15.20

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungs­bank! Ich darf mich für die Schwerpunktsetzung des heutigen Tages, für die Einladung hier zu Ihnen ins Parlament ganz herzlich bedanken (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), denn das Thema Arbeit ist eines der zentralen Themen für uns in Österreich – und gerade in Zeiten der Pandemie, gerade in Zeiten der Weltwirtschaftskrise das Thema, das für uns als Bundesregierung absolute Priorität hat.

Die Coronapandemie ist eine gesundheitspolitische Herausforderung für unser Land, sie ist aber natürlich auch der Auslöser der größten Weltwirtschaftskrise seit Langem und führt zu einer massiven Herausforderung am internationalen Arbeitsmarkt, aber natürlich auch in Österreich.

Ich glaube, wir alle können dankbar dafür sein, dass wir bisher so gut durch diese Pandemie gekommen sind, dass das im Frühling besser funktioniert hat als in anderen Ländern, dass es gelungen ist, im Sommer die Ansteckungszahlen auf einem niedrigen Niveau zu halten, dass der österreichische Tourismus relativ gut und auch sicher funktioniert hat – und es ist wichtig zu wissen: Es wird wieder aufwärtsgehen, es gibt Licht am Ende des Tunnels. Durch die Fortschritte im Bereich der Forschung, in der Bekämpfung der Pandemie durch einen Impfstoff, aber auch durch ein treffsicheres Medikament werden wir im nächsten Sommer wieder Normalität genießen können. (Abg. Kickl: ... Herr Gesundheitsminister!)

Bis dahin, meine sehr geehrten Damen und Herren – und diese Wahrheit gilt es auch auszusprechen –, werden es noch ein sehr herausfordernder Herbst und ein sehr herausfordernder Winter werden. Wir erleben, dass sich das soziale Leben wieder stärker in die Innenräume verlagert, dass die Ansteckungsgefahr steigt, der Unterricht in den Schulen beginnt und die Grippesaison startet. All das führt dazu, dass die An­steckungszahlen in Österreich wieder steigen, von im Schnitt 350 Personen pro Tag vor zwei Wochen auf ein ungefähr doppelt so hohes Niveau heute.

Der wichtigste Ansatz, den wir alle gemeinsam wählen müssen, ist, alles zu tun, um die Ansteckungszahlen niedrig zu halten – nicht nur aus gesundheitspolitischen Gründen, sondern weil hohe Ansteckungszahlen auch zu einer Verschlechterung der wirtschaft­lichen Situation führen. Hohe Ansteckungszahlen führen zu Reisewarnungen in Nach­bar­ländern, die wiederum dazu führen, dass die Touristen nicht zu uns kommen, und das wiederum schadet nicht nur dem Tourismus, sondern auch Gastronomie und Handel. In diesem Sinne sind Gesundheit und Wirtschaft kein Widerspruch. Wir alle sind gefordert, hier aktiv zu sein, wir alle sind gefordert, die Maßnahmen, die in Österreich durch die Bundesregierung gesetzt wurden, einzuhalten, aber ich darf auch jeden Einzelnen bitten, eigenverantwortlich zu agieren, bestmöglich mitzuwirken, vorsichtig zu sein, damit wir die Ansteckungszahlen im Zaum halten können und somit auch eine gute Ausgangslage für Wirtschaft und Arbeitsmarkt behalten können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Die Weltwirtschaftskrise ist dramatisch, sie führt zu einem Wirtschaftseinbruch in allen Teilen der Welt, sie führt zu einem Wirtschaftseinbruch in der Europäischen Union, und auch wenn dieser bei uns niedriger ausfällt als in anderen Ländern, so ist ein Einbruch von 7 Prozent für die Wirtschaft dramatisch und führt dazu, dass die Arbeitslosigkeit massiv ansteigt.

Wir haben im Moment rund 410 000 Arbeitslose, das sind in etwa 80 000 mehr als vor der Krise. Das ist ein starker Anstieg, und es ist aufgrund der Situation, dass wir gerade am Beginn der zweiten Welle stehen, auch fix davon auszugehen, dass die Arbeits­losenzahlen über den Herbst und den Winter weiter ansteigen werden.

Ich möchte mich daher an dieser Stelle recht herzlich bei allen bedanken, die mitgewirkt haben, dass wir bisher alles getan haben, um die Weltwirtschaftskrise und die Auswir­kungen auf Standort und Beschäftigung bestmöglich abzufedern.

Ich möchte mich bei den Sozialpartnern bedanken, mit denen wir gemeinsam Anfang des Jahres, als die Pandemie gestartet hat, ein breites Paket geschnürt haben, um ins­besondere durch die Kurzarbeit Arbeitslosigkeit bestmöglich zu verhindern. Es waren vorübergehend weit über eine Million Menschen in Kurzarbeit – mittlerweile sind es noch rund 400 000 –, und die Kurzarbeit hat sich rückblickend gesehen als das treffsicherste Element herausgestellt, um gegen einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit anzu­kämpfen. Vielen Dank allen, die hier mitgearbeitet haben, insbesondere auch den Sozial­partnern! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben darüber hinaus auf drei Schwerpunkte gesetzt, die uns wesentlich erscheinen. Der erste ist: Was gilt es zu tun, wenn die Wirtschaft einbricht? – Es gilt, die Unter­nehmen bestmöglich zu stützen und zu unterstützen. Wir haben ein 50-Milliarden-Euro-Paket geschnürt, von dem rund die Hälfte des Geldes bisher auch abgerufen wurde, um Unternehmen durch Kurzarbeit, den Härtefallfonds, einen Fixkostenzuschuss und andere Maßnahmen in dieser schwierigen Phase bestmöglich zu unterstützen. Rund die Hälfte des Geldes ist abgerufen, das bedeutet: Es sind für die zweite Hälfte des Jahres, für den weiteren Verlauf dieser Krise noch rund 25 Milliarden Euro vorhanden.

