12.04

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher daheim! Als Pflegesprecherin möchte ich heute auf das Thema Pflege und auf das Pflegebudget eingehen, welches in der UG 21 zu finden ist.

Immer wieder wird die Pflege als die Herausforderung unserer Zeit genannt. Das ist sie auch: eine Herausforderung, die mit der Zeit nicht einfacher, sondern eher komplexer werden wird. Warum ist das so? – Das lässt sich anhand einiger Beispiele gut erklären.

Pflege wurde über Jahre, wenn nicht über Jahrzehnte hinweg vonseiten der Politik, vonseiten der vorhergehenden Regierungen vernachlässigt. Das mutlose Agieren, das Hin- und Herschieben hat die ohnehin sehr herausfordernde Situation in der Pflege drastisch verschärft. Die Versäumnisse der Vergangenheit kommen jetzt an die Ober­fläche, und die Coronakrise hat das natürlich noch weiter verschärft. Umso wichtiger ist es, dass sich diese Regierung mit Minister Anschober diesen zentralen Herausforde­run­gen stellt.

Wir werden älter, das ist erfreulich. Die Lebenserwartung steigt, und natürlich wächst mit ihr auch der Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung. Genau diese demografische Entwicklung ist ein Grund, warum das Pflegesystem so unter Druck gerät. In keinem anderen öffentlichen Aufgabenbereich werden in den kommenden Jahren die Kosten so sehr steigen wie in der Pflege.

Eine weitere Herausforderung ist der Personalmangel, der hier immer wieder erwähnt worden ist. Es wird jetzt schon ein Mangel an Pflegepersonal beklagt. Laut einer Studie des Sozialministeriums vom November 2019 werden wir bis 2030 – das ist in zehn Jahren – in der Pflege 75 000 Menschen brauchen. Wenn man die Realität in der Pflege kennt, weiß man, dass dort ganz viele Menschen Teilzeit arbeiten. Das bedeutet, dass wir in zehn Jahren 100 000 Menschen mehr in dieser Branche brauchen werden – Stich­wort Pflegekräftemangel. Daneben besteht natürlich auch die Herausforderung, die Menschen, die jetzt in der Pflege arbeiten, dort auch zu halten. Es ist nicht selbstver­ständlich, dass Menschen ewig in diesem Job bleiben; Stichwort: die sehr schwierigen Arbeitsbedingungen.

Die wichtigste Säule in der Pflege sind die pflegenden Angehörigen. Diese Menschen brauchen dringend Entlastung. In Österreich gibt es circa 1 Million pflegende Ange­hörige, 1 Million Menschen, die am Limit ihrer Kräfte angelangt sind, für die es keine 40-Stunden-Woche gibt; für die heißt es sieben Mal die Woche 24 Stunden.

Diese Beispiele zeigen so klar auf, dass wir dringend eine Pflegereform brauchen. Der Gesundheitsminister hat bereits am 5. Oktober den Startschuss dafür gegeben, und da werden genau diese Herausforderungen, diese Themen bearbeitet, wird mit den Betrof­fenen diskutiert, mit der Wissenschaft, mit Menschen aus der Pflege und natürlich auch mit der Politik, die dann handeln muss und handeln wird.

Es braucht einen starken gemeinsamen politischen Willen. Diese Bundesregierung hat ihn, dieser Wille wird auch im Budget sichtbar. Insgesamt gibt es 60 Millionen Euro an zusätzlichen Mittel für die Pflege, 40 Millionen davon für den Schwerpunkt Pflege, Demenz und Behinderung, plus 20 Millionen für innovative Projekte und Qualitäts­sicherung in der Pflege. Bei innovativen Projekten fällt mir sofort Communitynursing, Communitynurse ein. Wir haben das in unserem Regierungsprogramm. Das ist nichts, was wir neu erfinden müssten, das gibt es in den skandinavischen Ländern, das funk­tioniert dort gut, und so etwas wünsche ich mir auch für Österreich.

Weiters geplant ist ein pflegefreier Tag, der die pflegenden Angehörigen entlasten soll, oder auch eine Personaloffensive – heute bereits mehrmals erwähnt. Ich möchte die Arbeitsstiftung – diesen Erfolg –, die mit 700 Millionen Euro dotiert ist, trotzdem noch einmal erwähnen. Es ist ein guter und wichtiger Schritt, dass die Regierung diese Arbeitsstiftung ins Leben gerufen hat. Genau jetzt, da viele Menschen zum Beispiel im Tourismusbereich aufgrund von Covid arbeitslos werden oder ohne Arbeit bleiben, kann man sie in Richtung Pflege umschulen, sie finanziell unterstützen und sie für diesen Beruf motivieren.

Beim Pflegepersonalmangel schaue ich auch ein bisschen in die Richtung der SPÖ, denn ich finde, es ist nicht gerade sehr seriös, sich hierher zu stellen und immer wieder zu sagen: In der Pflege wurde das und das nicht gemacht. Ich erinnere euch sehr gerne daran: Ihr hattet das sehr lange selbst in der Hand, nicht nur die Pflege, sondern auch viele andere Agenden. Also bitte hier mehr Seriosität! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Einen Schwerpunkt – die Zeit läuft mir davon – möchte ich noch erwähnen, und zwar die Menschen mit demenzieller Erkrankung. In Österreich leben 130 000 Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Diese Menschen beziehungsweise ihre pflegenden Angehörigen brauchen Unterstützung. Der Prozess, wie der Pflegebedarf ermittelt wird, ist nicht aus­reichend. Die Erschwerniszulage von 25 Stunden pro Monat reicht nicht aus, das ist zu wenig. Mich freut es sehr, dass es das gemeinsame Ziel dieser Bundesregierung ist, die Lebensumstände von Menschen mit demenzieller Beeinträchtigung und ihren Familien zu verbessern und weiterhin auch in diesem Bereich qualitätsvolle Pflege zu sichern. Ich bin zuversichtlich, dass uns gemeinsam diese Erfolge gelingen werden.

Sowohl die Herausforderungen als auch die Erwartungen im Bereich der Pflege sind groß – ich glaube, die Bundesregierung und wir sind uns dessen bewusst –, aber unser gemeinsamer Wille, für die Menschen in der Pflege, für verschiedene Gruppen in der Pflege wirklich sichtbare Verbesserungen zu erreichen – das kann ich Ihnen ver­sichern –, ist auch sehr groß. Dieses Gemeinsame über alle Fraktionen hinweg wünsche ich mir wirklich für die Pflege. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.11

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.