15.32

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich bin ja robust, ich halte doch sehr viel aus, alle, die mich kennen, wissen, dass ich nicht leicht aus der Ruhe zu bringen bin, aber: Herr Bundeskanzler, das, was Sie heute hier vorgebracht haben, macht mich sprachlos, es macht mich ein bisschen fassungslos, wenn Sie meinen und hier sagen: Wir sind doch so gut durch die Krise gekommen. – Ja, Herr Bundeskanzler, in welchem Land leben Sie? Sehen Sie nicht, was rund um uns passiert? – Die Firmen räumen uns die Buden aus. Es gibt Arbeitslose wie noch nie – Sie schauen zu, und im Sommer wurde kein einziges Programm entwickelt, das hier gegensteuern könnte, meine sehr ge­schätzten Damen und Herren.

Ich denke, all das, was Sie heute gesagt haben, glauben Sie doch selbst nicht, Herr Bundeskanzler. Sie haben überhaupt keine Ahnung, wie es Menschen geht, die ihre Existenz verlieren, Sie haben keine Ahnung, wie es Menschen geht, die ihren Arbeits­platz verlieren (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stefan), und das hat wahrscheinlich einen ganz praktischen Grund: Sie haben in Ihrem ganzen Leben nicht eine einzige Stunde in einem Betrieb gearbeitet, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Loacker und Zanger. – Abg. Strasser: Das ist ein Niveau!)

Die Arbeitnehmer sind Ihnen wurscht und die Arbeitslosen sind Ihnen egal. Wir aber haben immer darauf hingewiesen und haben Sie gewarnt: Der Herbst wird dramatisch werden. Wir sehen, dass sehr viele Kolleginnen und Kollegen schon jetzt vor der Kurz­arbeit Phase drei nicht mehr mitgenommen werden. Die Arbeitslosigkeit wird dramatisch zunehmen.

Wir hatten heute Gelegenheit, eine Abordnung von ATB hier am Josefsplatz begrüßen zu dürfen, und ich habe ein bisschen schmunzeln müssen, weil ja auch sehr viele Abgeordnete von der ÖVP-Fraktion bei diesem Eingang hereingegangen sind, an dem diese Gruppe gestanden ist, und ein paar von ihnen haben sich geduckt, ein paar sind fast in kniender Haltung da herein, damit sie nicht zu den Leuten schauen mussten, Kolleginnen und Kollegen. (Widerspruch bei der ÖVP.) Ich sage Ihnen etwas: Sie lassen die Menschen im Stich und das werden sie Ihnen nie verzeihen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

360 Menschen werden wahrscheinlich betroffen sein. Es ist eine eiskalte Betriebs­still­legung, es ist eine Verlagerung nach Polen und nach Serbien vorgesehen. Und was die Menschen überhaupt nicht verstehen, meine sehr geschätzten Damen und Herren: Da gäbe es einen Investor aus Deutschland, der mit einer Standortgarantie ausgeholfen und den Menschen auch ihren Arbeitsplatz zumindest fünf Jahre zugesichert hätte. Das war nicht möglich, weil auch der Vertreter des Staates, nämlich der Finanzprokuratur, bei dieser Gläubigerversammlung eher für die Eigentümer, also die Chinesen, und gegen die Arbeitnehmer gestimmt hat. (Ruf bei der SPÖ: Eine Schande ...!)

Es ist heute von unserer Vorsitzenden schon angesprochen worden: Herr Bundes­kanz­ler, Betriebsrat Michi Leitner hat Sie gebeten, ein Gespräch zu führen – für 10 Minuten ein Gespräch zu führen –, weil man sich ja gar nicht vorstellen kann, was dort abgeht. Sie haben dieses Gespräch bis heute verweigert – und das ist verantwortungslos, meine Damen und Herren. Da lassen Sie diese Menschen im Stich! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen noch etwas – man kann sich ja gar nicht vorstellen, was dort tatsächlich abgeht –: Die Leute werden vorgeführt – sie haben schon die Kündigungsschreiben –, sie werden um 6 Uhr in der Früh in die Firma gebeten und ausgemustert wie Tiere: Du kannst hier bleiben, dich brauche ich heute, du gehst heim. Das ist ein unmenschlicher Zustand, meine sehr geschätzten Damen und Herren, und da müssen wir dagegen­halten, das gehört abgeschafft! (Beifall bei der SPÖ.)

