11.21

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Herr K. F. war Terrorist. Er hat am Montagabend versucht, Menschen unseres Landes durch brutale Gewalt in Angst und Schrecken zu versetzen. Unschuldige Menschen haben ihr Leben gelassen oder sind verletzt worden, zum Teil sehr schwer. Mein tiefstes Mitgefühl gilt den Familien, den Angehörigen und den Freunden der Opfer, die bei diesem schrecklichen Attentat ums Leben gekommen sind. Wir trauern mit ihnen und wir sorgen uns um jene, die nach wie vor in den Spitälern sind oder zu Hause genesen. Dank unserer exzellenten Polizisten und Spezialeinheiten konnte der Täter bereits binnen 9 Minuten nach Eingang des Notrufs gestellt werden. Ihnen ein Danke für den Einsatz, ein Danke ebenso der Rettung, der Feuerwehr, all jenen, die als Blau­lichtorganisationen dort vor Ort waren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nach so einer schrecklichen Tat fragen wir uns alle: Wie kann es so weit kommen? Ein Teenager wird mit islamistischem Gedankengut infiziert. Er will sich dem IS in Syrien anschließen, wird in der Türkei gestoppt, festgenommen, nach Österreich zurückge­bracht, ausgeliefert und in einem Gerichtsverfahren verurteilt. Für das Sich-Anschließen an eine terroristische Vereinigung sieht das Gesetz einen Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren vor. Entscheidungen über das Strafausmaß berücksichtigen bei jedem Straftäter unter anderem die Unbescholtenheit, die Jugend, den Geisteszustand zum Zeitpunkt der Tat, den verursachten Schaden, die Folgen der Tat – das wägen unsere Richter ab. Der Attentäter in Wien wurde zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt. Wir können derzeit nur Häftlinge, die unter Bedingungen vorzeitig entlassen wurden, weiter betreuen.

Herr K. F. hat alle getäuscht, arglistig und sichtlich mit Vorsatz. (Abg. Belakowitsch: Der hat niemanden getäuscht! – Abg. Kickl: Der hat kein Geheimnis aus seiner Ein­stellung gemacht!) Schon in der Haft hat er sich wohlverhalten, um früh aus der Haft entlassen zu werden. Er hat an Deradikalisierungsprogrammen teilgenommen und offensichtlich in der Bewährungszeit die Auflagen erfüllt.

Wir müssen uns fragen: Warum war es möglich, dass trotz Betreuung durch verschie­dene Organisationen dieses Attentat tatsächlich passiert ist? (Abg. Belakowitsch: ... überrascht?) Wir müssen uns fragen, und die Aufklärung und die Weiterentwicklung unserer Systeme muss auch die Frage zulassen: Wie berichtet die Deradikalisierungs­organisation Derad? Wie Neustart? Wann erfolgte der letzte Bericht an die Gerichte? Und vor allem: Was wurde berichtet? (Abg. Belakowitsch: Dass er noch nicht deradikalisiert ist!) Wieso war der islamistische Terrorist Herr K. F. bereit, Selbsttötung in Kauf zu nehmen? Gab es dafür keine Anzeichen? – Es gibt vieles aufzuarbeiten.

Wir alle müssen dafür sorgen, dass so etwas möglichst niemals wieder passiert. Ja, es gibt möglicherweise Versäumnisse – um das aufzuklären, dafür wird es die Unter­suchungskommission geben. Die Kommunikation zwischen den Behörden und auch mit den anderen Staaten muss noch effektiver werden. Unsere Ministerien müssen Hand in Hand arbeiten, sie müssen die notwendigen Informationen haben.

Eine entscheidende Rolle spielt unser Verfassungsschutz, wo ja alle relevanten Geheim­dienstinformationen zusammenlaufen. Ihnen, Herr Kickl, als ehemaligem Innenminister haben wir es – in Anführungszeichen – zu „verdanken“, dass die Glaubwür­digkeit und das Vertrauen (Abg. Kickl: Machts nur weiter so!) in unser BVT international so in Misskredit geraten sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Stefan: ... berichten die Slowaken, weil sie kein Vertrauen haben!)

