13.11

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehr­ten Damen und Herren hier im Haus und auch zu Hause! Ich persönlich bin ja ein sehr, sehr großer Freund einer lebendigen Debatte in diesem Haus, von daher war das jetzt auch eine sehr spannende Phase. Worüber ich mir aber schon sicher bin, ist, dass sich in dieser Phase die große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher, aller Be­wohner und Bewohnerinnen dieses Landes so etwas wie einen Grundkonsens erwarten würden, bei dem es nicht um Parteispektakel wie dieses geht (Abg. Belakowitsch: Das Spektakel ...!), sondern bei dem der Gesundheitsschutz der Österreicherinnen und Ös­terreicher, der Bevölkerung im Mittelpunkt steht, und zwar zentral im Mittelpunkt. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Die Abgeordneten der FPÖ halten Tafeln mit der Aufschrift „Stoppt den türkis-grünen www.Coronawahnsinn.at“ und Tafeln mit den Aufschriften „Ihr zerstört Österreich“ beziehungsweise „Es reicht!“, auf denen Bundeskanzler Kurz und Bundesminister Anschober abgebildet sind, in die Höhe. – Abg. Kickl: Das Spektakel ...!)

Es ist nämlich keine herkömmliche Situation! Es ist keine herkömmliche Situation, in der wir jetzt diskutieren, in der wir leben. Wir alle miteinander wissen, wir erleben die schwerste Pandemie auf diesem Planeten seit 100 Jahren, auch hier bei uns in Österreich: Wir sind keine Insel, die davon ausgenommen ist. Wir wissen, diese Pandemie hat zur Folge, dass wir weltweit die schwerste Rezession seit 90 Jahren haben, und wir wissen, dass wir auch bei uns in Österreich wegen dieser Pandemie den größten Beschäftigungsrück­gang seit den Fünfzigerjahren haben. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gleichgültig, wohin auf der Welt Sie sehen, die Probleme in dieser Situation, in dieser Pandemie sind überall dieselben, und auch die Antworten, die Antwortversuche, das Ringen um Lösungen ist überall dasselbe, von Neuseeland bis zu den Philippinen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), von Australien bis zum Beispiel zu unseren Nachbarn in Tschechien. (Abg. Deimek: Da ist ja auch ...!)

In Wirklichkeit gibt es, wie bei jeder Pandemie, drei Grundmaßnahmen, die uns schützen können, nämlich: Die eine ist der Abstand, die zweite sind die Hygienemaßnahmen und die dritte ist der Mund-Nasen-Schutz, und gleichgültig, wo wir leben, werden überall die­selben Maßnahmen praktiziert.

Jetzt weiß möglicherweise Herr Primar Kickl das in der Situation besser. (Abg. Kickl: ... der Herr Dr. Anschober! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ah, jetzt sind Sie doch wieder aufgewacht. Ich bin froh, dass Sie wieder bei uns sind. Sie haben eine so schöne, spannende, unterhaltsame Rede gehalten. Gut, dass Sie jetzt wieder bei uns sind! (Bei­fall bei Grünen und ÖVP.)

Das ist fein! Wie auf Knopfdruck: Wenn er seinen Namen hört, ist er wieder in Kampf­stimmung, das ist gut. Sie sind die letzten paar Minuten ziemlich abgetaucht gewesen, aber okay. Also die schwerste - - (Abg. Kickl: Sie haben es gerade notwendig als Volks­schullehrer, als ungelernter! Also bitte!) Sie qualifizieren sich mit jedem Zwischenruf mehr, das ist ausgezeichnet. Gut! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: ...! Das ist ja unfassbar! – Abg. Stefan: ... von der Regierungsbank!)

Das, wovon ich denke, dass es wichtig ist – und das wurde von mehreren Rednerinnen und Rednern schon sehr treffend herausgearbeitet –, ist, dass es einerseits natürlich um diese schwerste Gesundheitskrise geht (Abg. Belakowitsch: Es geht um die Überwa­chung! Um die Überwachung!), dass die Lösung dieser Gesundheitskrise aber auch die Grundvoraussetzung dafür ist, dass wir uns wirtschaftlich wieder gut entwickeln (Abg. Belakowitsch: Ja, eh, aber ...!) und dass wir die sozialen Schwierigkeiten gut bewälti­gen. (Ruf bei der FPÖ: Die haben Sie herbeigeführt!) Das steht in einem engen Zusam­menhang und das kann man nicht gegeneinander ausspielen. Das ist die Grundvoraus­setzung dafür und daran arbeiten wir sehr, sehr intensiv, dessen können Sie sich sicher sein. (Abg. Kickl: Sie dilettieren durch die ...!) Die Dinge hängen zusammen.

