinheitlicht. Der Berechnungsfaktor für die Haftungsobergrenze von Gemeinden wurde dabei von 120% auf 75% der Be­messungsgrundlage verringert.

Die Haftungsobergrenze orientiert sich an den Einnahmen der Gemeinden. Da der über­wiegende Teil der Gemeinden coronabedingt mit Einnahmenausfällen konfrontiert ist, die zudem in vielen Fällen signifikant ausfallen, ist zu befürchten, dass viele Gemeinden die derzeit festgelegten 75% überschreiten und somit keine Zwischenfinanzierungen mehr aufnehmen können, die aber vor allem bei der Finanzierung von Projekten und deren Umsetzung oft erforderlich sind.

Zumindest für die nächsten Jahre soll daher die Haftungsobergrenze wieder auf die ur­sprünglichen 120% angehoben werden, da ansonsten zu befürchtet ist, dass das in Aus­sicht gestellte Kommunalinvestitionspaket seine Wirkung verfehlt, da die Gesamtfinan­zierung von Projekten nicht dargestellt werden kann.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG vom 16. August 2017 betreffend die Regelungen zu den Haftungsobergrenzen auszusetzen und den Berechnungsfaktor für die Haftungsobergrenze von Gemeinden zumindest bis zum 31.12.2022 wieder mit 120% festzulegen.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Anträge sind beide ordnungsgemäß einge­bracht, ausreichend unterstützt und stehen somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Wöginger. – Bitte.