9.54

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen, sehr geehrter Herr Minister! Werte KollegInnen! Liebe ZuseherIn­nen vor den Endgeräten! Herr Kickl, ich möchte Ihnen zu Beginn sagen, wir sind ja sehr vieles von Ihnen gewohnt. Dass Sie nicht zimperlich und auch nicht besonders respekt­voll über die Mitglieder dieses Hauses oder die MinisterInnen sprechen, das wissen wir, allerdings ist die sexistische Bemerkung zu den Outfits der Ministerinnen, die heute schon wieder gefallen ist, absolut deplatziert. Das möchte ich hier klar zurückweisen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ja, es lässt sich trefflich darüber diskutieren, ob die Kommunikation der Ministerin Tan­ner in der Frage der Neustrukturierung oder Reform des Bundesheers strategisch beson­ders glücklich war. Es hat durchaus Irritationen ausgelöst, aber Irritationen sind ja grund­sätzlich etwas Positives, weil sie die Debatte beleben (die Abgeordneten Belakowitsch und Kickl: Ach so!), und diese Debatte haben wir jetzt.

Meine Sorge ist nur, wenn ich mir die Debatte hier anhöre, die Reden der Opposition, und auch lese, was in den Zeitungen steht, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden soll, und das kann es wohl sicher nicht sein. Dass unser Bundesheer mit seiner derzeitigen Ausrichtung noch nicht ganz – und das ist wohl eher ein bisschen euphemis­tisch – im 21. Jahrhundert angekommen ist, darüber können wir in der Analyse ja viel­leicht Einigkeit erzielen; ich würde doch hoffen, dass wir uns hier auch einig sind, dass sich die Bedrohungsszenarien in den letzten 75 Jahren stark verändert haben. Jetzt ge­rade habe ich aber von Klubobmann Kickl gehört, dass er cyber nur für ein hippes Ding hält. – Nein, es sind ganz reale Angriffe, die die Kriegsführung im 21. Jahrhundert aus­machen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: Ja, ja, aber die Welt ist nicht nur cyber!)

Was also werden wir tun müssen? – Selbstverständlich braucht es eine Analyse der Be­drohungsszenarien (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Die gibt es nicht! Die gibt es mo­mentan nicht!), vor denen wir stehen. Die haben sich grundlegend geändert. Wir befin­den uns jetzt gerade in einer weltweiten Pandemie, auch das ist ein solches Bedrohungs­szenario. Die Klimakrise ist ein Bedrohungsszenario, damit verbunden massive Zunah­men der Extremwetterphänomene, der Unwetter, der Naturkatastrophen. Da hat das Bundesheer eine ganz zentrale Rolle. Natürlich sind auch der Terrorismus, ganz zentral die Angriffe auf die EDV-Systeme und die Versuche, staatliche Akteure, demokratische Prozesse in anderen Ländern zu beeinflussen, Themen, die uns beschäftigen werden und die reale Bedrohungsszenarien sind. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Aber das ist nicht die Grundlage von der Reform!)

Klar ist aber auch, dass das Kriegsszenario, dass wir auf unserem Staatsgebiet mit Pan­zern oder Ähnlichem auffahren müssen, absolut unwahrscheinlich ist. Ich hoffe doch, dass es hier auch darüber Einigkeit gibt. Österreich liegt inmitten Europas, im Herzen des europäischen Friedensprojektes; und wenn Herr Kickl befürchtet, dass die Nato-Staaten, von denen wir umgeben sind, uns angreifen werden, halte ich das für einen ziemlichen Humbug, es tut mir leid. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Hofer: Wo ist die Ukraine? Ist die so weit weg?) Das ist seit 20 Jahren in den zentralen Sicherheits­dokumenten der Republik kein Szenario, das in irgendeiner Weise wahrscheinlich ist, und dementsprechend glaube ich auch, dass wir gut daran tun, das Bundesheer in eine andere Richtung auszurichten.

Für jedes dieser Bedrohungsszenarien – ob Pandemie, Terror, Naturkatastrophen oder Cyberangriffe – braucht es eine gesamtheitliche, eine gesamtstaatliche Strategie für die Aufrechterhaltung unserer Infrastrukturen, für die Rettung von Menschenleben. Das be­trifft natürlich alle Institutionen, die uns zur Verfügung stehen, und dementsprechend braucht es auch einen gesamtheitlichen Plan.

Wir sind jetzt in einer Pandemie. Da haben das Innenministerium und das Gesundheits­ministerium selbstverständlich eine zentrale Rolle, aber es gibt auch Aufgaben, die das Bundesheer übernommen hat, und wir haben, finde ich, in den letzten Monaten gesehen, dass die Bewältigung eines solchen Krisenszenarios grosso modo ganz gut funktioniert. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ausgehend von der Analyse der Bedrohungsszenarien ist zu entwickeln, welche Aufga­ben das Bundesheer übernehmen kann und soll, beispielsweise das Bauen von Brücken bei Hochwasser. Natürlich ist aber auch die Abwehr von Cyberangriffen ein ganz zen­trales Thema.

Wir haben uns im Regierungsprogramm auf eine Reform der Landesverteidigung und eine Stärkung des Krisen- und Katastrophenschutzes verständigt. Das umfasst aber na­türlich keine Abkehr von der verfassungsrechtlich verankerten Landesverteidigung, wie das in den letzten Tagen von einigen behauptet worden ist. (Ruf bei der SPÖ: ... Bundes­präsident!) In der aktuellen Debatte sind die Stimmen der beharrenden Kräfte ziemlich laut, ich finde aber, wir sollten endlich mutiger sein und in Richtung Zukunft gehen (Abg. Hofer: Mutig ja, fahrlässig nein!), das Bundesheer zukunftsfit machen. Das ist die Ver­einbarung im Regierungsprogramm.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch sagen, dass das Bundesheer kein Selbstzweck für die dort beschäftigten Personen ist. Ich glaube schon, dass es auch guttut, sich die Führungsstrukturen und die verschiedenen Ebenen in der Hierarchie dahin gehend an­zuschauen, was es da tatsächlich braucht und was vielleicht nicht mehr ganz der Zeit entspricht und auch nicht notwendig ist. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Eßl.)

Es darf sich bloß nichts ändern!, das ist die bequemste aller Forderungen, aber es ist auch die kurzsichtigste. Dass die Freiheitliche Partei in ihrer politischen Haltung grund­sätzlich rückwärtsgewandt ist, das ist nichts Neues (Abg. Kassegger: Die Grünen sind zukunftsorientiert, da sind wir wieder in der Schublade!), die türkis-grüne Regierung geht in diesen Fragen in Richtung Zukunft. (Abg. Kickl: Wenn Sie was ändern wollen, dann ändern wir das Budget!)

Dementsprechend möchte ich abschließend sagen: Nur Mut, Frau Ministerin, der ein­geschlagene Weg, den wir im Regierungsprogramm vereinbart haben, ist der richtige! Führen wir unser Bundesheer in das 21. Jahrhundert! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.00

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hoyos-Trautt­mansdorff. – Bitte.