Wir wissen – und das zeigen eigentlich alle internationalen Bewertungen –, Österreich ist im Vergleich sehr, sehr gut durch den ersten Teil der Krise gekommen. Nennen Sie mir eine Industrienation auf der Welt, die weniger Todesfälle zu verzeichnen hatte (Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch), die weniger schwere Erkrankungen zu verzeichnen hatte! Das sind die Parameter, an denen wir uns messen lassen, das ist nämlich das Entscheidende. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Unglücklicherweise ist es so – und da sind wir leider nicht alleine –, dass sich diese Pan­demie weltweit massiv weiter ausbreitet. Wir haben ihren Höhepunkt leider noch nicht erreicht. Gerade gestern hat die Weltgesundheitsorganisation gemeldet, dass alleine in der letzten Woche weltweit zwei Millionen Neuinfektionen zu verzeichnen waren. Also: Wer das verharmlost, wer das in Abrede stellt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen!

Über den Sommer war die Lage in Österreich trotz der Öffnungsschritte stabil. Ja, wir haben viele Öffnungsschritte realisiert, und ich glaube, dass das auch verantwortungs­voll war. Mittlerweile sind wir allerdings in der Situation – und das muss man sehr ehrlich sagen –, dass es in Österreich etwa seit dem 8. September wieder deutliche Steigerun­gen gibt. Damit Sie das schön nachvollziehen können (der Redner hält ein Kurvendia­gramm in die Höhe, mit dem er in der Folge seine Ausführungen illustriert), habe ich das auch grafisch dargestellt und mitgebracht. (Ruf: Das kann man nicht lesen! – Abg. Bela­kowitsch: Ist eh wurscht!)

Das war die Situation des großen Höhepunktes unserer Krise, den wir Mitte März hatten. Dann ist die Situation sehr, sehr stabil gewesen – das sind die Zahlen der aktiv Erkrank­ten –, und dann haben wir ab dem 8. September einen deutlichen Zuwachs erlebt. (Der Redner hält ein anderes Kurvendiagramm in die Höhe.) Was Sie hier am Schluss, in den letzten Tagen sehen (Abg. Stefan: Ist jetzt eine exponentielle Kurve, oder?), das ist jetzt der September, der hier herausgeholt ist, und das zeigt, dass wir es geschafft haben – und zwar alle miteinander: ein starkes Gesundheitssystem, alle, die sich in vielen Berei­chen darum bemühen, viele, viele Menschen, die es leben, die die Umsetzung leben –, dass wir in den letzten Tagen wieder eine Stabilisierung und ein Ende dieses starken Wachstums erreicht haben (Beifall bei den Grünen – Abg. Belakowitsch: Jetzt können Sie ...!) – und das ist gut so. Das ist wieder ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Was haben wir heute an Zahlen? – Das geht an alle, die es interessiert, und ich glaube, das ist doch ein erheblicher Teil: Wir stehen heute bei 681 Neuinfektionen, also diese Stabilisierung, allerdings auf einem hohen Niveau, setzt sich fort. Wir hatten gleichzeitig 637 Neugenesene in den letzten 24 Stunden und liegen damit im Augenblick bei 8 258 aktiv Erkrankten. (Abg. Stefan: Erkrankte oder Infizierte? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Durchgeführt und eingemeldet wurden 16 617 Tests. Das ist ein Vielfa­ches mehr als die Zahl der Tests, die wir im Frühling in Österreich durchgeführt haben, und auch so ist zum Teil die steigende Zahl mit zu erklären. (Abg. Stefan: Herr Gesund­heitsminister, Erkrankte oder Infizierte?)

