13.26

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Herr Bundesminister! Gleich vorweg, Herr Bundesminister: Ich weise etwas ganz entschieden zurück: erstens, dass ich Corona verharmlose, und zweitens, dass es mir um irgendeinen Wahlkampf geht. (Beifall bei den NEOS.)

Seitdem ich hier im Haus bin und seitdem ich Politik mache, geht es mir genau um zwei Dinge: Das ist erstens, dass unsere Bundesverfassung geachtet wird, und zweitens, dass unsere Grund- und Freiheitsrechte nicht über Gebühr eingeschränkt werden. (Bei­fall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das habe ich gemacht, als Innenminister Kickl das gemacht hat, das habe ich gemacht, als die ÖVP unsere Grund- und Freiheitsrechte eingeschränkt hat, das habe ich ge­macht, als SPÖ-Minister das gemacht haben, und das mache ich genauso bei Ihnen, weil Sie die ganze Zeit mit Ihren Gesetzen über Gebühr in Grund- und Freiheitsrechte eingreifen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn man sich dieses Gesetz, über das wir jetzt hier wieder diskutieren, das novelliert werden soll, und die Bilanz anschaut, dann wissen wir, dass wir bis Ende August eine Vielzahl von Vernaderungen in Österreich hatten, dass wir 30 000 Anzeigen hatten, dass 6 Millionen Euro an Strafen von der Bevölkerung gezahlt werden mussten – und das alles aufgrund einer Verordnung aus Ihrem Haus, die der Verfassungsgerichtshof als gesetzwidrig aufgehoben hat. Das wäre auch ohne gegangen, nämlich wenn man ein Mindestmaß an Sensibilität in verfassungsrechtlicher Hinsicht hätte. Das fehlt leider bei Ihnen, das fehlt in Ihrem Haus und das fehlt bei der ÖVP sowieso schon die ganze Zeit. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das Problem ist – und das ist der Unterschied zwischen den Grünen und der ÖVP –, der ÖVP taugen ja diese Allmachtsfantasien. Sie wissen, von „juristischen Spitzfindigkeiten“ spricht der Herr Bundeskanzler. Ich weiß nicht, wie viele Gesetze in den letzten Jahren, die die ÖVP federführend mitverantwortet hat, vor dem Verfassungsgerichtshof gelandet sind und aufgehoben wurden. Sie wissen, dem Bundeskanzler ist es ja auch egal, ob es vor den Verfassungsgerichtshof kommt, denn er sagt ja: Dann ist es eh nicht mehr in Geltung – interessiert mich ja eigentlich nicht, soll der doch machen, was er will!

Das war bei den Grünen früher nicht so, und wir haben Sie x-mal darauf hingewiesen, dass diese ursprüngliche Verordnung nicht gesetzeskonform sein kann. Es war Ihnen nur egal.

Jetzt, nachdem Sie im Sommer verabsäumt haben, die ausreichenden Testkapazitäten zur Verfügung zu stellen, nachdem das Contacttracing in einzelnen Gebieten offensicht­lich nicht - - (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Okay, ich kenne mich nicht aus, Herr Bundesminister. (Abg. Kickl: Aber er ist ein begnadeter Jurist! Der Anschober ist ein begnadeter Jurist!) Ich will nicht über Ihre Ausbildung reden, ich bin gelernter Verfassungsjurist, ich kenne mich mit der österreichischen Bundesverfassung sehr gut aus, und ich werde Ihnen auch ganz genau - - (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Gut, dann kennen Sie sich bei den fehlenden Test­kapazitäten besser aus. Einigen wir uns darauf: Sie kennen sich dort aus, ich kenne mich in meinem Gebiet aus, und das ist das Verfassungsrecht, und das ist sicher nicht Ihres. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Nachdem Sie eine fehlerhafte Verordnung gemacht haben, bringen Sie jetzt noch ein Gesetz, das noch mehr Allmachtsfantasien beinhaltet, das Ihnen noch mehr Kompe­tenzen gibt.

Frau Klubobfrau Rendi-Wagner hat gesagt, die SPÖ habe sich so konstruktiv in den Prozess eingebracht. – Frau Klubobfrau, Sie waren nicht im Hearing im Gesundheitsaus­schuss, Ihr Verfassungssprecher, Jörg Leichtfried, war nicht im Hearing im Gesundheits­ausschuss. Die SPÖ-Fraktion war nicht einmal in der Lage, eine Stellungnahme im Be­gutachtungsverfahren einzubringen (Zwischenruf des Abg. Kucher), es ist schlichtweg keine eingegangen. Die SPÖ war nicht einmal in der Lage, dem von ihr nominierten Experten den richtigen Gesetzentwurf zu schicken. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kucher.) Er saß da und wusste nicht, worüber diskutiert wurde. – So viel zum Thema „konstruktiv eingebracht“. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es sind noch mehr Kompetenzen für Sie, Herr Bundesminister, und Sie sagen zu Recht, wir haben eingefordert, dass der Hauptausschuss eingebunden wird, und Sie meinen, dass damit dann die gravierendsten Dinge geregelt sind. Das Problem ist allerdings: Das stimmt halt einfach nicht. Der Hauptausschuss wird dann eingebunden sein, wenn es um bundesweite Einschränkungen geht. Sie können mit einem Bezirkshauptmann, mit einer Bezirkshauptfrau ohne Einbindung des Hauptausschusses entsprechende Betre­tungsverbote erlassen. Sie können das Gleiche mit einem Landeshauptmann machen. Das heißt, der Hauptausschuss ist eben nicht dauerhaft eingebunden und er kann Pur­zelbäume schlagen – das ist völlig irrelevant –, Sie können weiterhin umfassende Betre­tungsverbote ohne Einbindung dieses Parlaments erlassen.