Weil wir so gut durch die Krise gekommen sind, wie Sie gemeint haben: MAN Steyr: Wir legen den „Grundstein für“ einen „nachhaltigen Unternehmenserfolg“, hat das Manage­ment bekannt gegeben, und es schließt Steyr und schmeißt 2 300 Arbeitnehmer raus. Meine Damen und Herren, das ist zynisch. Das, was hier tatsächlich abgeht, ist zynisch! Herr Bundeskanzler, Sie hätten längst zum Hörer greifen können, Sie müssen mit dem dortigen Management auch einmal Tacheles reden, was da passiert (Rufe und Gegen­rufe zwischen SPÖ und ÖVP), sehr geschätzter Herr Bundeskanzler, denn die Arbeit­nehmer würden sich erwarten, dass Sie mit dem Management reden und versuchen, diese Situation zu bereinigen und abzuwenden.

Swarovski ist heute auch schon angesprochen worden. Meine Damen und Herren, 25 Millionen Euro hat Swarovski für Kurzarbeitsphase eins erhalten, für Phase zwei wird es noch einmal so viel sein. Jetzt schmeißen sie 1 800 Leute raus, machen einen Sozial­plan und verdienen wahrscheinlich dazu, weil der Sozialplan weniger ausmacht als die Zuschüsse für Kurzarbeit. Meine sehr geschätzten Damen und Herren, die Manager klopfen sich auf die Schenkel und haben in Wirklichkeit eine Gaudi. Herr Bundeskanzler, da müssten Sie auch etwas forscher eingreifen und einmal mit den Damen und Herren reden.

Lieber Kollege August Wöginger, ich bin ja gespannt, was du uns dazu zu sagen hast, wenn Agrana den Standort schließt. (Ruf bei der SPÖ: Hört, hört!) Deine Freunde von Raiffeisen haben sich ja entschlossen, Leopoldsdorf dichtzumachen – und kommen Sie mir jetzt nicht damit, dass die Zuckerrüben schuld sind. Das ist eine klassische Gewinn­maximierung, die Agrana da anstrebt, und sie lässt die Menschen dort im Stich. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen noch eines: Das hat mit Corona aber überhaupt nichts zu tun, da geht es rein um Gewinnmaximierung, so wie das jetzt ausschaut.

Noch ein Wort zur Symbolpolitik, die schön langsam sehr anstrengend wird, meine sehr geschätzten Damen und Herren: Semperit Wimpassing produziert Handschuhe – Gum­mi­handschuhe für mehr Sicherheit –, und sie wollten sich langfristig verabschieden, weil sie gesagt haben, sie kommen hinten und vorne nicht mehr zusammen. Es hat dann Kontakt mit der Regierung gegeben, die gesagt hat: Bleibt hier und produziert weiter, wir werden von euch kaufen! Wir haben gesehen: Nichts ist passiert, kein einziger Hand­schuh ist gekauft worden! Meine sehr geschätzten Damen und Herren, das ist Symbol­politik. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Nächste Geschichte: Lenzing/Palmers, Firma gegründet, es hat eine Pressekonferenz gegeben, Sie waren im Bild, die Landeshauptfrau war im Bild, die Frau Ministerin war im Bild. Heute sehen wir: Es gäbe eine Kapazität von zwölf Millionen Masken, keine einzige wurde von dieser Republik angeschafft.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, Sie verstehen es, Luftschlösser medien­wirksam zu verkaufen. Die Realität schaut natürlich ganz anders aus: In Wirklichkeit ist es Lug und Trug – und das ist schwarz-türkise Politik, meine sehr geschätzten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

15.39

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundeskanzler. Die Redezeit gilt auch für ihn: 10 Minuten. – Bitte.