Der zweite Punkt: Es braucht natürlich Ausbildung, Umschulung und Vermittlung all jener, die ihren Job verloren haben, denn wir haben die Situation, dass auf der einen Seite die Arbeitslosigkeit zwar massiv ansteigt, dass es aber auf der anderen Seite nach wie vor offene Stellen in Österreich gibt. Es gibt gerade im Bereich der Pflege, der Gesundheitsberufe, im Bereich der Digitalisierung und in anderen Branchen einen Arbeitskräftebedarf, und nun ist es die entscheidende Aufgabe (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), möglichst viele Menschen rasch umzuschulen und in diese Branchen zu vermitteln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bin den zuständigen Ministerinnen dankbar, dass über den Sommer hart daran gear­beitet wurde, eine Coronaarbeitsstiftung zu schaffen, die bis zu 100 000 Menschen qua­lifizieren soll, um sie in Bereiche der Digitalisierung, der Ökologisierung und der Gesund­heitsberufe zu vermitteln, nämlich genau in die Bereiche, in denen es nach wie vor offene Stellen gibt.

Darüber hinaus, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir uns entschieden, das AMS mit 350 zusätzlichen Mitarbeitern aufzustocken, um gerade in einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit steigt, auch die Vermittlung der Arbeitslosen bestmöglich organisieren zu können.

Darüber hinaus haben wir eine Taskforce Jugendbeschäftigung gestartet, die bereits 22 000 Jugendliche vermitteln konnte, sowie den Lehrlingsbonus auf bis zu 3 000 Euro aufgestockt, weil Sie völlig recht haben, Frau Klubobfrau: Es ist absolut entscheidend, dass junge Menschen auch in einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit ansteigt, in den Arbeitsmarkt vermittelt werden können – daher ein herzliches Danke an Margarete Schramböck, aber auch an den Koalitionspartner, für die Idee des Lehrlingsbonus! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der dritte Punkt, neben der Unterstützung der Unternehmen, neben den Maßnahmen am Arbeitsmarkt im Bereich der Vermittlung sowie der Aus- und Weiterbildung, ist folgender: Es ist natürlich notwendig, den Standort zu stärken. Gerade in einer Zeit, in der viele Betriebe in Schwierigkeiten kommen, gerade in einer Zeit, in der es Insolvenzen gibt und die Arbeitslosigkeit steigt, ist es entscheidend, standortpolitische Maßnahmen zu setzen, die den Wirtschaftsstandort Österreich attraktivieren. Wir tun das, indem wir alle Maßnahmen aus dem Regierungsprogramm in diesem Bereich vorziehen werden, von Deregulierung über Kapitalmarktpakete bis hin zu einem Gründungspaket.

Der wahrscheinlich entscheidendste Schritt findet gerade statt – viele Österreicherinnen und Österreicher spüren das jetzt im September –: Ein attraktiver Standort bedeutet auch eine Senkung der Steuerlast. Ich bin sehr froh, dass wir als Regierung die Steuer­reform vorziehen konnten, die kleinen Einkommen jetzt, schon in diesem Jahr, mit bis zu 350 Euro pro Person Steuerentlastung, 360 Euro zusätzlich pro Kind und auch einer Einmalzahlung von 450 Euro für arbeitslose Menschen entlasten konnten.

Das alles sind gerechtfertigte Maßnahmen, weil die arbeitenden Menschen, aber auch Menschen, die arbeitslos sind, unsere Unterstützung verdient haben, weil eine Steuer­senkung schon längst überfällig war, aber sie sind auch standortstärkende Maßnahmen, weil vieles von diesem Geld gerade bei den kleinen und mittleren Einkommen in den Konsum fließen wird und somit ein Stück weit dazu beiträgt, dass wir diesem inter­nationalen Trend der großen Wirtschaftskrise in Österreich begegnen können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, der Herbst und der Winter werden für uns eine herausfordernde Zeit. Es ist wenig Trost, im Moment zu wissen, dass wir nächstes Jahr wahrscheinlich wieder ein Wirtschaftswachstum von einigen Prozent erreichen werden – das hilft uns im Moment emotional natürlich wenig. Es wird eine herausfordernde Zeit an der Gesundheitsfront und es wird auch eine herausfordernde Zeit, was den Standort und die Beschäftigung betrifft. Wichtig ist aus meiner Sicht, zu begreifen, dass es kein Wirtschaft oder Gesundheit gibt. Je besser wir die Pandemie unter Kontrolle haben, je niedriger die Ansteckungszahlen sind, desto stärker werden die Menschen auch konsu­mieren, desto besser wird der Tourismus laufen, desto mehr Menschen werden in Öster­reich Gastronomie, Tourismus und Handel zu Geschäft verhelfen.

In diesem Sinne bedanke ich mich bei der gesamten Bundesregierung, insbesondere beim Vizekanzler für die gute Zusammenarbeit. Es ist keine einfache Zeit für unser Land, es ist keine einfache Zeit für Europa, es ist international keine einfache Zeit, aber ich bin froh, dass wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen und alles tun, um die Auswirkun­gen für unser Land in dieser herausfordernden Phase bestmöglich abzufedern. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.32

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gehen in die Debatte ein und der Debatten­beitrag darf nicht länger als 10 Minuten sein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wimmer. Sie kennen das Prozedere. – Bitte.