Das Entscheidende ist allerdings, dass die Hospitalisierungszahlen nun auch wieder deutlich zu steigen beginnen, und das ist natürlich eine sehr alarmierende Entwicklung, denn im Mittelpunkt unserer Arbeit steht, die Zahl dieser Hospitalisierungen möglichst stabil zu halten und zu vermeiden, dass es da zu einem deutlichen Zuwachs kommt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich habe gestern wieder eine lange Sitzung mit unserem Expertenbeirat, mit unseren Fachexpertinnen und Fachexperten aus dem Bereich der Virologie, aus dem klassisch-medizinischen Bereich, aus dem Public-Health-Bereich gehabt, und alle sind sich darü­ber einig, dass Österreich derzeit an einer Weggabelung steht: Entweder wir schaffen es durch Gemeinsamkeit, durch das Umsetzen der Maßnahmen und durch die bereits realisierten Maßnahmen, eine Stabilisierung und wieder ein schrittweises Senken der Zahlen zu schaffen – das ist möglich, das ist machbar –, oder wir kippen in eine expo­nentielle Steigerung hinein, für die es in diesen Tagen zwischen dem 8. und dem 17./18. Sep­tember auch Hinweise gegeben hat, und damit in eine zweite Welle.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei allen parteipolitischen Unterschieden könnten wir doch einen Grundkonsens insofern schaffen, dass wir sagen: Ja, das erste Ziel von uns allen – bei allen Schwierigkeiten, die wir sonst haben, Diskursen, die wir führen – muss sein, dass es keinen zweiten Lockdown in Österreich mehr braucht, denn der wäre wirtschaftlich fatal, der wäre gesundheitspolitisch verheerend und der würde uns auch in der sozialen Lage in Österreich große, große Schwierigkeiten bereiten. Das heißt, es gilt, die Todeszahlen möglichst gering zu halten, das heißt, es gilt, die Zahl der aktiven Erkrankungsfälle möglichst gering zu halten.

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, was bringt nun dieses Covid-Gesetz? Manche haben ja so getan, als wäre es ein völlig neues Gesetz. – Es ist eine Novellie­rung, es ist eine massive Verbesserung im Vergleich zum Status quo, eines Status quo, den wir alle gemeinsam einvernehmlich unter einem extremen Zeitdruck verwirklicht haben. Selbstverständlich kann man dann aus den Erfahrungen heraus, aus der Distanz heraus Verbesserungen verwirklichen. Ich glaube, dass das absolut gelungen ist, und ich möchte mich wirklich bei allen 14 000 bedanken, die da mitdiskutiert haben, die viel­fach konstruktive Vorschläge eingebracht haben. Viele von diesen haben wir in dieser Novelle verwirklicht, und der Beschluss dieses Gesetzes wird Österreich einen großen Schritt weiter nach vorne bringen.

Unter den 14 000 war auch eine konstruktive Stellungnahme der NEOS-Fraktion, in der sie konkrete Vorschläge eingebracht hat. Im Übrigen haben wir die allermeisten dieser Vorschläge, nämlich die substanziellen, starken, auch tatsächlich umgesetzt. Von daher ist mir euer Protest heute also wirklich ziemlich unerklärlich. Vielleicht hat das etwas mit dem Wahlkampf in Wien zu tun, aber das ist jetzt nur eine Mutmaßung. (Zwischenrufe bei FPÖ und NEOS.)

Was haben wir in diesem COVID-19-Maßnahmengesetz verbessert? – Wir haben nun die rechtliche Möglichkeit, den Mindestabstand in Österreich wieder umzusetzen und einzuführen. Das ist eine sehr wichtige, eigentlich unbestrittene Maßnahme, die damit rechtlich verankerbar ist.

Es gibt zweitens mehr Möglichkeiten für die Bundesländer, Maßnahmen zu ergreifen. Ich halte es für gut, richtig und wichtig, dass die Bundesländer, die die unmittelbare Si­tuation vor Ort am besten kennen, nach diesem Gesetz unsere Bundesmaßnahmen erweitern können, verschärfen können oder zusätzliche Maßnahmen verankern können. Ich glaube, das ist wichtig.

Wir haben drittens die Ampel und die Ampelkommission jetzt gesetzlich verankert. Auch das ist wichtig, denn um dieses Instrument, die Risikosituation in Österreich bewerten zu können, beneidet uns mittlerweile halb Europa (Abg. Deimek: Mindestens!), weil es eine hochprofessionelle Analyse der Risikosituation ermöglicht. (Abg. Kickl: Das kann ich mir vorstellen!)

Ein ganz wichtiger Bereich, meine sehr verehrten Damen und Herren, an dem Sie ei­gentlich am meisten Interesse haben müssten: Es gibt jetzt mit dieser Novelle mehr Kon­trollmöglichkeiten im Vergleich zum bisherigen Gesetz. Es gibt mehr Transparenz, es gibt mehr Effizienz, und wir haben bessere demokratiepolitische Standards realisiert.