Im Übrigen, Einbindung des Hauptausschusses: Ich bin gespannt, wer Ihnen von den mutigen Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und Grünen dann im Hauptausschuss die Stirn bieten wird. Die Grünen schaffen es ja nicht einmal mehr, für die Aufnahme von Flüchtlingskindern zu stimmen. Ich warte darauf, dass sie dann im Hauptausschuss ste­hen und sagen: Nein, nein, Herr Bundesminister, wir wehren uns gegen Ihr Betretungs­verbot! – Das wird eine spannende Situation werden. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Der zweite Wahnsinn aus meiner Sicht ist, dass Sie mit diesen Betretungsverboten durch die Hintertür wiederum in diesen einzelnen Gebieten einen umfassenden Lockdown ma­chen können. Bei den Betretungsverboten in § 4 stehen nicht einmal Ausnahmen drin­nen. Da gibt es dann nicht mehr die drei, vier oder fünf Gründe, außer Haus zu gehen, laut Gesetz müssen Sie keine Ausnahmen machen. Sie können die Menschen in einzel­nen Bezirken komplett einsperren.

Im Übrigen steht dort auch nichts davon, dass das Gesundheitssystem irgendwie zusam­menbrechen muss. In § 4 steht, Sie können Betretungsverbote dann verhängen, wenn es zur Eindämmung der Ausbreitung von Covid notwendig ist. (Abg. Kickl: Was auch immer das heißt!) Sie können die gesamte Bevölkerung in einzelnen Bezirken, in ein­zelnen Bundesländern wegsperren, und das ohne Einbindung dieses Parlaments, und das halte ich für grundfalsch. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie können mir sagen, Sie haben das nicht vor. Das Problem ist aber: Wir haben Ihnen damals, als wir dieses erste Gesetz hier beschlossen haben, die Möglichkeit gegeben, bestimmte öffentliche Orte mit einem Betretungsverbot zu verse­hen. Was haben Sie gemacht? – Sie haben den gesamten öffentlichen Raum geschlos­sen. Glauben Sie mir, das Vertrauen von meiner Seite ist zumindest nicht da, dass Sie nicht auch jetzt wieder alle Kompetenzen, die dieses Gesetz vorsieht, auch entspre­chend ausnützen.

Der weitere, quasi verfassungsrechtliche Höhepunkt war ja, dass Sie ursprünglich vor­hatten, dass durch ein Gesetz, das dieses Parlament beschließt, der Bundesregierung quasi per Ermächtigung die Möglichkeit gegeben wird, dass sie das Außerkrafttretensda­tum des Gesetzes hinauszögert. Ich frage mich, ob da irgendjemand noch etwas von Gewaltenteilung mitbekommen hat! Dieses Parlament beschließt Gesetze, dieses Parla­ment beschließt, wann Gesetze außer Kraft treten – das geschieht sicher nicht über Ver­ordnungsermächtigung an die Bundesregierung, sodass die Bundesregierung das allei­ne machen kann! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Gestern um 20.56 Uhr sind dann auch die Grünen draufgekommen, dass es vielleicht nicht sonderlich gescheit ist, der Bundesregierung mittels Dekret die Möglichkeit zu ge­ben, die Gesetze zu verlängern. Um 20.56 Uhr haben dann auch die Grünen verstanden, dass das keine sinnvolle Variante ist.

Wissen Sie, man kann lange darüber diskutieren, ob es verfassungskonform gewesen wäre oder nicht. Ich bin überzeugt: Bei solch massiven Grund- und Freiheitsrechtsein­schränkungen geht es auf gar keinen Fall, dass die Bundesregierung Gesetze verlän­gert. Das ist Aufgabe dieses Parlaments, und jeder, der sich als Parlamentarier ernst nimmt, soll sich auch dieser Verantwortung stellen. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Zu dem, was Sie jetzt vorschlagen: Ja, jetzt darf der Hauptausschuss mitreden – es ist vielleicht irritierend, dass ausgerechnet ich als Angehöriger einer Fraktion, die nicht im Bundesrat vertreten ist, hier den Bundesrat noch einmal anspreche –, aber Sie alle las­sen den Bundesrat außen vor. Der Bundesrat wird nicht miteinbezogen bei der Verlän­gerung dieses Gesetzes; ja, der Hauptausschuss wird miteinbezogen – das sind übri­gens nicht alle Abgeordneten, sondern nur ein Teil davon –, aber der Bundesrat nicht. Ob das verfassungsrechtlich hält, wird sich auch noch zeigen.

Dass die ÖVP spätestens seit Sebastian Kurz kein großes Interesse am Parlament hat, ist nichts Neues. Dass die Grünen, seit sie in die Bundesregierung eingetreten sind, ihre Ideen von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie längst abgegeben haben, ist mittlerweile auch nichts Neues mehr. Dass aber die früher einmal so stolze Sozialdemokratie – es waren Ihre Vorväter, die dafür gekämpft haben, dass es überhaupt Mitbestimmung gibt, dass es Parlamente gibt –, dass Sie jetzt den beiden die Rutsche legen und dafür kämp­fen, dass das Parlament ausgehebelt wird, halte ich für einen Wahnsinn. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Es gab in diesem Land noch nie so umfassende Kompetenzen für einen Minister ge­meinsam mit einem Bezirkshauptmann, die Menschen wegzusperren. Das ist der um­fassendste Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte in diesem Land, und dem wer­den wir garantiert nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie der Abg. Strache.)

13.34

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Ralph Schall­meiner. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf: Jetzt wird es schwierig!)