21.31

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Kolleginnen haben es schon angespro­chen, es geht um diesen schikanösen Kickl-Erlass, der Gott sei Dank mittlerweile Ge­schichte ist. Das ist ein wichtiger Teilerfolg und ein Schritt in die richtige Richtung im Sinne einer Gleichberechtigung und Anerkennung intergeschlechtlicher Personen.

Vielleicht aber ein bisschen grundsätzlicher: Seien wir ehrlich! Es ist doch beschämend, dass wir im Jahr 2020 immer noch hier stehen und für jeden kleinen Teil der Grundrechte sexueller Minderheiten kämpfen müssen – noch dazu, da es in diesem Fall nur um eine adäquate Bezeichnung im Personenstandsregister geht, über die der VfGH eigentlich schon längst entschieden hat. Das ist beschämend. Es ist aber noch beschämender, dass der Innenminister der letzten Regierung, der türkis-blauen Regierung, in einer rechtswidrigen Art die Umsetzung dieses VfGH-Erkenntnisses mit einem menschenver­achtenden Erlass geradezu ausgehebelt hat. Am beschämendsten ist aber, dass der derzeitige Innenminister in einer türkis-grünen Bundesregierung an diesem unsäglichen Erlass für Monate festgehalten und intergeschlechtliche Menschen weiterhin völlig unnö­tig diskriminiert hat.

Es hat unseren Druck gebraucht. Es hat den Druck der Zivilgesellschaft gebraucht, zum Beispiel durch Rechtsanwalt Dr. Graupner, der den Herrn Innenminister bei der Korrup­tionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch angezeigt hat. Das hat es gebraucht, damit ein bisschen Schwung in diese Sache reinkommt und der Erlass zurückgenommen wird. Es hat natürlich die beharrliche Arbeit von NGOs wie der Hosi oder des Vimö gebraucht. Unser Druck hat gewirkt, und der diskriminierende Erlass ist zumindest weitgehend Geschichte.

Das ist aber nur ein erster Schritt in Richtung gleiche Rechte für intergeschlechtliche Menschen. Intergeschlechtliche Menschen – Kollegin Schatz hat es schon gesagt – sind immer noch massiv Diskriminierungen ausgesetzt; aber nicht nur sie, sondern die Zahlen der erwähnten Studie zeigen auch, dass 2020 zwar rechtlich viel erreicht ist, aber noch großer gesellschaftlicher Nachholbedarf besteht. Die größte je durchgeführte Studie zur Situation von LGBT-Menschen – nämlich jene der EU-Grundrechteagentur – zeigt: 40 Pro­zent der in Österreich Befragten hatten in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal in der Arbeitswelt eine Diskriminierungserfahrung. 33 Prozent geben an, innerhalb des letzten Jahres belästigt worden zu sein. Und 11 Prozent – stellen Sie sich das einmal vor! –, also jede zehnte Person war in den letzten fünf Jahren einem physischen Über­griff ausgesetzt. 60 Prozent der befragten lesbischen und schwulen Pärchen geben an, in der Öffentlichkeit aus Angst vor Übergriffen nie Händchen zu halten.

Ich glaube, diese Zahlen zeigen, dass gesellschaftlich noch wahnsinnig viel zu tun ist, sowohl beim Kampf für die Gleichstellung von intergeschlechtlichen Personen, aber auch in allen anderen Bereichen. Wir werden weiterhin Druck auf die Regierungsparteien ausüben und dieser Druck wird notwendig sein. Er wird notwendig sein, weil die Grünen ohne Druck aus der Opposition nicht umsetzungsfähig sind und weil der Koalitionspart­ner, die ÖVP, mittlerweile in gesellschaftlichen Fragen zu einer Rechtspartei geworden ist.

Von KollegInnen der ÖVP haben wir in den letzten Wochen im Wahlkampf in Wien immer wieder gehört, die NEOS seien ja so weit nach links gerückt. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, vor allem von der ÖVP! Das ist immer eine Frage der Perspektive. In aller Deutlichkeit: Wer ganz rechts außen abbiegt, dem kommt so ziemlich alles andere links vor. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Ein Beispiel dafür ist Ihre aktuelle Liste für die Wiener Landtagswahl. Bei den Vorzugs­stimmen landete auf Platz zwei hinter Gernot Blümel, also vor dem amtierenden Stadtrat und vor der amtierenden Klubobfrau, ein Kandidat des fundamental klerikalen Flügels. Er lehnt zum Beispiel das Recht auf Abtreibung ab und bezeichnet die LGBT-freien Zo­nen in Polen als Fakenews.

Für Grund- und Menschenrechte einzustehen ist nicht links; es ist grundliberal und vor allem eine Selbstverständlichkeit einer politischen Mitte, dafür einzustehen. Wir haben aus der Opposition heraus den Eintrag des dritten Geschlechts erkämpft. Wir haben – das freut mich besonders – das Ende des Blutspendeverbots für homo- und bisexuelle Männer erkämpft. Wir werden beharrlich damit weitermachen und uns als nächstes Thema das endgültige gesetzliche Verbot von Konversions- und Umpolungstherapien an Minderjährigen vornehmen.

Wir werden das als verlässlicher Partner für all jene machen, die in dieser Bundesregie­rung leider keinen haben. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.35

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dzie­dzic. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.