17.41

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Das Schuljahr hat vor knapp drei Wochen begonnen und obwohl die Coronainfektionszahlen zu Beginn des Sommers noch stabil waren, stehen wir jetzt im Herbst vor der Herausforderung, die Verbreitung wieder einzudämmen. Wir leben seit sechs Monaten mit dem Virus, wir haben viel darüber gelernt und herausgefunden, und jetzt geht es darum, diese Erkenntnisse auch umzusetzen.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Antrag zur Sonderbetreuungszeit, dass diese bis Februar 2021 ausgedehnt werden soll und dass auch Ferien und schulfreie Tage nunmehr von dieser erfasst sind, ist positiv zu sehen. Aus unserer Sicht fehlen aber vier wesentliche Punkte in diesem Antrag.

Erstens: Es gibt bis heute keinen Rechtsanspruch auf diese Sonderbetreuungszeit. Wir wissen, Schulen und Kindergärten werden von heute auf morgen geschlossen, meistens erfährt man das erst am Nachmittag. Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber entscheidet aber allein, ob Sonderbetreuungszeit in Anspruch genommen werden kann. Ich kann Ihnen aus meiner beruflichen Erfahrung heraus sagen, es gibt mehr als genug Betriebe, die sagen: Bei uns gibt es keine Sonderbetreuungszeit, wir wollen das nicht. – Die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer werden mit diesem Antrag zu BittstellerInnen degradiert. Es gehört einfach ein Rechtsanspruch hinein. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Punkt ist – und vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass die Arbeitge­ber sagen, wir wollen die Sonderbetreuungszeit in unserem Betrieb nicht zur Anwendung bringen –, dass zwar jetzt der Ersatz der Lohnkosten von 30 auf 50 Prozent erhöht wer­den soll, aber: Warum wird es denn nicht zu einem generellen Entgeltersatz für den Ar­beitgeber? Warum kann man ihm das nicht zu 100 Prozent ersetzen?

Der dritte Punkt betrifft – und da vergisst die Regierung wieder einmal, dass die Sonder­betreuungszeit nicht nur für Eltern wichtig ist – die Angehörigen von Pflegebedürftigen, die gerade in dieser besonderen Zeit in der Betreuung zum Teil vor Herausforderungen stehen, die sie fast nicht stemmen können, denn auch Tages- oder Betreuungseinrich­tungen, wie etwa für Demenzerkrankte, können geschlossen werden. Im Gesetz ist der Anspruch nur in dem Fall geregelt, wenn die 24-Stunden-BetreuerIn nicht anreisen kann – wieder mit der Betonung, dass es keinen Rechtsanspruch darauf gibt.

Der vierte Punkt, der auch fehlt, der aber sehr wesentlich ist, betrifft die Menschen, die mit schwerkranken Angehörigen im gemeinsamen Haushalt leben. Die Menschen wollen ihre Angehörigen vor einer Infektion schützen. Sie müssen sich jetzt aber entscheiden: Bleibe ich zu Hause und kümmere ich mich um die Angehörigen oder gehe ich weiter arbeiten? Das heißt, es herrscht akuter Handlungsbedarf.

Frau Ministerin, ich darf dazu deshalb einen Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (361 d.B.) betreffend die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (351 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Z 1 lautet wie folgt:

„1. § 18 b Abs. 1 lautet:

„(1) Treten auf Grund behördlicher Maßnahmen aus Anlass einer Epidemie oder Pande­mie Betreuungspflichten auf und hat ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Dienstfrei­stellung zur Betreuung, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Sonderbetreuungs­zeit ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der behördlichen Maßnahmen für die Dauer der notwendigen Betreuung von Angehörigen zu gewähren. Diese Sonderbetreuungszeit ist auch Angehörigen von in gemeinsamen Haushalt lebenden RisikopatientInnen zu ge­währen. Arbeitnehmer haben während dieser Zeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung in der Höhe gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz. Arbeitgeber haben Anspruch auf die Vergü­tung des in der Sonderbetreuungszeit an die Arbeitnehmer gezahlten Entgelts durch den Bund. Der Anspruch auf Vergütung ist mit der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955, gedeckelt und spätestens binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnah­men bei der zuständigen Abgabebehörde geltend zu machen. Die Regelung gilt auch für Arbeitnehmer, die den Landarbeitsordnungen der Bundesländer und in Vorarlberg dem Land- und Forstarbeitsgesetz sowie dem Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz BGBl. Nr. 280/1980 unterliegen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes in Kraft sind.““

