11.21

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Alle Prognosen von Wirtschafts- und Arbeitsmarktexperten prognostizieren das Gleiche: Österreich wird den Wirtschaftseinbruch 2020 nicht so rasch aufholen können, auch nicht 2021. Es wird länger dauern, bis wir die Konjunkturzahlen von 2019 erreichen werden.

Die Folge ist uns allen bekannt: eine anhaltende Rekordarbeitslosigkeit. Geschätzte Damen und Herren von ÖVP und Grünen, hätten Sie das Epidemiegesetz nicht aus­gesetzt, gäbe es jetzt nicht diese großen Probleme. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bundesregierung hat vieles an Investitionen, an Prämien, an Bonuszahlungen und Unterstützungen angekündigt, 29 Milliarden Euro – Herr Abgeordneter Haubner hat es wieder angeführt – für Beschäftigung und Arbeitsmarkt, aber die Frage ist: Reichen diese Maßnahmen und kommen diese Maßnahmen, die Sie fast täglich in groß angelegten Pressekonferenzen verkündet haben, tatsächlich dort an, wo sie ankommen sollen: beim Klimaschutz, bei der Beschäftigung, beim Kampf gegen die Rekordarbeitslosigkeit oder auch bei der Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich?

Schauen wir uns das anhand von nur drei Beispielen konkret an! Zu den Investitionen in den Klimaschutz: ÖGB, AK, Global 2000, alle haben gesagt, wir brauchen mindestens 1 Milliarde Euro pro Jahr. Sie haben im Budget nicht einmal 250 Millionen Euro pro Jahr bis 2024 drinnen. Ich sage Ihnen: Das ist eindeutig zu wenig. Das ist keine Klimapolitik, damit machen wir keinen Klimaschutz. (Beifall bei der SPÖ.) Das, was Sie machen, ist keine Klimapolitik, geschätzte Damen und Herren von den Grünen, das ist eine Pflasterlpolitik. Dort und da gibt es ein Pflasterl drauf, damit man dementsprechend etwas zum Herzeigen hat. Damit lösen wir diese Probleme nicht.

Oder auch das Gemeindepaket – Abgeordneter Krainer hat es angesprochen; wir wer­den heute dazu noch eine Kurzdebatte führen; unser Abgeordneter Andreas Kollross hat eine parlamentarische Anfrage gestellt –: Welche Gemeinden haben von diesem Ge­meindepaket – 1 Milliarde Euro für 2 095 Gemeinden und Städte in Österreich – etwas abgeholt?

Herr Finanzminister, Sie haben geantwortet, Sie können das aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht beantworten. Sie haben aber geantwortet: 464 Gemeinden haben sich Geld abgeholt, 464 von 2 095 Gemeinden. Es ist jetzt genau das passiert, was wir als SPÖ immer gesagt haben: Dieses Geld, diese Gemeindemilliarde können sich nur Gemeinden abholen, die finanzstark sind. Finanzschwache Gemeinden können sich dieses Geld nicht abholen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Finanzminister, Danke auch für Ihre Offenheit gestern in Ihrer Budgetrede, in der Sie uns mitgeteilt haben, dass mittlerweile 781 Projekte mit einer Investitions­förder­sum­me von 91 Millionen Euro genehmigt sind. Von 1 Milliarde Euro sind nur 91 Millionen Euro abgeholt worden. Bitte ändern Sie dieses Gemeindepaket so, dass alle Gemeinden in Österreich sich ihr Geld abholen können! (Beifall bei der SPÖ.)

Das dritte Beispiel: Ihre groß angekündigte Coronaarbeitsstiftung. Das, was jetzt im Budget aufscheint, ist die Absicht, 700 Millionen Euro zusätzlich in Beschäftigung, Aus- und Weiterbildung zu investieren – 700 Millionen Euro. Abgebildet sind im Budget überhaupt nur 522 Millionen Euro für zwei Jahre. Wo sind die restlichen 178 Millionen Euro? – Die werden Sie dem Anschein nach wieder aus dieser Rücklage des Arbeits­marktbudgets herausnehmen. Das sind Beiträge von Beitragszahlern für andere Maß­nahmen im Förderbudget des AMS, auch dort wird das Geld abgehen. Das ist keine Arbeitsstiftung.

