14.52

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Wer erhält unser System? Wer schlich­tet die Regale? Wer liefert die Pakete? Wer steht hinter der Kassa? Wer schuftet im Gesundheitswesen, im öffentlichen Verkehr, in der Lebensmittelindustrie? – Gewiss sind das sehr wichtige Personen mit hohem Ansehen und entsprechender Bezahlung nebst lautstarkem Applaus.

Eine Million Menschen in Österreich haben systemrelevante Berufe, also schlechter be­zahlte Jobs mit geringer Reputation. Mehrheitlich sind es Frauen, die im Handel, in Pfle­geberufen, in der Reinigung arbeiten, und ein großer Teil von ihnen sind Migranten und Migrantinnen. Wer erhält unser System? Wem haben Sie eigentlich geklatscht? – Schlechter bezahlt, höheres Ansteckungsrisiko, prekäre Arbeitsbedingungen, das ist die Realität vieler Migrantinnen und Migranten in Österreich: SystemerhalterInnen, Steuer­zahlerInnen, Menschen, die in Österreich leben, hier ihre Familie haben, ihre NachbarIn­nen und Freunde.

In Wien hat mehr als die Hälfte der Bevölkerung eine Migrationsbiografie. Das sagt nichts über sie aus, außer dass Sie auf ihrem Rücken Wahlkampf machen (Beifall bei den Grünen), dass Sie schon wieder entscheiden wollen, wer dazugehört und wer nicht, wer etwas sagen darf und in welcher Sprache, wer an Gott glauben darf und an welchen. Das betrifft die Hälfte der Wiener Bevölkerung, und Sie haben die Chuzpe, wieder den Wahlkampf auf ihrem Rücken auszutragen und sich dabei auch noch ein Wettrennen im Spalten und Diffamieren mit dem rechten Lager zu liefern.

Es ist gut und es ist richtig, dass sich in Wien eine Wiener Initiative zusammengefunden hat, um den Hass der FPÖ im Wiener Wahlkampf anzuprangern. Sie sagt das, was sich viele von uns seit dem ersten Tag gedacht haben: Wir wollen diese Plakate der FPÖ nicht auf unseren Straßen, nicht in unserer Stadt. Sie sind gefährlich, sie sind radikal, sie sind rassistisch und sie gehören nicht zu Wien. (Beifall bei den Grünen. Zwischen­ruf der Abg. Belakowitsch.) Sie scheinen überhaupt keine Schmerzgrenze zu haben, was Radikalisierung anbelangt. (Heiterkeit des Abg. Brandstätter.) Sie sind eine einzige Parallelgesellschaft, die sich jeden Tag weiter radikalisiert. (Beifall bei den Grünen.)

„Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.“ – Diese entlarvenden Worte findet der langjährige Pressesprecher der AfD, Ihr Kollege aus Ihrer deutschen Schwesterpartei, einer Partei, die Sie als aufsteigende, dynamische Kraft bezeichnet haben, die mit der FPÖ unglaublich viele Gemeinsamkeiten habe. „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.“ – Ist das auch Ihr Credo für Wien? Ist das Ihre Strategie? Es geht erst mal um den Erhalt der Partei, alles ist darauf ausgerichtet, erfolgreich zu sein, das Land ist mir erst mal egal. – Das ist die Strategie Ihrer Schwes­terpartei. Ist das Ihre Strategie?

Österreich ist Ihnen egal, Wien ist Ihnen egal, aber vor allem die Menschen in Wien sind Ihnen egal. Wien ist eine der lebenswertesten Städte dieser Welt (Abg. Kickl: Für Sie vielleicht!), und zwar aufgrund der Menschen, die hier leben. Dabei ist es egal, ob sie Siam oder Sarah heißen, Josef oder Yusef. (Beifall bei den Grünen. Abg. Kickl: Ach so?)

Dabei war Integration nie eine ausgestreckte Hand. Integration ist ein Hürdenlauf zwi­schen Bevormundung und Bürokratie, zwischen Ausgrenzung und Abwertung, zwischen Ausschluss und Abstellgleis. Integration sollte Chancen und Teilhabe und Zukunft und Zusammenhalt bedeuten. Sie pervertieren Integration zu einem Kampfbegriff und liefern sich dabei noch ein Wettrennen im Spalten und im Diffamieren. (Abg. Belakowitsch: Mit wem?)

Wien nimmt Chancen und Teilhabe und Zukunft und Zusammenhalt ernst. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wien hat gesagt: Integration ab Tag eins, und Wien hat gesagt: Stärken und bei den Schwächen fördern. Wien macht das durch Pro­jekte wie Mama lernt Deutsch, Deutschkurse für Mütter in Wiener Schulen und Kinder­gärten, das Projekt Nachbarinnen, bei dem ausgebildete Sozialassistentinnen Men­schen in ihren Wohnungen aufsuchen und Integrationsbegleitung durch die Community anbieten (Abg. Belakowitsch: ... erfolgreich gewesen ...! ... gekostet? Wie war der Out­put?), oder das Integrationshaus, das seit nunmehr 25 Jahren geflüchteten Menschen Unterkunft, Betreuung und Unterstützung bietet.

Es gibt etliche Integrationsinitiativen in Wien, die 2015 entstanden sind und von Freiwil­ligen und dem Ehrenamt getragen werden: Ankommen in Wien, PatInnen für alle, Frem­de werden Freunde, Start with a Friend, Free Girls Movement (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), Train of Hope, die Plattform für eine menschliche Asylpolitik.

2015 war das Jahr der Menschlichkeit, das Jahr der Zivilgesellschaft, des zivilgesell­schaftlichen Handelns, des zivilgesellschaftlichen Helfens (Abg. Belakowitsch: ... der Zuwanderer!), das Jahr, zu dem alle einen Bezug und die meisten von uns einen Be­zugsmenschen haben. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Diese Zivilgesellschaft kann und will auch jetzt helfen, weil Menschen in Not sind und weil es schändlich ist, das nicht zu tun, denn hässliche Bilder sind kein Schicksal (Beifall bei den Grünen), unsere Solidarität ist nicht flexibel und wir übernehmen Patenschaften für Menschen und nicht für Ab­schiebungen.

Hören Sie mit Ihrem Menschenhass auf! Hören Sie mit Ihren Hasspredigten auf! Hören Sie mit Ihren Hassparolen auf! Ich sage Ihnen das als Wienerin. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Wir alle sind Wien, wir lassen uns nicht spalten. (Beifall bei den Grünen.)

14.58

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bernhard. – Bitte. (Zwischenruf von der Galerie.  Der Präsident gibt das Glockenzeichen. Ein Be­sucher wird von MitarbeiterInnen des Ordnungsdiensts von der Galerie geleitet.)