Unbestritten ist, dass diese Novelle – das haben Ihnen eigentlich alle FachexpertInnen, alle anerkannten Juristinnen und Juristen in der Expertenanhörung in diesem Haus auch gesagt – in vielen wichtigen Bereichen zu einer enormen Verbesserung des bestehen­den Gesetzes führt. Und noch einmal: Ich danke allen, die dazu einen Beitrag geleistet haben.

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, diesen Grundkonsens, den es im Frühling in Österreich gab, brauchen wir wieder. Im Frühling war offensichtlich Parteipolitik nicht das Primat, sondern das Ziel war, diese schwerste Pandemie und die schwerste Rezes­sion seit 100 beziehungsweise 90 Jahren gemeinsam, als Österreich, gut zu überwin­den. Diesen Geist brauchen wir aus meiner Sicht wieder, das ist das Entscheidende, und dann werden wir – da bin ich sehr, sehr zuversichtlich – gut durch diesen zweiten Teil der Krise kommen.

Was wollen wir erreichen? – Wir wollen die Zahlen möglichst stabilisieren. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir wollen erreichen, dass es keine weitere Zuspitzung gibt, wir wollen erreichen, dass es möglichst wenige Todesfälle gibt, und wir wollen bis zum Vorliegen einer gesicherten Impfung die Zeit gut bewältigen.

Ich bin mir sehr sicher, dass wir dann, wenn Impfungen in Europa freigegeben werden, nach einvernehmlichen Risikobewertungen, nach Kontrollen, nach allen Standards, die wir in Europa erarbeitet haben (Abg. Kickl: Im Jänner dann, oder?), ein gesichertes Produkt, wahrscheinlich sogar mehrere gesicherte Impfprodukte am Tisch haben wer­den. (Abg. Belakowitsch: ..., ob wir wollen oder nicht!)

Ich würde Sie nur ersuchen, da nicht mit den Emotionen zu spielen, wenn ich schon wieder den Zwischenruf höre: „ob wir wollen oder nicht“. Jetzt haben wir doch alle mit­einander die Garantie gegeben, dass das freiwillig ist. (Die Abgeordneten Belakowitsch und Kickl: Sie haben schon so viel gesagt!) Warum spielen Sie dann trotzdem mit den Emotionen und schüren Ängste in diesem Zusammenhang? (Abg. Belakowitsch: Da redet der Richtige! Da redet der Richtige!) Jeder Mensch in Österreich wird sich frei ent­scheiden können, und unser Job in der Regierung ist es, sicherzustellen (Abg. Belako­witsch: Sie schüren Ängste seit Monaten!), dass es ausreichend Impfstoff für alle in Österreich gibt, und das werden wir schaffen. Das werden wir schaffen, und dafür wer­den wir als starke Europäische Union auch sorgen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Sie schüren die Ängste!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nur kurz zwei Sätze zu den kritischen Stim­men, die ich heute noch gehört habe: Das eine: Herr Kickl, Sie waren ja vor wenigen Monaten noch der Vorreiter in Sachen Lockdown, mit einem Höllentempo, haben gefor­dert, gefordert, gefordert (Abg. Kickl: Die Zeit ist nicht stehen geblieben! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und heute sind Sie der Chefcoronaleugner der Republik. Ich verstehe das wirklich nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wissen Sie, ganz viele Menschen in diesem Österreich sind froh darüber, dass Sie nicht mehr in der Regierung vertreten sind, gerade in dieser Krisensituation (Abg. Belako­witsch: Und wie viele wären froh, wenn Sie nicht mehr in der Regierung wären?!), denn viele meinen, das wäre lebensgefährlich. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Hauser: Das ist eine Frechheit! – Abg. Belakowitsch: Alles haben Sie falsch gemacht bisher! Das ist ja unglaublich!)

Dass die NEOS sich für diese eigentümliche Allianz zwischen Coronaverharmlosern und Coronaleugnern hergeben, wundert mich persönlich.

Ich bedanke mich abschließend noch einmal für die konstruktiven Stellungnahmen, und ich bin froh darüber, dass wir damit auch Anregungen bekamen, die wir in diesem Gesetz gut umsetzen konnten. – Vielen Dank für eine breite Zustimmung. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Selten peinlichere Reden gehört!)

13.26

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Nikolaus Sche­rak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.