Sie, Herr Kickl, haben versucht, sich das BVT gefügig zu machen. (Abg. Belakowitsch hält eine Tafel mit einem Foto von Bundeskanzler Kurz und der Aufschrift „Kurz im BVT-U-Ausschuss: ‚Keinerlei Beweis, dass Kickl etwas Illegales gemacht hätte‘“ in die Höhe.) Sie haben zuerst Ihr eigenes Haus mit von Ihnen inszenierten Hausdurchsuchungen zerstört, um es dann nach Ihrem Gutdünken wieder aufbauen zu können. (Ruf bei der FPÖ: Ihr habts den Sauhaufen geschaffen! – Abg. Belakowitsch: Was reden Sie von Hausdurchsuchungen? ...!) Die von Ihnen eingesetzte Reformgruppe war definitiv nicht dazu tauglich, ein gutes, neu und bestens organisiertes BVT mit neuen Systemen aufzubauen. (Abg. Kickl: Sie wissen ja gar nicht, wovon Sie reden!) Das hat auch unser nachfolgender parteifreier (Abg. Kickl: Aber das Postkastl hat schon noch funktioniert, oder?) Innenminister Peschorn festgestellt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Ist Ihnen das nicht peinlich?)

Systeme sind und können fehlerhaft sein. Sie wären nicht in der Lage gewesen, dieses System nachhaltig zu ändern, und Ihnen ist geschuldet, leider geschuldet, dass wir wertvolle Zeit und wertvolle Informationen verloren haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Das ist unglaublich! Ist Ihnen das nicht peinlich? – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.)

Wir müssen die Schnittstellen zwischen der Justiz auch nach der Enthaftung verbessern und uns die Frage stellen, ob wir auch im Strafrecht Änderungen vorsehen müssen. (Ruf bei der FPÖ: Helfen Sie mir: Wer war Kanzler? – Abg. Deimek: Wir müssen jetzt endlich einmal ein Mailsystem in der Polizei installieren, damit die was lesen können!) Derzeit ist auch bei Terrordelikten eine vorzeitige Entlassung möglich. Ist das in Ordnung? Gibt es andere Notwendigkeiten? (Zwischenruf bei der FPÖ.) Wie können wir auch dann, wenn ein Täter die Haftstrafe abgesessen hat und völlig frei ist, eine Nachbetreuung, gerade im Bereich von Terrordelikten und radikalisierten Personen, organisieren? (Ruf bei der FPÖ: Die ÖVP hatte schon bessere Auftritte!)

Ich möchte ohne Scheuklappen in die Diskussion eingehen und alle einbinden. (Abg. Lausch: Na!) Ich möchte auch die einladen, die vielleicht in der Vergangenheit Fehler in ihrer Arbeit gemacht haben – ihre Erfahrung ist uns ja auch wichtig! (Abg. Belakowitsch: Na geh?! – Abg. Kickl: Das ist an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten, was Sie da gerade abführen! – Abg. Wöginger: Nach deinem Verhalten? – Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Abschließend möchte ich noch sagen: Ich möchte mir nicht vorstellen, was gewesen wäre, wenn die Polizei und die Rettung nicht so schnell vor Ort gewesen wären, wenn Menschen mit Zivilcourage nicht eingegriffen hätten, wenn nicht Gasthäuser, Hotels, Theater, Privatpersonen Mitmenschen Unterschlupf gewährt hätten, wenn Straßen­bahn­fahrer nicht außerhalb der Stationen gehalten hätten, um Menschen aufzunehmen und aus der Gefahrenzone hinauszubringen. Die große Solidarität und Hilfsbereitschaft jedes Einzelnen, der in diesem Terrorbereich in Wien I zugegen war, zeigt: Weder Herkunft noch Religion, noch Alter, noch Geschlecht waren entscheidend für diesen Zusammen­halt. Alle, die vor Ort waren, standen geschlossen zusammen, genauso wie Österreich geschlossen zusammensteht. Unsere Demokratie ist wehrhaft, liberal und stark. Feige terroristische Attentate schaffen es sicher nicht, uns auseinanderzudividieren. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: Haben Sie sich freiwillig gemeldet oder sind Sie für diesen Unsinn zwangsvergattert worden? – Ruf bei der ÖVP: Gib eine Ruh! – Ruf bei der FPÖ: Das war eine Zwangsrede! – Abg. Wöginger: Wir sind nicht bei der FPÖ!)

11.27

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.