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Mag.a Verena Nussbaum

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (361 d.B.) betreffend die Regie­rungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz ge­ändert wird (351 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Z 1 lautet wie folgt:

„1. § 18 b Abs. 1 lautet:

„(1) Treten auf Grund behördlicher Maßnahmen aus Anlass einer Epidemie oder Pande­mie Betreuungspflichten auf und hat ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Dienstfrei­stellung zur Betreuung, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Sonderbetreuungs­zeit ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der behördlichen Maßnahmen für die Dauer der notwendigen Betreuung von Angehörigen zu gewähren. Diese Sonderbetreuungszeit ist auch Angehörigen von in gemeinsamen Haushalt lebenden RisikopatientInnen zu ge­währen. Arbeitnehmer haben während dieser Zeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung in der Höhe gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz. Arbeitgeber haben Anspruch auf die Vergü­tung des in der Sonderbetreuungszeit an die Arbeitnehmer gezahlten Entgelts durch den Bund. Der Anspruch auf Vergütung ist mit der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955, gedeckelt und spätestens binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnah­men bei der zuständigen Abgabebehörde geltend zu machen. Die Regelung gilt auch für Arbeitnehmer, die den Landarbeitsordnungen der Bundesländer und in Vorarlberg dem Land- und Forstarbeitsgesetz sowie dem Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz BGBl. Nr. 280/1980 unterliegen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes in Kraft sind.““ 

Begründung

Es ist unabdingbar, dass für berufstätige Personen im Falle einer Epidemie/Pandemie die Möglichkeit geschaffen wird, sich um Betreuungspflichten zu kümmern. Schulschlie­ßungen können jederzeit wieder drohen, ebenso wie die Aussetzung des Unterrichts oder die Schließung von Einrichtungen zur Betreuung von Menschen mit Behinderungen oder von Tagesbetreuungsstätten für Pflegebedürftige. Ganz zu schweigen von der je­derzeit drohenden Maßnahme, Kindergartenkinder zu Hause betreuen zu müssen, weil der Kindergarten schließt oder die Gruppen extrem verkleinert werden. Großeltern, so­fern überhaupt vorhanden, können in diesem konkreten Pandemiefall von Covid-19 nicht einspringen, da sie die Hauptrisikogruppe darstellen.

Es geht aber nicht nur um Kinderbetreuung oder Betreuung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen. Auch der gemeinsame Haushalt mit einem schwerer­krankten Angehörigen (z.B. Krebserkrankte) stellt eine Herausforderung in diesem Pan­demiefall dar. Deshalb sollen auch ArbeitnehmerInnen, die mit einem schwererkrankten Angehörigen im gemeinsamen Haushalt leben, diese Sonderbetreuungszeit in Anspruch nehmen können, denn es kann nicht sein, dass sich Menschen zwischen der Gesundheit ihrer Angehörigen und dem eigenen Arbeitsplatz entscheiden müssen.

Die bestehende Sonderbetreuungszeitregelung bedeutet enorme Unsicherheit für Ar­beitnehmerInnen, die notwendige Betreuungspflichten wahrnehmen müssen. Der Arbeit­geber entscheidet alleine, ob der oder die ArbeitnehmerIn diese Sonderbetreuungszeit in Anspruch nehmen kann. Auch für die ArbeitgeberInnen ist diese Regelung, gerade in einer wirtschaftlich so schwierigen Zeit, eine Herausforderung, da sie nur die Hälfte der Kosten ersetzt bekommen. Daher ist es erforderlich, einen Rechtsanspruch für Arbeit­nehmerInnen zu normieren und sowohl einen Entgeltfortzahlungsanspruch für die be­troffenen ArbeitnehmerInnen als auch einen vollen Ersatzanspruch für ArbeitgeberInnen festzulegen.

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Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Klubobmann August Wöginger. – Bitte.