Eine echte Arbeitsstiftung, Herr Finanzminister, ist eine Arbeitsstiftung, mit der ganz gezielt betroffene Menschen individuell gefördert werden, geschult werden, ausgebildet werden, damit sie nachher sofort in einen Job kommen können, von dem sie vorher schon wissen. Das ist eine Arbeitsstiftung, aber das, was Sie da machen, ist leider keine Arbeitsstiftung.

Sie haben gestern abschließend gesagt: „Ich glaube an den Fleiß der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und an die Kreativität und Leistungsfähigkeit der heimischen Unternehmen.“

Jetzt findet gerade eine Verhandlung in Hirschwang im Unternehmen Mayr-Melnhof statt. 150 Arbeiter kämpfen dort um einen fairen Sozialplan. Die Firmenleitung hat für diese 150 Arbeiter einen Sozialplan mit einem Gesamtvolumen von 4,5 Millionen Euro angeboten. Zum Vergleich: Im Vorjahr hat ein Manager in diesem Unternehmen in Hirschwang 8,6 Millionen Euro Abfertigung erhalten – 8,6 Millionen Euro für einen Manager im Vergleich zu 4,5 Millionen für 150 Arbeiter. Da funktioniert in unserem Land etwas nicht, Herr Finanzminister. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Ihnen wirklich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land so wichtig sind, wenn Ihnen die Unternehmen in Österreich so wichtig sind, dann sorgen Sie auch dafür, dass unsere heimischen Unternehmen mit ihren Beschäftigten Aufträge erhalten! Sorgen Sie dafür, dass die Investitionsprämie, die gut läuft, an Auftragsvergaben an österreichische Unternehmen gebunden wird, so wie wir in der Steiermark es bereits seit 20 Jahren mit der Winterbauoffensive machen! Öffentliche Gelder nur für jene Inves­titionen, mit denen die Wertschöpfung und damit Beschäftigung und Firmen in Österreich am Standort gesichert werden! Das wäre wichtige Wirtschaftspolitik.

Oder sorgen Sie dafür, dass das Bundesvergabegesetz auch wirklich so genutzt wird, dass österreichische Unternehmen gerade jetzt in der Krise diese Aufträge erhalten! Wir haben in diesem Hohen Haus alles gemacht. Wir haben das Bestbieterprinzip eingeführt, wir haben auch die Schwellenwerteverordnung gemacht, die mit Jahresende ausläuft. Bitte sorgen Sie dafür, dass die Schwellenwerteverordnung – Direktvergaben durch die öffentliche Hand ab 1.1.2021 – weiter besteht und dass diese Werte auch erhöht werden!

Nur wenn wir jetzt diese Vergaben, diese Ausschreibungen so gestalten, dass die Zu­schlagskriterien Regionalität und Klimaschutzmaßnahmen beinhalten, bleibt unser Steuergeld auch in der Krise in unserem Land.

Ein Beispiel zum Abschluss, weil Kollege Haubner gemeint hat, wir sind ein bisschen „weit weg“ von der Wirtschaft – ich frage Sie das abschließend wirklich, weil auch eine Abgeordnete, ich glaube, Frau Abgeordnete Baumgartner, gesagt hat: Reden Sie un­­ser Budget nicht schlecht! –: Finden Sie es richtig, dass Lärmschutzwände für unsere Autobahnen jetzt in Ungarn bestellt werden und gleichzeitig österreichische Unterneh­men, die Kurzarbeit angemeldet haben, bei denen Kündigungen im Raum stehen, diese Aufträge nicht erhalten? Finden Sie das richtig? Wenn Sie es nicht richtig finden, dann tun Sie etwas dagegen! Ich glaube, gerade mit diesem Beispiel sind wir vielleicht näher bei der Wirtschaft, als Sie (in Richtung ÖVP) es sind und als Sie (in Richtung Grüne) es sind.

Herr Finanzminister, wenn Ihnen die heimische Wirtschaft wirklich mit all ihren Beschäf­tigten und Unternehmen wichtig ist, dann zeigen Sie das bitte nicht nur in einer Budget­rede, sondern mit konkreten Maßnahmen! Welche Maßnahmen das sein können, das habe ich Ihnen jetzt in den letzten 5 Minuten ausgeführt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.30

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.